Volker Kutscher - Die Akte Vaterland

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    Im Juli 1932 steht die Berliner Polizei vor einem Rätsel: Ein Mann liegt tot im Lastenaufzug
    von "Haus Vaterland"- dem legendären Vergnügungstempel am Potsdamer Platz. Alles deutet
    darauf hin, dass er ertrunken ist. Und er ist nicht der Einzige, der auf diese Weise ums Leben kommt.
    Der rätselhafte Fall kommt Kommissar Gereon Rath mehr als ungelegen, denn er hat schon genug Ärger:
    seine Ermittlungen gegen einen Auftragsmörder treten auf der Stelle und seine große Liebe, Charlotte Ritter kehrt
    aus Paris zurück.


    Der Tote im Haus Vaterland führt Rath in den Osten; an die polnische Grenze. Er gerät in eine fremde Welt.
    Er macht Bekanntschaft mit wortkargen Ostpreußen, schwarzgebranntem Schnaps und den moorigen Wäldern im
    Umland. Während die Straßenschlachten zwischen Nazis und Kommunisten eskalieren, gestaltet sich die Polizeiführung neu und auch Rath gerät hierdurch in Bedrängnis. Ist ein alter sagenumwobener Waldschrat der Schlüssel zu den Morden?
    Und was spielt eine ermordete Geliebte für eine Rolle?


    Fazit: ein Kutscher Buch wie man es liebt und hasst. Eigentlich sehr gut umschrieben(wie immer). Leider mit ca. 560 Seiten
    etwas langatmig. Die Spannung ist trotzdem sehr gut. Viele politische Eindrücke. Geren Rath geht sogar mal fremd....tzz tzz
    Die Handlungsorte wechseln mehrfach...von den sumpfigen Gebieten Ostpreußens über div. Lokalitäten bis hin nach Berlin.
    Meines Erachtens wird es am Schluss einwenig zu viel des Guten: ein paar weniger Akteure hätten dem Buch sicher besser getan....
    Aber trotzdem wieder ein sehr sehr guter Geron Rath Krimi :)


    Ich vergebe mal


    4ratten


    PS: hätte zunächst sogar 5 vergeben - aber das Ende war mir dann doch etwas Hollywoodmässig impulsiv....


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    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver

    Einmal editiert, zuletzt von HoldenCaulfield ()

  • Meine Eindrücke
    Gereon Rath legt einen ungünstigen Start hin: Statt seinen Bereitschaftsdienst ernst zu nehmen, holt er lieber seine Freundin Charly vom Bahnhof ab. Sein Mitarbeiter Gräf übernimmt also übellaunig und alleine die ersten Untersuchungen an einer Leiche, die im Vergnügungstempel "Haus Vaterland" gefunden wurde. Ein Todesfall mit Rätseln, denn wie kann man bloß in einem Fahrstuhl ertrinken? Erst ein zweiter Todesfall bringt langsam aber sicher Licht ins Dunkel und leuchtet geradewegs Richtung Masuren. Dort muss es einen Grund für die Morde geben, denn die gemeinsame Herkunft der Opfer ist das einzige Verbindungsstück, dass die Polizei finden kann.


    Um einen Kutscher-Krimi genießen zu können, muss man sich ein wenig Zeit lassen. Das war bei den drei vorangegangenen Bänden schon so und auch beim vierten bleibt sich Volker Kutscher treu: Er baut mehrere Handlungsstränge sauber auf, gewährt Einblick in das Leben und Arbeiten in den 1930er Jahren und daher dauert es immer ein paar Kapitel, bis man in der Geschichte drin ist. Bis man ahnt, wo es Zusammenhänge geben könnte und wo nicht. Bis die Geschichte Gas gibt und man an der Stelle angelangt ist, ab der man nicht mehr aufhören kann zu lesen. Es gibt nicht nur Ertrinkende auf dem Trockenen. Es gibt einen Scharfschützen, der schon seit geraumer Zeit Peronen unter Beschuss nimmt. Es gibt Charly, die wieder in der Burg zu arbeiten beginnt und wegen Personalmangel ausgerechnet in der Mordkommission aushelfen wird. Es gibt Machos, die Charly das Leben schwer machen und politische Umwälzungen, die die Polizisten verunsichern.


    Alles in allem verpackt das Buch ein sehr breites Spektrum an zeitgenössischem Leben, das neben der eigentlichen Krimihandlung abläuft. Wie vielschichtig alleine bereits der Buchtitel ist, begreift man schon nach wenigen Seiten. Nationalismus ist im Buch nicht nur eine politische Strömung, die aus historischen Gründen eben dabei sein muss, Kutscher bringt uns auch nahe, welche Hintergründe es gibt, wie das Wirkprinzip funktioniert und warum Menschen unterschiedlich empfänglich sind.


    Gerade die Komposition über mehrere Ebenen macht das Besondere an den Büchern um Gereon Rath aus. Dessen Ermittlungen werden zu einem der lebendigsten Geschichtsbücher, die über die 1930er Jahre erschienen sind. Das Urteil der SZ, das vor einigen Bänden bereits geschrieben wurde, wird immer deutlicher: "Kutschers Projekt, den Untergang der Weimarer Republik im Medium des Kriminalromans darzustellen, ist ganz und gar schlüssig." Und das auf einem Niveau, das seit vier Bänden unverändert hoch ist.


    5ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa


  • Drüben auf Leserunden.de startet am 7.12. eine autorenbegleitete Leserunde zu dem Buch. Vielleicht mag ja noch jemand mitlesen? :winken:


    Oh ja, da freue ich mich auch schon sehr darauf! :klatschen: Der neue Fall um Gereon Rath hat wieder einmal hervorragende Kritiken bekommen... Und ich würde mich auch freuen, wenn noch der ein oder die andere zu uns und Volker stoßen würde! :winken:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Berlin im Sommer 1932. Kommissar Gereon Rath bekommt es mit einem seltsamen Fall zu tun: im Vaterland, einem Vergnügungstempel, wird ein Spirituosenlieferant tot in einem Aufzug gefunden. Nicht nur die Frage, weshalb der Mann ums Leben kam, sondern auch die Frage, weshalb auf so kuriose Weise - er wurde ertränkt - stellt die Polizei vor ein großes Fragezeichen.


    Doch nicht nur beruflich ist der Kommissar gefordert. Nach mehrmonatiger Trennung erwartet er seine Geliebte Charly zurück in der Stadt und möchte ihr endlich einen Heiratsantrag machen. Die überschwängliche Freude, die er von ihr beim Wiedersehen erwartet hat, bleibt aus, so geht die Beziehung eher holprig dahin und wird zusätzlich durch Charlys Anfang in Raths Abteilung der Polizei belastet.


    Die Ermittlungen gehen in vielfältige Richtungen, bald schon zeigt sich, dass es keine Einzeltat war, sondern quer übers Land Männer auf dieselbe Weise ums Leben kamen. Die Spur führt in die Vergangenheit und in die Masuren. Dort ist man wenig erfreut über die Präsenz der Berliner Polizei - obwohl man sehr bemüht ist, die Loyalität und Verbundenheit zum geliebten Vaterland zu demonstrieren. Rath muss nicht nur Dienstvorschriften und Vorgesetzte ignorieren, um den Fall zu lösen, sondern riskiert gleich mehrfach sein Leben - und seine Zukunft mit Charly.
    Der Mordfall ist gut konstruiert und lässt bis zum Ende Spielraum für Spekulationen. Nur nach und nach lüftet sich das Rätsel und das Ausmaß der Verstrickung wird deutlich. Allerdings hat das Buch viele Längen, bei denen man den Eindruck hat, dass die Handlung über 50 Seiten nicht vorankommt und auch die Entwicklung der Figuren nicht zur Unterhaltung beiträgt. Diese bleiben über weite Strecken unsympathisch. Die Arroganz Raths ist schier unerträglich, seine Verachtung für die Bewohner der Masuren und die Annahme, dass diese pauschal und ausnahmslos dumm sind als Landbewohner, ist auch im Kontext der Zeit weder akzeptabel noch für einen Leser erträglich. Sein mangelndes Feingefühl im Umgang mit all seinen Mitmenschen macht das Buch so manches Mal zu einer Zumutung. Seine Verlobte Charly gleicht das leider auch nicht aus. Einerseits würde sie gerne große Kommissarin spielen, gleichzeitig verfügt sie über gar kein Rückgrat, und beste Anlagen das Heimchen am Herd zu werden. Sie zieht sich lieber darauf zurück zu schmollen oder zu heulen statt ihre Position klar zu machen. Im Beruf noch verständlich, im Privatleben für eine Frau, die zunächst als emanzipierter Charakter vorgestellt wird, irgendwo zwischen verwunderlich und nervig. Das restliche Figurenpersonal besticht auch eher durch disqualifizierendes Verhalten, so dass am Ende kein einziger Sympathieträger bleibt und man eher desinteressiert an deren Ausgang wird.


    Am Ende bleibt Enttäuschung. Ich hatte mir viel mehr von dem Buch erwartet. Weder die Handlung noch die Figuren konnten mich fesseln, so dass ich das Lesen eher als müßig empfand. Aufgrund des Settings hatte ich eine politischere Einbettung erwartet, das blieb jedoch immer am Rand und unbedeutend. Möglicherweise war es ein Fehler, Band 4 der Reihe ohne die Vorgängerbände zu lesen. Die Bezüge zu älteren Fälle, die am Ende gezogen werden, bleiben völlig unklar und das seltsame Verhältnis von Rath und Charly erklärt sich in diesem Band auch nicht. Viele Handlungsstränge bleiben zwischendurch auf der Strecke und werden völlig vergessen, was ich unbefriedigend finde.


    2ratten

  • Es macht schon Sinn, die "Vorgänger" gelesen zu haben, da man sich dann wesentlich besser mit den Personen identifizieren bzw. deren Handlung nachvollziehen kann.


    Insgesamt fand ich die Reihe gar nicht mal so übel....


    Aber die Geschmäcker sind ja unterschiedlich :)

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver

  • Es macht schon Sinn, die "Vorgänger" gelesen zu haben, da man sich dann wesentlich besser mit den Personen identifizieren bzw. deren Handlung nachvollziehen kann.


    Für die Liebesgeschichte macht das Sinn, die erschließt sich mir nämlich gar nicht, alle Handlungen sind irgendwie völlig unlogsich und unmotiviert. Nur die Charaktere machen ja meist keine extreme Wandlung durch. So extrem unsympathisch wie Gereon Rath hier ist, kann ich mir nicht vorstellen, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen.

  • Naja...es geht ja in den Büchern nicht immer nur um sympathische Charaktere....dann sollte man die Verbrecher ganz außen vor lassen :)

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver


  • Naja...es geht ja in den Büchern nicht immer nur um sympathische Charaktere....dann sollte man die Verbrecher ganz außen vor lassen :)


    Aber wenn einem ausnahmslos alle Charaktere unsympathisch oder dumm vorkommen, sind 500 Seiten entschieden zu lange, um das zu ertragen. Wenn es wenigstens ein interssanter negativer Charkter gewesen wäre, dafür hätte ich noch was übrig, aber einfach nur ein Egomane mit Nazi-Tendenzen, ist mir zu wenig.

  • Da ist die große Anzahl der Buch-Käufer wohl anderer Meinung....


    Aber jeder hat ja so seinen Stamm-Autor, bzw. Bücher auf die Er/sie abfährt...


    Bei Kutscher wäre es generell trotzdem ratsam, die Bücher der Reihe nach zu lesen....

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver

  • Da ist die große Anzahl der Buch-Käufer wohl anderer Meinung....


    Nun ja, viele Menschen haben auch Shades of Grey gekauft - Masse ist für mich kein Argument. Ganz im Gegenteil, oft ist gerade Masse Ramsch (was jetzt nicht für dieses Buch gilt).


    Ich habe ja im Rahmen der Leserunde drüben gelesen und da haben viele das Buch auch anders aufgefasst und nicht jeder fand z.B. den Rassismus Raths z.B. so schlimm wie ich. Da spielen dann auch sicherlich persönliche Empfindlichkeiten mit eine Rolle.


  • Wenn es wenigstens ein interssanter negativer Charkter gewesen wäre, dafür hätte ich noch was übrig, aber einfach nur ein Egomane mit Nazi-Tendenzen, ist mir zu wenig.


    Hmmm, das wundert mich ein bisschen, denn Nazi-Tendenzen konnte ich bisher bei ihm nicht erkennen. Er hat im Gegenteil hier und auch in den vorherigen Büchern immer Widerwille und eine Abneigung gegen die mehr und mehr aufkommenden rechten Strömungen gezeigt. Was man ihm vorwerfen kann, ist mehr seine Gleichgültigkeit und sein Desinteresse an Politik, es interessierte ihn bisher nie. Als er hier mal über den Emporkömmling Hitler nachdachte, gab er ja innerlich zu, dass er das letzte Mal schon nicht wählen war, und zu Hitler war seine Überlegung einfach, dass man den Mann ja nicht wählen braucht. Aber gerade das finde ich einfach authentisch für die Zeit, in der die Krimis spielen. Wir wissen, was noch passiert, was die Nazis noch alles anstellen werden und es bimmeln entsprechend alle Alarmglocken und wir reagieren daher natürlich besonders empfindlich auf jede Äußerung, aber die Menschen damals haben das einfach noch nicht so ernst genommen, wie sie es vielleicht hätten mit unserem Wissen. Als Nazi sehe ich Rath nach der Lektüre der bisherigen Bände nicht, sondern als jemanden, der vielleicht mit den kommenden Fällen noch gezwungen sein wird, sich damit doch noch ernsthaft zu beschäftigen und Stellung zu beziehen, sich doch noch mit Hitler und Co. ernsthaft auseinandersetzen zu müssen.


    Und ja, er ist ein gedankenloser Einzelgänger, der anderen auf den Schlips tritt, aber wenn du die anderen Bände kennen würdest, würdest du eine Entwicklung bei ihm sehen, an der Charly maßgeblich beteiligt ist. Und ich glaube und hoffe, dass es in die richtige Richtung weitergeht. Und das gibt für mich den besonderen Reiz an dem Charakter. Er ist nicht immer sympathisch, aber authentisch für seine Zeit und damit für mich sehr interessant zu lesen. Vielleicht ist es wirklich ungünstig, mitten in der Reihe zu beginnen ...


  • Hmmm, das wundert mich ein bisschen, denn Nazi-Tendenzen konnte ich bisher bei ihm nicht erkennen. Er hat im Gegenteil hier und auch in den vorherigen Büchern immer Widerwille und eine Abneigung gegen die mehr und mehr aufkommenden rechten Strömungen gezeigt. Was man ihm vorwerfen kann, ist mehr seine Gleichgültigkeit und sein Desinteresse an Politik, es interessierte ihn bisher nie. Als er hier mal über den Emporkömmling Hitler nachdachte, gab er ja innerlich zu, dass er das letzte Mal schon nicht wählen war, und zu Hitler war seine Überlegung einfach, dass man den Mann ja nicht wählen braucht. Aber gerade das finde ich einfach authentisch für die Zeit, in der die Krimis spielen. Wir wissen, was noch passiert, was die Nazis noch alles anstellen werden und es bimmeln entsprechend alle Alarmglocken und wir reagieren daher natürlich besonders empfindlich auf jede Äußerung, aber die Menschen damals haben das einfach noch nicht so ernst genommen, wie sie es vielleicht hätten mit unserem Wissen. Als Nazi sehe ich Rath nach der Lektüre der bisherigen Bände nicht, sondern als jemanden, der vielleicht mit den kommenden Fällen noch gezwungen sein wird, sich damit doch noch ernsthaft zu beschäftigen und Stellung zu beziehen, sich doch noch mit Hitler und Co. ernsthaft auseinandersetzen zu müssen.


    Er beleidigt die SA burschen in den Masuren, das ist das einzige woran man tendenziell erkennen kann, dass er gegen Hitler ist. Dass er nicht wählen geht (und es ihm auch schienbar ziemlich egal ist), mag in der Zeit begründet sein, zu Ende der Weimarer Republik herrschte eine gewisse Verdrossenheit. Seine Verachtung (die sich ja in seinem Verhalten deutlich wiederspiegelt) für die Bewohner der Masuren mag sich auch durch die Zeit erklären, das macht das Verhalten für mich aber weder akzeptabel noch kann ich darin besonders ansprechende Authentizität erkennen.


    Zitat

    Und ja, er ist ein gedankenloser Einzelgänger, der anderen auf den Schlips tritt, aber wenn du die anderen Bände kennen würdest, würdest du eine Entwicklung bei ihm sehen, an der Charly maßgeblich beteiligt ist. Und ich glaube und hoffe, dass es in die richtige Richtung weitergeht. Und das gibt für mich den besonderen Reiz an dem Charakter. Er ist nicht immer sympathisch, aber authentisch für seine Zeit und damit für mich sehr interessant zu lesen. Vielleicht ist es wirklich ungünstig, mitten in der Reihe zu beginnen ...


    Letzteres glaube ich ganz sicher. Diese positive Entwicklung mag ich mir gar nicht vorstellen, wie ätzend tritt er denn in den ersten Bänden auf? Dass Ermittler nicht immer einfache Charaktere sind und schon mal andere Menschen um sich herum vergessen, wenn's brenzlig wird, ist ja normal und gehört auch dazu. Nur hier erkenne ich gar keinen einzigen sympathischen Zug, weshlab ich mir - monetan zumindest - nicht vorstellen kann, diese Bücher zu lesen.

  • Es handelt sich jetzt aber nicht um ein Geschichtsbuch!


    Die Handlungsstränge sind der Zeit angepasst. Ich sehe ihn jetzt nicht als "typischen" Nazis. Zudem beziehen sich die Handlungen doch meist eher fernab des politischen Geschehens....auch wenn jeweils die "Situation der damaligen Zeit" thematisiert wird...


    Meistens ist es ganz einfach so, das man eine Buchreihe mag....oder halt nicht. Dann bringt es auch nichts, die anderen Bücher zu lesen, wenn man sich mit den Hauptakteuren schon nicht anfreunden kann.

    Opa Pittschikowski aus dem Ruhrrevier, kennt die Blauen Knappen schon seit 1904 - niemals tat er fehlen, nur einmal war er krank - Oma tat er quälen wenn er schon morgens sang:<br /><br />Ob ich verroste und ver


  • Er beleidigt die SA burschen in den Masuren, das ist das einzige woran man tendenziell erkennen kann, dass er gegen Hitler ist.


    In meiner Vorstellung würde eben keiner mit Nazi-Gesinnung derart eine Gruppe Nazis angreifen. Das passt für mich nicht. Nazis bejubeln Nazis und greifen sie nicht an. Und würdest du die anderen Bücher kennen, hättest du Raths Abneigung gegen die braunen Schlägergruppen, wie er sie nennt, schon mehrfach miterlebt. Ich sehe da keine Sympathien bei ihm, sondern kenne nur seinen Widerwillen. Sein Auftreten im Dorf ist für mich ein typisches großkotziges Großstädterverhalten gegen die Landbevölkerung, wie es ja auch umgekehrt in ähnlicher Weise die Dorfbewohner gegen die Städter haben. Gut finde ich das sicher auch nicht, aber die Dorfbewohner waren großteils auch nicht nett. :zwinker:


    Ich würde ihn sicher auch nicht heiraten wollen, aber sehe ihn durch die verschiedenen Fälle, die ich schon gelesen habe, nicht ganz so einseitig, sondern etwas vielschichtiger. Und ich sehe es wie Andreas Tombrink. Wenn einem etwas von Anfang an nicht gefällt, ist es halt so und es gibt genug andere Bücher, die man lesen kann. :smile:


  • Die Arroganz Raths ist schier unerträglich, seine Verachtung für die Bewohner der Masuren und die Annahme, dass diese pauschal und ausnahmslos dumm sind als Landbewohner, ist auch im Kontext der Zeit weder akzeptabel noch für einen Leser erträglich. Sein mangelndes Feingefühl im Umgang mit all seinen Mitmenschen macht das Buch so manches Mal zu einer Zumutung.


    Gereon Rath kommt unvoreingenommen in Masuren an und hat anfangs einige Verständnisprobleme. Alles andere würde beim ersten Zusammentreffen eines Rheinländers mit den wortkargen Ostpreußen erst einmal verwundern... :zwinker: Dann kann ich nicht behaupten, dass Gereon verachtend mit der Bevölkerung von Treuburg umgeht - allerdings hat er ein Problem mit den Menschen, die ihn ob ihrer extrem völkischen Auffassung, ihrer großen Bewunderung für ihren selbsternannten Retter Adolf Hitler und dessen Schergen und ihr haltlosen Jubel für den Dorfpatriarchen doch sehr verwundern. Tja, und die Mehrzahl der Bevölkerung einer Kleinstadt, die sich selbst in Treuburg umbenennt und nicht viel außer Hass für die (vermeintlichen) polnischen Nachbarn übrig hat, hat wohl auch selbst keinen allzu großen Respekt verdient, oder? Gereon Rath tritt gegenüber dem Hotelbesitzer, dem Dorflehrer, dem Schuster, der Bibliothekarin, ... durchaus mit höflichem Respekt auf! Nur bei dem tumben Volk hat er so seine Probleme - das kann ich nur allzu gut verstehen.


    Zitat

    Seine Verlobte Charly gleicht das leider auch nicht aus. Einerseits würde sie gerne große Kommissarin spielen, gleichzeitig verfügt sie über gar kein Rückgrat, und beste Anlagen das Heimchen am Herd zu werden. Sie zieht sich lieber darauf zurück zu schmollen oder zu heulen statt ihre Position klar zu machen. Im Beruf noch verständlich, im Privatleben für eine Frau, die zunächst als emanzipierter Charakter vorgestellt wird, irgendwo zwischen verwunderlich und nervig.


    Halt, halt! Wir befinden uns im Jahr 1932! Kurze Zeit später wurden solch "schöne" Dinge wie das Mutterkreuz eingeführt... Charly ist für die damalige Zeit durchaus fortschrittlich - noch dazu, wenn man bedenkt, dass sie aus einer einfachen Familie stammt. In betuchteren Familien leistete man sich damals noch eher eine studierende und/oder emanzipierte Tochter oder Frau. Wenn man den ein oder anderen Kollegen von Charly betrachtet, sieht man, dass schon dieser vermeintlich kleine Fortschritt in Charlys Leben durchaus ein Kraftakt ist - da kann man jetzt nicht unbedingt noch einen Kampfanzug und eine Erpressung des Zukünftigen, dass er sich fortan um den heimischen Herd zu kümmern habe, erwarten.


    Zitat

    Aufgrund des Settings hatte ich eine politischere Einbettung erwartet, das blieb jedoch immer am Rand und unbedeutend.


    Die Rahmenhandlung ist unpolitisch oder zumindest unbedeutend? :entsetzt: Spätestens hier habe ich die Befürchtung, dass ich ein anderes Buch gelesen habe! Die Veränderungen im Polizeiapparat (deutlich beschrieben), die Entwicklungen in Mausern (aufwieglerische Reden zur Abstimmungfeier, Beflaggung, antisemitische Aussetzer, etc.), die sich verändernden Machtverhältnisse, die Schilderungen von von Papen und Hindenburg, die blutigen Auseinandersetzungen auf Berlins Straßen und der Blutsonntag in Altona, ... was genau fehlt Dir da an politisch-historischen Fakten?



    Wenn es wenigstens ein interssanter negativer Charkter gewesen wäre, dafür hätte ich noch was übrig, aber einfach nur ein Egomane mit Nazi-Tendenzen, ist mir zu wenig.


    Oha. Du findest, dass Gereon Rath Nazi-Tendenzen hat? Ein Mann, der immerhin mit einer fortschrittlichen Frau wie Charly verlobt ist, schwarz-rot-gold deutlich lieber sieht als schwarz-weiß-rot, Buick fährt und Jazz-Platten hört, der antisemitische Äußerungen nicht nachvollziehen kann und seine eigenen Gedanken zu Hitler hat, der prügelnden und pöbelnden SA-Bengeln die Meinung sagt und noch andere Dinge tut (die hier zu viel von der Handlung verraten würden)? Welche Anzeichen siehst Du dafür oder soll es nur Ausdruck für Deine Antipathie für Gereon Rath sein?
    Was man dem Kommissar vorwerfen könnte, ist seine politikverdrossene Einstellung - aber das lässt sich heutzutage mit Kenntnis der damaligen fatalen Entwicklungen leicht sagen. So ist und bliebt für mich Gereon Rath eine durchaus authentische Figur der damaligen Zeit. Und ich bin mir sicher, dass Gereon sich in den kommenden Fällen seine Gedanken zu seiner Einstellung, damals Ende der 1920er und Anfang der 30er, machen wird. Bleibt abzuwarten, ob er da die nötige Selbstkritik walten lässt...




    Ich habe ja im Rahmen der Leserunde drüben gelesen und da haben viele das Buch auch anders aufgefasst und nicht jeder fand z.B. den Rassismus Raths z.B. so schlimm wie ich. Da spielen dann auch sicherlich persönliche Empfindlichkeiten mit eine Rolle.


    Nein, da kannst Du Dir sicher sein, bei mir spielen da niemals persönliche Empfindlichkeiten eine Rolle. Ich weiß schlicht und ergreifend nicht, welche rassistischen Äußerungen Du bei Gereon Rath meinen könntest! Hast Du ein Beispiel?

    Liebe Grüße

    Tabea


  • In meiner Vorstellung würde eben keiner mit Nazi-Gesinnung derart eine Gruppe Nazis angreifen. Das passt für mich nicht. Nazis bejubeln Nazis und greifen sie nicht an. Und würdest du die anderen Bücher kennen, hättest du Raths Abneigung gegen die braunen Schlägergruppen, wie er sie nennt, schon mehrfach miterlebt. Ich sehe da keine Sympathien bei ihm, sondern kenne nur seinen Widerwillen.


    Wobei ich wirklich finde, dass es dazu die anderen Bücher nicht braucht. Gereon denkt in Die Akte Vaterland mehrfach über die braunen Schlägerbanden nach - und das sind keinesfalls positive Gedanken! Er wundert sich über die polenfeindliche Stimmung in Treuburg, macht sich nicht nur einmal unbeliebt, indem er sich selbst als katholisch outet. Hinzu kommt seine Abneigung gegenüber dem massiven Schmücken der Straßen und Häuser in den Farben der Reichskriegsflagge... Also mehr "Beweise" braucht es da im Grunde nicht und trotzdem hat er dann noch das ein oder andere "Gespräch", bei dem er noch deutlicher wird.


    Zitat

    Sein Auftreten im Dorf ist für mich ein typisches großkotziges Großstädterverhalten gegen die Landbevölkerung, wie es ja auch umgekehrt in ähnlicher Weise die Dorfbewohner gegen die Städter haben. Gut finde ich das sicher auch nicht, aber die Dorfbewohner waren großteils auch nicht nett. :zwinker:


    Großstadtverhalten einerseits, fremdelnde Abneigung auf Seiten der Treuburger andererseits. Gereon Rath steht für viele Treuburger eben auch für die heterogene Weimarer Republik; der SPD-Minderheitsregierung geben sie die Schuld an ihrer eigenen Situation, sehen sich als Opfer und Gereon als Hauptstädter als Teil derer, die ihnen nicht helfen... Da schwingt eben auch wieder ganz viel Politik zwischen den Zeilen! :zwinker: Hinzu kommt sicherlich ein gewisses Mentalitätsproblem (wenn man es so nennen möchte), das den ersten Kontakt auch nicht unbedingt erleichtert...

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Gereon Rath kommt unvoreingenommen in Masuren an und hat anfangs einige Verständnisprobleme. Alles andere würde beim ersten Zusammentreffen eines Rheinländers mit den wortkargen Ostpreußen erst einmal verwundern... :zwinker: Dann kann ich nicht behaupten, dass Gereon verachtend mit der Bevölkerung von Treuburg umgeht - allerdings hat er ein Problem mit den Menschen, die ihn ob ihrer extrem völkischen Auffassung, ihrer großen Bewunderung für ihren selbsternannten Retter Adolf Hitler und dessen Schergen und ihr haltlosen Jubel für den Dorfpatriarchen doch sehr verwundern. Tja, und die Mehrzahl der Bevölkerung einer Kleinstadt, die sich selbst in Treuburg umbenennt und nicht viel außer Hass für die (vermeintlichen) polnischen Nachbarn übrig hat, hat wohl auch selbst keinen allzu großen Respekt verdient, oder? Gereon Rath tritt gegenüber dem Hotelbesitzer, dem Dorflehrer, dem Schuster, der Bibliothekarin, ... durchaus mit höflichem Respekt auf! Nur bei dem tumben Volk hat er so seine Probleme - das kann ich nur allzu gut verstehen.


    Ich habe es jetzt nicht mehr detailliert im Kopf, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass er beispielsweise schon auf Basis der Sprache die Leute derbe abqualifiziert, da sie eben nicht sein hochdeutsch sprechen. Daran macht sich für mich auch die tendenziellen Anders-feindliche Gesinning fest. Nur wer gutes Deutsch spricht, ist auch ein guter Deutscher. Dass er derjenige ist, der die Sprache der Leute nicht beherrscht, ist für ihn gar kein thema, jeder muss sich gefälligst ihm anpassen. Und er hält alle Menschne für dumm, die nicht Deutsch sprechen. Dann ist wohl die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht so hoch gestellt in der Rangliste - das ist doch schon ziemlich im Einklang mit der Nazi-Ideologie.


    Zitat


    Halt, halt! Wir befinden uns im Jahr 1932! Kurze Zeit später wurden solch "schöne" Dinge wie das Mutterkreuz eingeführt... Charly ist für die damalige Zeit durchaus fortschrittlich - noch dazu, wenn man bedenkt, dass sie aus einer einfachen Familie stammt. In betuchteren Familien leistete man sich damals noch eher eine studierende und/oder emanzipierte Tochter oder Frau. Wenn man den ein oder anderen Kollegen von Charly betrachtet, sieht man, dass schon dieser vermeintlich kleine Fortschritt in Charlys Leben durchaus ein Kraftakt ist - da kann man jetzt nicht unbedingt noch einen Kampfanzug und eine Erpressung des Zukünftigen, dass er sich fortan um den heimischen Herd zu kümmern habe, erwarten.


    Von Charlys Familie oder Herkunft erfährt man gar nichts in dem Buch. Mit kam sie eher wie das verwöhnte höhere Töchterchen vor, das sich dann zum Spaß auch noch ein Jahr in Paris aufhalten durfte. Natürlich kann man in der Zeit nicht zu viel erwarten, es ist schade, dass sie sich am Ende dann so zum Mütterchen verwandelt und nur darauf wartet ein Kind zu bekommen und den Haushalt zu führen. Von Emanzipation war da nur sehr wenig zu spüren.


    Zitat


    Die Rahmenhandlung ist unpolitisch oder zumindest unbedeutend? :entsetzt: Spätestens hier habe ich die Befürchtung, dass ich ein anderes Buch gelesen habe! Die Veränderungen im Polizeiapparat (deutlich beschrieben), die Entwicklungen in Mausern (aufwieglerische Reden zur Abstimmungfeier, Beflaggung, antisemitische Aussetzer, etc.), die sich verändernden Machtverhältnisse, die Schilderungen von von Papen und Hindenburg, die blutigen Auseinandersetzungen auf Berlins Straßen und der Blutsonntag in Altona, ... was genau fehlt Dir da an politisch-historischen Fakten?


    Für den Fall ist der zeitliche Rahmen gänzlich irrelevant, natürlich klingt das an. ich war nur fälschlicherweise (auch durch den Titel "Vaterland" bestärkt) von einem politischen Fall ausgegangen.


    Ich hatte wirklich hohe Erwartungen an den Roman, vielleicht bin ich deshalb so enttäuscht.


  • Ich habe es jetzt nicht mehr detailliert im Kopf, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass er beispielsweise schon auf Basis der Sprache die Leute derbe abqualifiziert, da sie eben nicht sein hochdeutsch sprechen. Daran macht sich für mich auch die tendenziellen Anders-feindliche Gesinning fest. Nur wer gutes Deutsch spricht, ist auch ein guter Deutscher. Dass er derjenige ist, der die Sprache der Leute nicht beherrscht, ist für ihn gar kein thema, jeder muss sich gefälligst ihm anpassen. Und er hält alle Menschne für dumm, die nicht Deutsch sprechen. Dann ist wohl die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht so hoch gestellt in der Rangliste - das ist doch schon ziemlich im Einklang mit der Nazi-Ideologie.


    Entschuldige bitte, aber dafür, dass Du es nicht mehr detailliert im Kopf hast, interpretierst Du ganz schön viel hinein. Ich habe keine einzige Stelle gelesen, bei der Gereon auch nur irgendjemand für dumm hält, weil er etwas anderes spricht als deutsch. Lediglich bei seinem ersten Kneipenbesuch (als ihm der Dorflehrer zur Hilfe kommt), hält er das Masurische für Polnisch und da er das nicht spricht, versucht er es bei Adamek weiter mit deutsch.
    Erinnert mich an so manchen deutschen Tourist, der im Urlaub auch einfach weiter deutsch spricht und davon ausgeht oder zumindest hofft, dass ihn alle verstehen.


    Zitat


    Von Charlys Familie oder Herkunft erfährt man gar nichts in dem Buch. Mit kam sie eher wie das verwöhnte höhere Töchterchen vor, das sich dann zum Spaß auch noch ein Jahr in Paris aufhalten durfte. Natürlich kann man in der Zeit nicht zu viel erwarten, es ist schade, dass sie sich am Ende dann so zum Mütterchen verwandelt und nur darauf wartet ein Kind zu bekommen und den Haushalt zu führen. Von Emanzipation war da nur sehr wenig zu spüren.


    Okay, jetzt weiß ich, dass ich ein anderes Buch gelesen habe. Mit keiner Silbe geht es um den Haushalt bei Charly, sie kocht nicht für Gereon, sie putzt nicht in der Cramerstraße, sie wäscht nicht seine Wäsche. Sie erwähnt auch mit keiner Silbe, dass sie jetzt ein Kind möchte oder darauf wartet. Was genau meinst Du also?


    Zitat


    Für den Fall ist der zeitliche Rahmen gänzlich irrelevant, natürlich klingt das an. ich war nur fälschlicherweise (auch durch den Titel "Vaterland" bestärkt) von einem politischen Fall ausgegangen.


    Also ich finde nicht, dass der zeitliche Rahmen für den Fall irrelevant ist und selbst im Alltagsgeschäft der Berliner Polizei passieren Dinge, die durch die politischen Entwicklungen ausgelöst werden.
    Dass das auf dem Cover abgebildete 'Haus Vaterland' den Namen nicht von den Nazis erhalten hatte und als Systemgastronomie und Vergnügungstempel herhalten musste und lediglich durch den ersten Mord die für die Ermittler und die entsprechende Akte Namensgeber war, ist eine andere Sache. Aber natürlich ereigneten sich auch 1932 'normale' Morde...


    Zitat

    Ich hatte wirklich hohe Erwartungen an den Roman, vielleicht bin ich deshalb so enttäuscht.


    Die hatte ich auch! :breitgrins:

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Entschuldige bitte, aber dafür, dass Du es nicht mehr detailliert im Kopf hast, interpretierst Du ganz schön viel hinein. Ich habe keine einzige Stelle gelesen, bei der Gereon auch nur irgendjemand für dumm hält, weil er etwas anderes spricht als deutsch. Lediglich bei seinem ersten Kneipenbesuch (als ihm der Dorflehrer zur Hilfe kommt), hält er das Masurische für Polnisch und da er das nicht spricht, versucht er es bei Adamek weiter mit deutsch.
    Erinnert mich an so manchen deutschen Tourist, der im Urlaub auch einfach weiter deutsch spricht und davon ausgeht oder zumindest hofft, dass ihn alle verstehen.


    Mögllicherweise täusche ich mich da ja und es liegt an der Problematik Großstadt-Land und weniger Deutsche-Nicht-Deutsche wie einige vorgeschlagen haben. Ich persönlich empfand sein Auftreten in den Masuren insgesamt sehr arrogant und verachtend (das ist eine persönliche Empfindung, das kann bei anderen Lesern durchaus anders sein und hat nichts mit wahr oder unwahr zu tun).


    Ich habe mir das Buch jetzt nocheinmal genommen und nur zwei Stellen rausgesucht, die mich zu dieser Empfindung bringen: S. 191 verweist er darrauf, dass er schon einmal mit ostpreußischen Kollegen zusammengearbeitet hat. Warum? Sind die irgendwie so anders, dass man das extra betonen muss? Auf S. 199 heißt es "Er fühlte sich wie ein Missionar, dem ein gastfreundlicher Eingeborenenstamm Affenaugen in Aspik kredenzt oder sonstwas Ekelhaftes". Den Vergleich empfinde ich jetzt beispielsweise nicht so super weltoffen und tolerant, sondern ziemlich despektierlich dem masurischen Essen und der Kultur gegenüber. Man kann sicherlich drüber diskutieren, welche Konnotationen bei "Eingeborenenstamm" mitschwingen, aber ich würde auch ohne fundiertes (historisches) Wissen behaupten, dass man in den Masuren in den 30er Jahren einen anderen Lebensstil pflegte als in Zentralafrika zur selben Zeit und dieser Vergleich ist für mich schon eher negativ. Dass er sich als Missionar sieht, spricht meiner Ansicht nach für sich.


    Zitat


    Okay, jetzt weiß ich, dass ich ein anderes Buch gelesen habe. Mit keiner Silbe geht es um den Haushalt bei Charly, sie kocht nicht für Gereon, sie putzt nicht in der Cramerstraße, sie wäscht nicht seine Wäsche. Sie erwähnt auch mit keiner Silbe, dass sie jetzt ein Kind möchte oder darauf wartet. Was genau meinst Du also?


    Ich finde schon, dass sie sich am Ende des Buchs dahingehend entwickelt. Ich bin jetzt nicht so der große Romantiker, vielleicht fand ich deshalb so. Ihr Geheule (z.B. S. 503) und er muss sie immer trösten, auf der Seite danach heißt es, dass sie Anlehnungsbedürfnis hat, Angst vor Streit und schon ziemlich harmoiniebedürftig ist und sich gar nciht traut, ihre eigene Theorie zu formulieren. Dafür, dass sie zu Beginn des Buchs so forsch ist, ordnet sie sich am Ende ziemlich stark unter und folgt Gereon. Auf S. 531 ärgert sie sich dann über sich selbst, weil sie "Haus und Hund hütet" und wollte eigentlich mit ihm ins Grüne fahren und bedauert schon einsame Wochenenden im Ehealltag. Das sind für mich Gedanken, die in eine andere Richtung gehen als die der emanzipierten Frau, die zu Beginn des Buchs präsentiert wurde.


    Natürlich ist die Wahrnhemung immer selektiv und möglicherweise habe ich andere Dinge überlesen oder nicht so stark wahrgenommen.