Julie Kibler - Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

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  • Inhalt:


    Wenn eine ältere Dame sich mit einer jungen, alleinerziehenden Mutter anfreundet, ist das meist schon seltsam genug. Doch wenn die Dame weiss und die junge Mutter schwarz ist, dann sind schiefe Blicke gewiss. Dennoch stehen sich Miss Isabelle und Dorrie sehr nahe.


    Eines Tages bittet Miss Isabelle ihre Freundin um einen grossen Gefallen: Sie soll ihr Friseurgeschäft für einige Tage schliessen, um mit der rüstigen Dame an eine Beerdigung zu fahren.


    Auf dem Weg dorthin beginnt Miss Isabelle ihre Geschichte zu erzählen, die zurück ins Amerika der 1930er Jahre führt. Eine prüde Zeit, in die die junge Isabelle nicht hineinzupassen scheint. Doch das Unglück nimmt seinen Lauf, als sie sich in Robert verliebt. Robert, der schwarz ist...


    Meine Meinung:


    In "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" erzählt Julie Kibler nicht nur die Liebesgeschichte von Isabelle und Robert, einer Liebe, die zum Scheitern verurteilt ist, sie zeigt auch das hierarchische Rassenbild der 1930er auf.


    Es ist eine starre Zeit, der schöne Schein ist alles. Dass ein junges Mädchen sich in einen Schwarzen verliebt, ist ein Skandal. Denn Schwarze stehen in der Hierarchie unter den Weissen. Sie werden als zweitklassige Menschen angesehen, müssen sogar vor Einbruch der Dunkelheit die Stadt verlassen.


    Was Isabelle und Robert wiederfährt ist fürchterlich, dennoch hege ich keinerlei Zweifel daran, dass das früher tatsächlich so zu und her ging. Durch Julie Kibler erhalten wir einen glaubhaften Blick in das damalige, sowie das heutige Gesellschaftssystem. Denn noch immer sind nicht alle Vorurteile überwunden, Isabelle und Dorrie erfahren das mehr als einmal am eigenen Leib.


    Kibler erzählt ihre Geschichte ruhig und besonnen, an manchen Stellen leicht trocken. Dann hätte ich mir etwas mehr Gefühl gewünscht, doch im Grossen und Ganzen machte genau diese Erzählweise die Geschichte glaubhaft. Ich konnte mir gut vorstellen, wie Isabelle neben Dorrie im Auto sitzt und ihr ihre Lebensgeschichte erzählt.


    "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" ist ein Buch, das Fragen aufwirft, das hinterfragt und nicht beschönigt. Es trifft den Leser an einer sehr empfindlichen Stelle. Nämlich bei der Frage, in wiefern wir noch immer unterschwellig rassischtig handeln oder denken. Wie weit sind wir wirklich in den 70 oder 80 Jahren gekommen? Wie weit geht die Gleichberechtigung?


    Die Autorin hat ihrer Geschichte ein schwieriges Thema zugrunde gelegt und eine schöne, anrührende Liebesgeschichte erzählt. Kibler verheimlicht nicht, dass ihr Rassismus zuwider ist, doch sie zeigt dies auf eine angenehme, unaufdringliche Art, sodass man das Buch lesen kann, ohne sich gleich mit dem erhobenen Zeigefinger konfrontiert zu fühlen.


    Meiner Ansicht nach braucht es ab und an solche Bücher, um einen aus der emotionalen Gleichgültigkeit aufzurütteln und einem wenigstens ein klein wenig der harten Realität vor Augen zu führen.


    Fazit:


    Ein Buch, das man trotz seines harten Themas leicht und flüssig wegliest. Es berührt und bewegt, zeigt es doch eine Liebesgeschichte, die so oder ähnlich hätte stattfinden können. "Zu zweit tut das Herz nur halb so weh" ist ein glaubhaftes Buch, das ein Thema anspricht, das uns in unserer globalisierten Welt bewegt wie kein zweites.


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    4ratten

    //Grösser ist doof//

  • Isabelle, ein junges weißes Mädchen aus gutem Haus, lebt mit seiner Familie 1939 in Shalerville in Kentucky. Shalerville, ein idyllisches kleines Örtchen wie es viele in Amerika gibt. Ein Ort mit Menschen welche direkt am Ortseingang ein Schild aufgestellt haben mit den unmissverständlichen Worten: "Nigger, lass dich nach Sonnenuntergang nicht in Shalerville blicken."
    Der Mensch weiß also wo er dran ist. Die Farbigen arbeiten tagsüber bei den weißen Familien und die Weißen sehen sich als gute, gönnerhafte Menschen. Wenn nicht dieses Schild wäre. Zeigt es doch mit wenigen Worten die tatsächliche Situation. Der Farbige, ein Mensch zweiter Klasse, eigentlich eher nur ein wenig mehr als ein Tier. Der Weiße, die privilegierte Oberschicht, die sich selbstverständlich vor dem Farbigen schützen muss. Muss sie das? Das Tier versteckt sich nicht hinter einer Hautfarbe, Perverse und Hirnkranke gibt es genug in Shalerville und die sind, wen wundert es, weiß.
    Der weiße Mensch ist also privilegiert, was ihm aber immer noch nicht das Recht gibt zu tun und zu lassen was er mag. Isabelle spürt dies am eigenen Leib. Sie verliebt sich in Robert, den Sohn der schwarzen Hausangestellten. Doch eingeschnürt in das Korsett ihrer Zeit darf diese Liebe nicht sein. Robert und seine Familie wissen dies eher als Isabelle. Und doch gibt Isabelle nicht auf. Damit stürzt sie nicht nur sich und Robert, sondern einige Menschen mehr ins Verderben.


    Isabelle, nun 90 Jahre alt, bittet ihre Friseurin und Ersatztocher Dorrie, sie zu einer Beerdigung zu begleiten. Da diese Reise einige Tage mit dem Auto dauert, erzählt sie dabei Dorrie ihre Geschichte, auch in Hinblick auf die Hintergründe zur Teilnahme an eben dieser Beerdigung. Gleichzeitig erlebt der Leser welche Probleme Dorrie als alleinerziehende Mutter und Farbige im Hier und Jetzt beschäftigen.
    Man liest und leidet mit Isabelle und erfährt welch ein Schmerz sie ihr Leben lang begleitet hat. Man erfährt aber auch einiges über das Übel namens Rassismus. Nicht die kulturellen Hintergründe, das wäre bei diesem Buch wohl zu viel verlangt, aber die Auswirkungen und die Tatsache, dass der Rassismus freiwillig oder unfreiwillig auch heute noch in den Köpfen steckt.


    Im Gegensatz zu Jari fand ich den Stil der Autorin nicht trocken, mir war es fast schon zu emotional. Zumindest habe ich einige Tränchen vergossen


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Papyrus ()


  • Im Gegensatz zu Jari fand ich den Stil der Autorin nicht trocken, mir war es fast schon zu emotional. Zumindest habe ich einige Tränchen vergossen


    Interessant, wie unterschiedlich wir das Buch wahrnehmen. Ich war an keiner Stelle den Tränen nahe, aber ergriffen war ich trotzdem.

    //Grösser ist doof//

  • Insgesamt betrachtet gefiel mir das Buch gut.
    Zwar hat es keinen Sog auf mich ausgeübt und es konnte ganz in Ruhe ein paar Tage ungelesen liegen bleiben, doch im Großen und Ganzen möchte man wissen wie die Geschichte der Miss Isabelle weitergeht - die aktuelle Geschichte von Dorrie dagegen fand ich fast schon gezwungen. Man merkt zu sehr, dass die Damals-Heute-Schiene bedient wird und irgendeine Lektion vermittelt wird.


    Auch wenn man weiß mit welchem Rassismus Menschen früher und auch heute begegnet wird, muss man doch stark schlucken, weil so offensichtlich ist, wie oberflächlich und absurd die Ausgrenzung alleine wegen der Hautfarbe oder anderen willkürlichen Merkmalen ist.
    Im Vergleich zu anderen Büchern dieser Thematik hat mich diesesaber wenig berührt. Nur an wenigen Stellen musste ich innehalten oder fand es ungeheuerlich, was die junge Miss Isabelle durchlebt hat. Demnach stimme ich Jari zu, dass die Schreibweise teils trocken erschien.


    Das Buch ist eine schöne Unterhaltungslektüre, die bei mir zumindest aber keinen langanhaltenden Eindruck hinterlassen wird.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing