Ian McEwan - Honig

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  • Ian McEwan - Honig


    Sprecher: Eva Mattes
    Verlag: Diogenes
    Jahr: 2013
    Ausgabe: CD
    Format: audio
    Typ: Hörbuch (gekürzt)
    Originaltitel: Sweet Tooth
    Originaljahr: 2012


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    Klappentext:


    Sex, Spionage, Fiktion und die Siebziger: Serena arbeitet beim britischen Geheimdienst MI5. Weil sie auch eine passionierte Leserin ist, wird die junge Frau auf eine literarische Mission geschickt. Ian McEwan lockt uns mit gewohnter Brillanz in eine Intrige um Verrat, Liebe und die Erfindung der eigenen Identität.


    Meine Meinung:


    Serena Fromes Leidenschaft ist das Lesen und nur zu gerne würde sie Literatur studieren doch ihre Mutter bringt sie dazu, etwas aus ihrer natürlichen Begabung für Zahlen zu machen und so studiert sie Mathematik an der Cambridge Universität. Mehr schlecht als recht beendet sie das Studium und Serena, deren Nachname sich auf "Ruhm" reimt, bekleckert sich in den folgenden Jahren nicht unbedingt mit diesem. Der Affäre mit dem verheirateten, deutlich älteren Tony Cummings, verdankt sie schließlich die Anstellung beim britischen Geheimdienst MI5. Erst arbeitet sie nur als kleine Büroangestellte, später wird sie mit dem Projekt "Honig" betraut. Ganz im Zeichen des Kalten Krieges und dem überall vorhandenen Schatten der IRA, hat die britische Regierung vor, die intellektuelle Welt zu infiltrieren und Kommunismus frühzeitig zu bekämpfen. Insbesondere Schriftsteller mit einer nicht ganz regierungskonformen Gesinnung werden unter dem Vorwand einer Stiftung finanziell gefördert - so kann man sie besser im Auge behalten. Eine Honigfalle für Menschen und es kommt, wie es kommen muss: Die bildschöne Serena und der talentierte Autor Tom Haley verlieben sich ineinander, doch die Lüge steht zwischen den beiden.


    Ian McEwan fängt die Atmosphäre der frühen 70er Jahre meisterhaft ein: Die sozialen Unruhen, der kalte Krieg, Energiekrise, streikenden Bergarbeitern, dem Nordirlandkonflikt & der IRA. Zwar ist der Roman fiktiv, aber McEwan bediente sich einer realen Vorlage. Hier in Form der Zeitschrift "Encounter", deren Erscheinen 1990 eingestellt wurde. Zu sehr lag der Schatten des Skandals über ihren Artikel, denn 1966 wurde die bislang geheime CIA-Finanzierung über die Association for Cultural Freedom (Kongress für kulturelle Freiheit) aufgedeckt. Dem Herausgeber selbst war diese Tatsache nicht bewusst.


    Wie stark beeinflusst der Staat die Kunst und die künstlerische oder intellektuelle Freiheit? Auch jetzt, 40 Jahre nach dieser bewegenden Zeit, hat der Roman nichts von seiner Aktualität verloren. Die Beeinflussung Außenstehender auf Kunst und Künstler ist real. Denken wir doch nur einmal daran, wie ein Buch schon vor dem Verkauf des ersten Exemplares zum Bestseller definiert wird. Wie in vielen Ländern auch heute noch die Presse, Autoren und Journalisten von Regierungen unter Druck gesetzt oder verboten werden. Natürlich ist dies kein direkter Vergleich mit der Vorgehensweise des CIA oder des MI5, und dennoch: Kunst darf nicht von Politik oder Wirtschaft beeinflusst werden. Sie muss frei bleiben (oder jedenfalls so frei, dass sie anderen Lebewesen damit nicht schadet).


    Die Atmosphäre könnte man gebeutelt nennen. Die ständige Angst vor terroristischen Anschlägen schwebt über den Menschen. Und mitten drin sind da zwei Liebende, die auf einem filigranen Lügengeflecht ruhen und unweigerlich auf den Zusammenbruch hinsteuern. Sehr lange plätschert der Roman wie ein ruhiger Fluß dahin. Serena studiert, liest, hat Affären mit verschiedenen Männern, die sie mal mehr, mal weniger liebt. Als sie Tom kennen lernt, ändert sich das Lesetempo etwas. Immer wieder werden Toms Kurzgeschichten eingestreut, so dass auch wir uns ein Bild von dessen Talent machen können.


    Eine gewöhnliche Spionagegeschichte also? Ian McEwan wäre nicht Ian McEwan, wenn er sich nicht noch einen interessanten Dreh am Ende von "Honig" ausgedacht hätte. Diese Pointe erschwischt den Leser so eiskalt, dass er bei der letzten Seite nicht aufhört, sondern die erste Seite erneut aufschlägt und nochmals von vorne beginnt. Ein intelligentes Buch und das Ende tröstet über die einstweilige Längen hinweg.


    Sprecherin Eva Mattes. Wie sehr ich diese Stimme verehre. Und auch der Rest dieser Frau ist bemerkenswert. Die Schauspielerin, Chanson-Sängering und Synchronsprecherin erhielt nicht nur verschiedene Filmpreise, sondern wurde 1985 auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Alleine ihre Stimme ist wie Honig und ist perfekt als Stimme der Serena Frome.


    4ratten

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Vielen Dank für die Rezension! :winken:


    Da das vom Ende her ja sehr nach seinem Geniestreich in Abbitte klingt, werde ich mir das Buch wohl zulegen. Ich mag McEwans Art zu schreiben sehr und gerade, wenn er dem Leser am Schluss eins auswischt, finde ich es super. :breitgrins:

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • Das klingt wirklich klasse und ist jetzt endgültig auf meinem Wunschzettel gelandet.


    Mrs. Dalloway, Du erinnerst ich daran, dass ich "Abbitte" noch mal lesen wollte ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen