Thomas Hardy - Herzen im Aufruhr/Im Dunkeln (Jude the Obscure)

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  • Zu hören, dass Richard Phillotson es nicht bis zum Pfarrer gebracht hat, muss für Jude eine ziemliche Enttäuschung gewesen sein und vielleicht der erste Kratzer auf dem idealisierten Bild, das er sich im Kopf von Christminster gemacht hat. [...] Das Schreiben, mit dem Judes so lang gehegten Wunschträume zerstört wurden, tat mir in der Seele weh. Nicht einmal die Chance zu einem Vorstellungsgespräch oder Test zu bekommen, nachdem er jahre- bzw. jahrzehntelang darauf hingearbeitet hat, ist verdammt bitter. Ich bin gespannt, was jetzt aus seinen neuen Plänen wird.


    Erstaunlich, dass er sich damit so schnell abspeisen lässt. Jahrelang hat er sich darauf vorbereitet, dort zu studieren, hat viel Zeit und Mühen investiert. Das zeigt deutlich, dass er wirklich dorthin möchte. Warum versucht er es nicht auf einem anderen Weg, gibt sich als reichen Sohn aus (gut, dazu bedarf es einer Grundausstattung an Kleidung und anderen persönlichen Dingen) oder versucht, einflussreiche Leute kennen zu lernen, die sich für ihn verwenden? Wenn man als Nobody solche ehrgeizigen Ziele hat, muss man mit Rückschlägen rechnen und darf nicht so schnell aufgeben. Er hätte es wenigstens versuchen sollen.


    Bis einschl. Kap. VI, Teil 3
    Jude zieht weiter nach Melchester, wo er Arbeit findet und wo sich auch Sue in einem Seminar aufhält. Nach einem zu langen Ausflug muss Sue bei Jude übernachten, was ihr natürlich großen Ärger einbringt. Die beiden sind aber auch naiv!


    Sue hat aus ihrem Leben erzählt, das sehr unkonventionell verlief. Kein Wunder, dass sie bei ihren Verwandten nicht gut angeschrieben ist. Es gibt auch Aussprachen zwischen Jude, Sue und Phillotson. Täusche ich mich, oder erkennt man bei Sue leichte egoistische Züge? Sie ist betroffen (beileidigt?), dass Jude ihr nichts von seiner Heirat erzählt hat. Ob die beiden als Paar lange zusammen wären? Er ist so konservativ und sie so zwanglos und ihrer Zeit voraus.

  • Ich habe den ersten Teil beendet und bin nun mitten in Teil 2. Das mit Arabella war ein Fehlgriff, aber zum Glück hat sich das geregelt, wobei ich mir jetzt aber nicht sicher bin, ob die beiden nun geschieden, oder aber immer noch verheiratet sind.
    Ich war sowieso ziemlich erstaunt, wie oft sich damals die Menschen von einander trennten. Ich dachte ja eher, dass das eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts ist, aber anscheinend war ich da im Irrtum.


    Bisher hat Jude Sue ja nur auf einem Foto gesehen und die Neugier ist wohl eher durch optische Reize geweckt. Ich bin mal gespannt, ob er diese Verwandte noch kennenlernt.


    Ich kann mich Valentine nur anschließen, dass die Beschreibungen mal wieder typisch Hardy sind. Er findet Worte, die einfach ein Bild vor dem innerne Auge zeichnen. Ich bin mit Jude durch diese abendliche stille Stadt gewandert. :smile:


    Allerdings ist mir Jude immer noch sehr fremd, so dass ich zwar keine Abneigung, aber auch keine extreme Sympathie empfinde. Im Vergleich zu anderen Romanen von ihm, bleibt er bisher relativ blass, aber ich dümpele ja immer noch am Anfang durch das Buch.


  • Ich habe den ersten Teil beendet und bin nun mitten in Teil 2. Das mit Arabella war ein Fehlgriff, aber zum Glück hat sich das geregelt, wobei ich mir jetzt aber nicht sicher bin, ob die beiden nun geschieden, oder aber immer noch verheiratet sind.
    Ich war sowieso ziemlich erstaunt, wie oft sich damals die Menschen von einander trennten. Ich dachte ja eher, dass das eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts ist, aber anscheinend war ich da im Irrtum.


    Das geht mir ähnlich. Gerade bei Hardy ist das ja immer mal wieder ein Thema (v.a. in "The Woodlanders", wo gerade ein Gesetz zur Ehescheidung durchgegangen ist). So wie ich das verstanden habe, hat die Ehe der beiden auf dem Papier immer noch Bestand.


    Zitat

    Allerdings ist mir Jude immer noch sehr fremd, so dass ich zwar keine Abneigung, aber auch keine extreme Sympathie empfinde. Im Vergleich zu anderen Romanen von ihm, bleibt er bisher relativ blass, aber ich dümpele ja immer noch am Anfang durch das Buch.


    Richtig scharfe Konturen hat er für mich auch noch nicht so recht, was ich ein wenig schade finde, weil ich ihn grundsätzlich mag.



    Erstaunlich, dass er sich damit so schnell abspeisen lässt. Jahrelang hat er sich darauf vorbereitet, dort zu studieren, hat viel Zeit und Mühen investiert. Das zeigt deutlich, dass er wirklich dorthin möchte. Warum versucht er es nicht auf einem anderen Weg, gibt sich als reichen Sohn aus (gut, dazu bedarf es einer Grundausstattung an Kleidung und anderen persönlichen Dingen) oder versucht, einflussreiche Leute kennen zu lernen, die sich für ihn verwenden? Wenn man als Nobody solche ehrgeizigen Ziele hat, muss man mit Rückschlägen rechnen und darf nicht so schnell aufgeben. Er hätte es wenigstens versuchen sollen.


    Hm, grundsätzlich stimmt das natürlich, aber Jude ist von Natur aus kein raffinierter Mensch und würde sich sicherlich nie trauen, sich als jemand auszugeben, der er nicht ist. Zumal die Universitäten sicher auch irgendwelche Zeugnisse verlangen würden, wenn er als reicher Sohn verkleidet daherkäme.


    Mir kommt es vor, als hätte er das Gefühl, dass es ihm vielleicht doch nicht zusteht, als Mann aus so einfachen Verhältnissen zu studieren, und er sich nun halt mit dem Zweitbesten abfindet, weil er denkt, dass das alles ist, was er im Leben erreichen kann/darf.


    Zitat

    Sue hat aus ihrem Leben erzählt, das sehr unkonventionell verlief. Kein Wunder, dass sie bei ihren Verwandten nicht gut angeschrieben ist. Es gibt auch Aussprachen zwischen Jude, Sue und Phillotson. Täusche ich mich, oder erkennt man bei Sue leichte egoistische Züge? Sie ist betroffen (beileidigt?), dass Jude ihr nichts von seiner Heirat erzählt hat. Ob die beiden als Paar lange zusammen wären? Er ist so konservativ und sie so zwanglos und ihrer Zeit voraus.


    Aufgrund ihrer Ansichten passen die beiden wirklich nicht sehr gut zusammen, gerade Sues Einstellung zur Kirche dürfte Jude im Magen liegen.


    Dass sie sich ärgert, dass er ihr nichts von seiner Ehe erzählt hat, fand ich nachvollziehbar, schließlich hat sie ihm ja auch so einiges anvertraut und erwartet dafür sicher auch von ihm Offenheit. Wobei es natürlich verständlich ist, dass er die unrühmliche Arabella-Geschichte nicht an die große Glocke hängen will.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Allerdings ist mir Jude immer noch sehr fremd, so dass ich zwar keine Abneigung, aber auch keine extreme Sympathie empfinde. Im Vergleich zu anderen Romanen von ihm, bleibt er bisher relativ blass, aber ich dümpele ja immer noch am Anfang durch das Buch.


    Fremd ist er mir nicht gerade, ich bin aber auch schon im vierten Teil und habe Jude besser kennen gelernt. Mein Problem liegt darin, dass mir das ganze Buch nicht so gefällt, wie ich es erwartet hatte. Der Hardy-Effekt tritt nicht ein. Gemessen an seinen anderen Werken fehlt mir etwas, das ich nicht benennen kann. Vielleicht der Wohlfühl-Faktor.


    Bis Ende 3. Teil
    Sue heiratet Phillotson, obwohl sie ihn nicht liebt. Jude hat Zweifel, dass die Ehe gut geht, aber er leidet auch aus egoistischen Gründen. Bei dem Versuch, seinen Kummer zu ertränken, trifft er im Gasthaus überraschend auf Arabella. Mit ihr hatte ich schon gerechnet, jedoch nicht so bald. Sie ist so ekelhaft und berechnend wie eh und je. Schon bald gesteht sie, dass sie in Sydney noch einmal geheiratet hat und erklärt, dass sie noch mehr zu erzählen hat. Das hört sich an wie ein Köder, damit ihr Jude nicht gleich wieder durch die Lappen geht. Natürlich erwartet sie, dass er schweigt, um ihr ein anständiges Leben zu ermöglichen mit ihrem Zweitmann, der in Lambeth ein Gasthaus führt.


    Im X. Kapitel macht mir dieser Abschnitt Kopfzerbrechen: "Die Leidenschaft für Sue beunruhigte seine Seele; doch sein gesetzlich erlaubtes zwölfstündiges Beisammensein mit Arabella schien ihm instinktiv etwas weit schlimmeres zu sein ..." Wisst ihr, was es mit dem zwölfstündigen Beisammensein auf sich hat?


    4. Teil, Kapitel I
    Zwischen Jude und Sue schwindet das rücksichtsvolle Umgehen miteinander. Jude bezeichnet Sue als kokett, was sie gekränkt von sich weist. Ihr Verhalten ist aber des öfteren wirklich kokett, das empfinde ich genauso. Ihr ist bewusst, dass sie Empfindungen herauslässt, die in der Öffentlichkeit unerwünscht oder verpönt sind. Und was ist das ist das für ein Ausspruch von ihr:


    Zitat

    "... wie stark ich fühle, dass ich nicht anziehend hätte geschaffen werden dürfen, wenn ich meine Anziehungskraft nicht wirken lassen soll! Manche Frauen sind unersättlich in ihrer Sehnsucht, geliebt zu werden, und auch ihre Sehnsucht zu lieben ist unersättlich; und wenn das letztere der Fall ist, kommen sie manchmal dahinter, dass sie ihre Liebe nicht immerfort nur dem Kammerherrn schenken können, der durch bischöfliche Erlaubnis berechtigt ist, sie entgegenzunehmen."


    Ist das die Aufforderung zum Seitensprung oder eine Entschuldigung dafür? Oder ein Hinweis, dass es bedauert, nicht so zu können, wie sie will?


  • Fremd ist er mir nicht gerade, ich bin aber auch schon im vierten Teil und habe Jude besser kennen gelernt. Mein Problem liegt darin, dass mir das ganze Buch nicht so gefällt, wie ich es erwartet hatte. Der Hardy-Effekt tritt nicht ein. Gemessen an seinen anderen Werken fehlt mir etwas, das ich nicht benennen kann. Vielleicht der Wohlfühl-Faktor.


    Mir gefällt das Buch zwar durchaus, aber ich bin auch nicht ganz so hin und weg wie von den anderen Hardys. Ich glaube, ich empfinde es als ein bisschen konstruiert, weshalb ich vielleicht auch mit Jude nicht so ganz warm werde.


    Zitat

    Im X. Kapitel macht mir dieser Abschnitt Kopfzerbrechen: "Die Leidenschaft für Sue beunruhigte seine Seele; doch sein gesetzlich erlaubtes zwölfstündiges Beisammensein mit Arabella schien ihm instinktiv etwas weit schlimmeres zu sein ..." Wisst ihr, was es mit dem zwölfstündigen Beisammensein auf sich hat?


    Ich glaube, damit wird einfach nur darauf angespielt, dass Jude von ca. 9.30 Uhr abends bis 9.30 Uhr am nächsten Morgen mit Arabella in diesem Wirtshaus war, wogegen grundsätzlich nichts moralisch einzuwenden wäre, da die beiden ja offiziell noch verheiratet sind.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Den zweiten Teil habe ich gerade gelesen und nun bekomme ich doch einen etwas tieferen Einblick in Judes Seele. er tut mir wirklich aus tiefstem Herzen leid. Ich kann es so gut nachvollziehen wie es ihm geht. Es gibt nichts schlimmeres, als wenn man leidet und weiß ganz genau, dass man es selbst verschuldet hat, weil man in seiner Jugend so bescheuert war.
    Besonders gut in diesem Teil hat mir Gefallen, wie Hardy die Seelenqual von Jude beschreibt. Einerseits seine Liebe zu Sue, welche er immer besser kennenlernt und dann seine Tapferkeit, ihr aus dem Weg zu gehen, weil es nichts bringt. Das ist so schwer, wenn man um den geliebten Menschen einen Bogen macht, weil es einem die Vernunft sagt, aber es einem innerlich zerreißt, weil man so weit weg ist und die Sehnsucht trotz der Distanz einfach nicht nachlässt.
    Aber auch, was seine Pläne anbelangt zu studieren, lässt mich mit ihm leiden. Irgendwie befindet er sich in einer Phase des Lebens, an der dieses an allen Ecken und Enden einbricht. Das ist wirklich schlimm, wenn alles schief läuft.


  • Mir gefällt das Buch zwar durchaus, aber ich bin auch nicht ganz so hin und weg wie von den anderen Hardys. Ich glaube, ich empfinde es als ein bisschen konstruiert, weshalb ich vielleicht auch mit Jude nicht so ganz warm werde.


    Habt ihr auch den Eindruck, als würde mehr geredet als sonst in Hardys Romanen? Die Schilderungen von Landschaften, Ortschaften etc. kommen zwar vor, aber nach meinem Empfinden nicht so häufig wie gewohnt. Dafür auffallend viele Dialoge.




    Danke, jetzt ist der Groschen gefallen. Ich hatte mich an den zwölf Stunden festgebissen, die nicht von Belang sind.




    Irgendwie befindet er sich in einer Phase des Lebens, an der dieses an allen Ecken und Enden einbricht. Das ist wirklich schlimm, wenn alles schief läuft.


    Ja, manchmal kommt wirklich alles auf einmal. Das Problem ist, dass man dann völlig den Mut und das Selbstvertrauen verliert und erst einmal viel Kraft braucht, um sich aus der Misere wieder herauszuarbeiten.



    Auch wenn ich euch noch voraus bin, schreibe ich weiter, weil ich morgen wahrscheinlich nicht dazu komme und es im Moment im 4. Teil ziemlich aufregend ist. Aufregend im negativen Sinn.


    4. Teil, Kapitel II
    Bei der Beerdigung der Tante treffen sich die beiden wieder. Jude merkt, dass Sue in ihrer Ehe nicht glücklich ist, auch wenn sie das abstreitet. Das Problem beschäftigt ihn. In der Nacht hört er ein Kaninchen, das in einer Falle gefangen sitzt und in seiner Todesangst einen Schrei ausstößt. Die Szene wird ausführlich beschrieben. Sie könnte ein Sinnbild für Sues Probleme sein, die in ihrer Ehe auch festsitzt. Wer hat Einfluss darauf, ob es ihr so wie dem Kaninchen ergeht? Sue beklagt ihr Leid, dass sie nun an Phillotson gebunden ist und keine Möglichkeit hat, das rückgängig zu machen. Damit bringt sie deutlich Hardys Einstellung zum Ausdruck, die er in seinem vorangestellten Nachwort dargelegt hat. Er war der Meinung, dass eine Ehe lösbar sein musste, sobald sie für einen der Ehepartner zur Grausamkeit wurde.


    Kapitel III
    Langsam ärgere ich mich über Sue und ihre naive Einstellung. Sie küsst sich mit Jude auf eine Weise, die ihm klar macht, dass er als Geistlicher ungeeignet ist. Daraufhin verbrennt er seine Bücher und verabschiedet sich damit vollends von seinen Zukunftsplänen. Sue spricht unterdessen mit ihrem Mann und bittet ihn um die Trennung. Meine Güte. Man sollte doch meinen, ihr hätte vorher klar sein müssen, was eine Ehe bedeutet. Die geht man nicht einfach so ein mit dem Gedanken, es werde schon klappen, und wenn es schief läuft, schleicht man sich wieder. Ihr reumütiges Verhalten macht sie es auch nicht besser. Das zeigt nur, dass sie darauf baut, dass man es ihrer Unschuld und Unerfahrenheit zuschreibt und sie deshalb nicht kritisiert. Ich finde, sie macht ganz bewusst auf "armes kleines Mädchen". Über die anderen, mit deren Empfindungen sie spielt, macht sie sich keine Gedanken. Andererseits kann ich natürlich verstehen, dass sie aus der Ehe fliehen und zu Jude möchte. Man muss ihr zugute halten, dass sie immerhin den Mut hat, das einzugestehen.

  • Im dritten Teil geschieht sehr viel und die Geschichte wird nicht langweilig. Im Gegenteil. Ich merke, dass ich auf meinem Sofa sitze, lese und mir auf die Lippe beiße. :breitgrins: Jude unglückliches Leben nimmt mich wirklich mit, aber es liegt wohl auch daran, dass ich sehr viele Dinge lese, die mir erschreckend bekannt vorkommen. Wieder einmal zeigt mir Hardy hier wie zeitlos er ist.


    Habt ihr auch den Eindruck, als würde mehr geredet als sonst in Hardys Romanen? Die Schilderungen von Landschaften, Ortschaften etc. kommen zwar vor, aber nach meinem Empfinden nicht so häufig wie gewohnt. Dafür auffallend viele Dialoge.


    Ja, diesen Eindruck habe ich auch. Vor allem wenn ich an das letzte Buch denke, welches ich von ihm gelesen habe. Das war "Far from the madding Crowd". Da wanderte ich von einem wunderschönen Bild zum nächsten, aber hier stört es mich jetzt trotzdem nicht. Es ist ein wenig anders, aber es berührt mich wesentlich mehr.


    Arabella zerstört wieder einmal Judes Leben, in dem sie ihm das Versprechen abringt, zu schweigen. Hätte er nicht eingewilligt, hätte er doch nun die Gelegenheit gehabt, die scheiden oder annullieren zu lassen. So bleibt er weiterhin verheiratet mit einer Frau, mit der er nichts mehr zu tun haben möchte und kann sich nicht wieder erneut binden da er sich dann strafbar machen würde.




    Oh, dann habe ich das aber völlig falsch aufgefasst. Ich schlimme habe mal wieder direkt nur an das eine gedacht. :redface:


  • Sue heiratet Phillotson, obwohl sie ihn nicht liebt. Jude hat Zweifel, dass die Ehe gut geht, aber er leidet auch aus egoistischen Gründen.


    Was mich nicht unbedingt gewundert hat, er war ja schon sehr verliebt in Sue. Sie heiraten zu sehen, ist eine Sache, aber auch noch das Gefühl zu haben, dass sie es eigentlich nur aus einer Art Pflichtgefühl heraus tut, schmerzt ganz besonders.


    Arabella ist einfach ein schreckliches Frauenzimmer, die sich offenbar Jude warmhalten will, weil ihr Zweitmann jetzt weit weg ist :grmpf:


    Zitat

    Ist das die Aufforderung zum Seitensprung oder eine Entschuldigung dafür? Oder ein Hinweis, dass es bedauert, nicht so zu können, wie sie will?


    Das Zitat hat es wirklich in sich. Den Anfang kann ich gut nachvollziehen; einer attraktiven Frau, die ihre Reize bewusst einsetzt, hat man das damals bestimmt noch viel stärker zum Vorwurf gemacht, als es heute noch passiert.


    Und offenbar hat Sue Probleme mit der Unwiderruflichkeit der Ehe. Ich frage mich, ob sie das auch so sähe, wenn sie jemanden geheiratet hätte, den sie wirklich liebt?


    [quote author=Doris]In der Nacht hört er ein Kaninchen, das in einer Falle gefangen sitzt und in seiner Todesangst einen Schrei ausstößt. Die Szene wird ausführlich beschrieben. Sie könnte ein Sinnbild für Sues Probleme sein, die in ihrer Ehe auch festsitzt. Wer hat Einfluss darauf, ob es ihr so wie dem Kaninchen ergeht?[/quote]


    Das ist eine ausgezeichnete Deutung. Der Gedanke ist mir gar nicht gekommen, obwohl er eigentlich das Naheliegendste überhaupt ist. Ob Jude derjenige ist, der sie aus ihrer Falle befreien kann?


    Zitat

    Sue beklagt ihr Leid, dass sie nun an Phillotson gebunden ist und keine Möglichkeit hat, das rückgängig zu machen. Damit bringt sie deutlich Hardys Einstellung zum Ausdruck, die er in seinem vorangestellten Nachwort dargelegt hat. Er war der Meinung, dass eine Ehe lösbar sein musste, sobald sie für einen der Ehepartner zur Grausamkeit wurde.


    Wieder muss ich an die "Woodlanders" denken, da spielte das ja auch eine nicht unwesentliche Rolle. Als sie durchblicken ließ, dass sie ihre ehelichen Pflichten abstoßend findet, tat Sue mir ziemlich leid. An diesen Aspekt hat sie wohl vorher nicht gedacht oder ihn zumindest stark unterschätzt.


    [quote author=Doris]Man sollte doch meinen, ihr hätte vorher klar sein müssen, was eine Ehe bedeutet. Die geht man nicht einfach so ein mit dem Gedanken, es werde schon klappen, und wenn es schief läuft, schleicht man sich wieder. [/quote]


    Ich habe den Eindruck, dass Sue sich darüber eben nicht im klaren war, jedenfalls nicht in vollem Umfang, und ich glaube auch nicht, dass sie sich die Entscheidung zur Trennung besonders einfach gemacht hat. Für mich ist sie aber an einem Punkt angekommen (wohl auch verstärkt durch die erneute Begegnung mit Jude, und den Kuss), an dem sie es nicht mehr ertragen kann, mit einem Mann verheiratet zu sein, den sie nicht liebt.


    Phillotson tut mir allerdings leid - ich habe nicht den Eindruck, dass er nichts für Sue empfindet.


    Und Jude hat ebenfalls mein Mitgefühl. Wieder einmal begräbt er seine Träume, weil er als unzulänglich empfunden wird - erst war es seiner niedrigen Herkunft wegen, jetzt wegen seiner Liebe zu einer Frau.


    Zitat

    "Is it", he said, "that the women are to blame; or is it the artificial system of things, under which the normal sex-impulses are turned into devilish domestic gins and springes to noose and hold back those who want to progress?"


    Diese Frage, die Jude da voller Bitterkeit stellt, ist ja ganz schön gewagt in Anbetracht dessen, wann das Buch geschrieben wurde! (Aber berechtigt!)


    Teil IV, Kapitel IV


    Sues Sprung aus dem Fenster ist schon recht theatralisch, sie muss eine extreme Abneigung gegen den armen Phillotson empfinden. Vor ihm ziehe ich allerdings meinen Hut, wie er mit der Sache umgeht und Sue schließlich freigibt, weil er spürt, dass die Ehe keine Zukunft hat. Dadurch macht er sich ja selbst ziemlich angreifbar in einer Gesellschaft, die vollstes Verständnis gehabt hätte, wenn er seine Frau stattdessen gezüchtigt und eingesperrt hätte.



    Habt ihr auch den Eindruck, als würde mehr geredet als sonst in Hardys Romanen? Die Schilderungen von Landschaften, Ortschaften etc. kommen zwar vor, aber nach meinem Empfinden nicht so häufig wie gewohnt. Dafür auffallend viele Dialoge.


    Ja, das stimmt! Diesmal siedelt Hardy ja auch viel größere Teile der Handlung in einem städtischen Umfeld an.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Oh, dann habe ich das aber völlig falsch aufgefasst. Ich schlimme habe mal wieder direkt nur an das eine gedacht. :redface:


    Och, ich glaube durchaus, dass es zu der Art von Beisammensein gekommen sein könnte, die Du meinst :lachen:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Buch 4, Kapitel V


    Es wird ernst und Sue macht sich auf den Weg zu Jude. Warum sie plötzlich ein Problem mit dem Hotel hat, habe ich nicht so ganz verstanden - kriegt sie jetzt etwa kalte Füße, denkt sie, es sei doch zu kühn, mit Jude zusammen in ein Hotel zu gehen? Und um einen Kuss muss er förmlich betteln. Inzwischen frage ich mich auch, ob das echte Angst vor der eigenen Courage oder doch eher Koketterie ist?


    Und Jude sagt immer wieder, dass er alles für sie tun würde. Ob das so klug ist?


    Was für ein blöder Zufall, dass sie ausgerechnet in dem Gasthof landen, in dem er mit Arabella war ...


    Kapitel VI


    Der arme Phillotson ist jetzt doppelt der Leidtragende - nicht nur, dass Sue fort ist, er ist auch noch seinen Job los, weil er sie nicht daran gehindert hat, mit ihrem Liebhaber abzuhauen. Das finde ich echt gemein!


    Sues Besuch bei ihm verstehe ich auch nicht so ganz, irgendwie ... aber letztendlich kam er ihr zugute und war wohl der letzte Anschubser für Phillotson, in eine Scheidung einzuwilligen. War das ihr Plan, oder hat sie sich tatsächlich Sorgen gemacht, als sie hörte, er sei krank?


    5. Buch (bis Kapitel IV)


    Ein wenig beginnt mir Sue jetzt auch auf die Nerven zu gehen mit ihrer Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit, sich festzulegen. Andererseits gibt es Menschen wie sie, die schlecht mit Zwängen umgehen können und bei denen eine Beziehung den Bach runter geht, sobald sie offiziell "verbrieften" Charakter hat. Trotzdem tut mir das ewige Hin und Her für Jude leid, weil ich glaube, dass es ihm schon recht wäre, wenn sie sich zu ihm bekennen würde. (Dieses Standesamt klang allerdings wirklich reichlich gruselig, da hätte ich auch lieber in einer schönen Kirche geheiratet.)


    Und wieder taucht Arabella aus der Versenkung auf, um Jude um Hilfe zu bitten. Wie sie ihren eigenen Sohn eiskalt abzuschieben vorhat, weil er ihr bei ihren Plänen im Weg steht, lässt sie in noch schlechterem Licht erscheinen als vorher. Andererseits ist der arme kleine Kerl (kann das wirklich sein, dass er nicht mal einen vernünftigen Namen hat?!) wohl bei seinem Vater besser aufgehoben als bei einer solchen Mutter. Aber ob das der Beziehung zwischen Jude und Sue förderlich sein wird? Ich hoffe, der Kleine taut noch ein wenig auf. Viel Vertrauen in die Menschheit kann er ja aufgrund seiner Vorgeschichte nicht haben, aber er hätte ein gutes Leben verdient.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Und offenbar hat Sue Probleme mit der Unwiderruflichkeit der Ehe. Ich frage mich, ob sie das auch so sähe, wenn sie jemanden geheiratet hätte, den sie wirklich liebt?


    Bei Sue wäre ich mir noch nicht einmal sicher, dass sie morgen über seine Situation genauso denkt wie heute. Sie dreht sich alles so hin, wie es für sie passt.



    [quote author=Doris]In der Nacht hört er ein Kaninchen, das in einer Falle gefangen sitzt und in seiner Todesangst einen Schrei ausstößt. Die Szene wird ausführlich beschrieben. Sie könnte ein Sinnbild für Sues Probleme sein, die in ihrer Ehe auch festsitzt. Wer hat Einfluss darauf, ob es ihr so wie dem Kaninchen ergeht?



    Das ist eine ausgezeichnete Deutung. Der Gedanke ist mir gar nicht gekommen, obwohl er eigentlich das Naheliegendste überhaupt ist. Ob Jude derjenige ist, der sie aus ihrer Falle befreien kann?


    [/quote]
    Wenn ich mir ansehe, wie er das Kaninchen aus der Falle behandelt hat, hoffe ich, dass nicht er Sue aus ihrer persönlichen Falle befreit.



    Phillotson tut mir allerdings leid - ich habe nicht den Eindruck, dass er nichts für Sue empfindet.


    Das stimmt. Er liebt sie aufrichtig. Genug, um sie gehen zu lassen, nur damit sie glücklich ist. Es wäre aber auch keine Basis für eine Ehe, wenn die Gattin aus Angst oder Abscheu gleich aus dem Fenster springt.




    Buch 4, Kapitel V
    Es wird ernst und Sue macht sich auf den Weg zu Jude. Warum sie plötzlich ein Problem mit dem Hotel hat, habe ich nicht so ganz verstanden - kriegt sie jetzt etwa kalte Füße, denkt sie, es sei doch zu kühn, mit Jude zusammen in ein Hotel zu gehen?


    Sie hat Angst, mit Jude das Bett zu teilen, weil er vielleicht versuchen würde, mit ihr zu schlafen. Sie hat auch schon erklärt, dass sie nicht mit Jude zusammen leben möchte, jedenfalls nicht als Liebespaar. Wegen der Öffentlichkeit braucht sie sich keine Sorgen zu machen. In Aldbrickham kennt sie ja niemand.



    Und Jude sagt immer wieder, dass er alles für sie tun würde. Ob das so klug ist?


    Ganz sicher nicht. Ihm ist immerhin schon der Gedanke gekommen, dass Sue ihn nur als Werkzeug gegen Phillotson benutzt. Das bringt er dort im Hotel ja zum Ausdruck. In dem Zusammenhang fallen dann auch die Worte von Sue: "Manchmal wird das Gewissen einer Frau überwältigt von dem Verlangen, geliebt zu werden, und obwohl ihr der Gedanke, einen Mann zu quälen, einfach furchtbar ist, ermutigt sie ihn, sie zu lieben, während sie ihn überhaupt nicht liebt." An Judes Stelle würden da bei mir sämtliche Alarmglocken losgehen. Sie spielt mit ihm wie mit einer Marionette, gesteht das eigentlich sogar ein, und er macht das alles mit.


  • Bei Sue wäre ich mir noch nicht einmal sicher, dass sie morgen über seine Situation genauso denkt wie heute. Sie dreht sich alles so hin, wie es für sie passt.


    Stimmt, etwas sprunghaft ist sie manchmal auch.




    Wenn ich mir ansehe, wie er das Kaninchen aus der Falle behandelt hat, hoffe ich, dass nicht er Sue aus ihrer persönlichen Falle befreit.


    Zumindest nicht auf diese Weise! (Auch wenn es im Falle des Kaninchens, so grausam es klingt, mMn die barmherzigere Lösung war als das Tierchen qualvoll verenden zu lassen.)


    Zitat

    Sie hat Angst, mit Jude das Bett zu teilen, weil er vielleicht versuchen würde, mit ihr zu schlafen. Sie hat auch schon erklärt, dass sie nicht mit Jude zusammen leben möchte, jedenfalls nicht als Liebespaar. Wegen der Öffentlichkeit braucht sie sich keine Sorgen zu machen. In Aldbrickham kennt sie ja niemand.


    Da hatte ich wohl was überlesen. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie durchaus mit ihm zusammenleben will und ihn nicht nur wie einen Cousin liebt. Aber natürlich kann es gut sein, dass sie sich nach ihren ersten sexuellen Erfahrungen generell von den körperlichen Aspekten der Liebe abgestoßen fühlt.


    Zitat

    Ganz sicher nicht. Ihm ist immerhin schon der Gedanke gekommen, dass Sue ihn nur als Werkzeug gegen Phillotson benutzt. Das bringt er dort im Hotel ja zum Ausdruck. In dem Zusammenhang fallen dann auch die Worte von Sue: "Manchmal wird das Gewissen einer Frau überwältigt von dem Verlangen, geliebt zu werden, und obwohl ihr der Gedanke, einen Mann zu quälen, einfach furchtbar ist, ermutigt sie ihn, sie zu lieben, während sie ihn überhaupt nicht liebt." An Judes Stelle würden da bei mir sämtliche Alarmglocken losgehen. Sie spielt mit ihm wie mit einer Marionette, gesteht das eigentlich sogar ein, und er macht das alles mit.


    Ich bin echt gespannt, wo das noch hinführt. Trotz seiner naiven Blindheit tut er mir irgendwie leid.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Zumindest nicht auf diese Weise! (Auch wenn es im Falle des Kaninchens, so grausam es klingt, mMn die barmherzigere Lösung war als das Tierchen qualvoll verenden zu lassen.)


    Damit hast du allerdings recht.



    Ich bin echt gespannt, wo das noch hinführt. Trotz seiner naiven Blindheit tut er mir irgendwie leid.


    Die Blindheit lichtet sich allmählich, was ihn aber nicht davon abhält, trotzdem auf einen Sinneswandel bei Sue zu hoffen. Ich habe den 5. Teil fertiggelesen und festgestellt, dass sie sich mit ihren Gefühlen im Kreis drehen. Jude erscheint zwar jetzt reifer und nicht mehr so naiv, aber er lässt nicht davon ab, auf eine Legalisierung ihres Verhältnisses zu drängen. Für mich sieht es so aus, als hätte sie ihn vor allem deshalb gebraucht, um von Phillotson wegzukommen. Aber immer, wenn Jude mit dem Heiraten anfängt, macht sie einen Rückzieher. Gleichzeitig dreht sie es so hin, dass er sich schuldig fühlt, sie bedrängt zu haben und sich sogar noch entschuldigt.


    In 5/II wird es spannend. Arabella taucht wieder auf und Sue bekommt sofort Angst um Jude. "Sie will dich ja nur einfangen", befürchtet sie ganz richtig. Was sie aber über Arabella in Bezug auf Jude sagt, trifft auf sie selbst genauso zu. Arabellas Erscheinen führt immerhin dazu, dass sie nun endlich in eine Heirat einwillig, obwohl sie befürchtet, dass diese Zeremonie nur sämtliche Gefühle tötet. Sie malt alles in den schwärzesten Farben aus und bekommt im letzten Moment wieder Angst. Der Roman entwickelt sich langsam zu einem Plädoyer gegen die Ehe.


    Bis Ende 5. Teil
    Das Auftauchen des Jungen kam völlig unerwartet. Ob er tatsächlich Judes Sohn ist? Wie du schon schreibst, Valentine, ist er wirklich zu bedauern, wenn er noch nicht einmal einen Namen hat. Das zeigt, dass er mehr als unerwünscht ist, und sein Verhalten deutet darauf hin, dass ihm das bewusst ist. Wie alt er wohl sein mag?
    Arabella ist nun wieder sehr präsent. Das hat bestimmt noch Folgen.



    Ich Schaf habe gestern den Klappentext gelesen und das Ende vorweg erfahren. :rollen:

  • Teil 4 bis Kapitel 4


    Hier hat sich schon so viel ereignet, dass ich mit dem schreiben jetzt gar nicht bis zum Ende diese Teils warten möchte.
    Philloston ist ein Mensch vor dem ich wirklich alle Achtung habe und ich glaube er ist mental seiner Zeit weit voraus. Es geht ihm nicht darum, mit aller Gewalt durchzusetzen, was ihm von Rechtswegen zusteht, sondern er sieht ganz klar vor sich, dass diese Ehe niemals zufriedenstellend werden wird und so gibt er sie lieber frei.
    Ausserdem war ich beeindruckt, wie sehr er seine Gefühl vor Sue verbirgt und ganz logisch argumentiert, warum er sie gehen lässt. Ich finde aber auch gut, dass er auf keinen Fall wissen möchte, wohin sie geht und wie sie leben wird. Einerseits schützt ihn dass emotional, aber andererseits bezieht er damit auch ganz klar einen Standpunkt, dass er sie zwar freigibt, dies aber nun auch unwiderruflich ist und er danach keinen Anteil mehr an ihrem Leben haben möchte, auch nicht als Freund.


    Philloston hat wirklich Stil und Klasse. Ich ziehe meinen Hut vor ihm.


    Thomas Hardy hat sich mit diesem Thema für seine Zeit sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Ich glaube, dass es zu damaligen Zeiten bestimmt viele erhitze Diskussion aufgrund dieses Buches gab.


  • Thomas Hardy hat sich mit diesem Thema für seine Zeit sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Ich glaube, dass es zu damaligen Zeiten bestimmt viele erhitze Diskussion aufgrund dieses Buches gab.


    In meiner Ausgabe stand irgendwo, dass er aufgrund des Skandals, den es beim Erscheinen des Buches gab, keine weiteren Romane mehr veröffentlicht hat ( :heul: ).

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Das Auftauchen des Jungen kam völlig unerwartet. Ob er tatsächlich Judes Sohn ist? Wie du schon schreibst, Valentine, ist er wirklich zu bedauern, wenn er noch nicht einmal einen Namen hat. Das zeigt, dass er mehr als unerwünscht ist, und sein Verhalten deutet darauf hin, dass ihm das bewusst ist. Wie alt er wohl sein mag?


    Ich schätze ihn auf ca. 8 Jahre.


    Zitat

    Ich Schaf habe gestern den Klappentext gelesen und das Ende vorweg erfahren. :rollen:


    Oh nein, wie doof! Mein Klappentext verrät aber auch viel zu viel :rollen:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • In meiner Ausgabe stand irgendwo, dass er aufgrund des Skandals, den es beim Erscheinen des Buches gab, keine weiteren Romane mehr veröffentlicht hat ( :heul: ).


    Diese Zeit war dann leider nicht offen und nicht bereit für einen Autor seine Formates. Sehr schade, denn noch heute ist er aktuell und es ist einfach immer wieder ein Genuss seine Werke zu lesen, denn er versteht es wirklich den Leser mit in eine andere Welt zu nehmen.

  • In meiner Ausgabe stand irgendwo, dass er aufgrund des Skandals, den es beim Erscheinen des Buches gab, keine weiteren Romane mehr veröffentlicht hat ( :heul: ).


    Das habe ich auch gelesen. In dem Nachwort meiner Ausgabe spricht Hardy von "der unseligen Laufbahn dieses Buches". Dass das Werk so verrissen wurde, lag an seinen klaren Worten über die Ehe und an "20 oder 30 Seiten mit betrüblichen Einzelheiten, die mir nötig erschienen, um die Erzählung zu vervollständigen und die Widersprüche in Judes Leben zu verdeutlichen[...]" (Zitat Hardy). Mir sind zwar einige Stellen aufgefallen, in denen er recht deutlich wird, aber auf keinen Fall 20 bis 30 Seiten. Noch bin ich allerdings nicht fertig, das kann also noch kommen. Vielleicht hat man ihm in gehobenen Kreisen auch angekreidet, dass er quasi die fehlenden Studienplätze für Arme beanstandet. Man sieht, dass die Leserschaft damals noch ziemlich kritisch war und dem Autor so zusetzen konnte, dass er gar sein Metier aufgab.


    Im 6. Teil, Kapitel II wird es dann heftig. Judes älterer Sohn deutet Sue gegenüber an, dass er sich und die beiden kleinen Kinder als Ursache ansieht, dass es der Familie so schlecht geht. Die Lösung, die er dann wählt, scheint mir ziemlich überzogen und unglaubwürdig. Ich hatte damit gerechnet, dass er wegläuft. Sein Leben zu beenden wäre schon sehr weit hergeholt, aber dass er die anderen beiden umbringt, ist für mich unvorstellbar. Sue bricht zusammen und ich hatte das erste Mal den Eindruck, dass das echte, tiefe Emotionen sind und kein vorgetäuschtes oder eingebildetes Gefühl. Hier steht sie vor Tatsachen, die sie nicht mehr ändern kann, und das zieht ihr völlig den Boden unter den Füßen weg.


  • Das habe ich auch gelesen. In dem Nachwort meiner Ausgabe spricht Hardy von "der unseligen Laufbahn dieses Buches". Dass das Werk so verrissen wurde, lag an seinen klaren Worten über die Ehe und an "20 oder 30 Seiten mit betrüblichen Einzelheiten, die mir nötig erschienen, um die Erzählung zu vervollständigen und die Widersprüche in Judes Leben zu verdeutlichen[...]" (Zitat Hardy). Mir sind zwar einige Stellen aufgefallen, in denen er recht deutlich wird, aber auf keinen Fall 20 bis 30 Seiten. Noch bin ich allerdings nicht fertig, das kann also noch kommen. Vielleicht hat man ihm in gehobenen Kreisen auch angekreidet, dass er quasi die fehlenden Studienplätze für Arme beanstandet. Man sieht, dass die Leserschaft damals noch ziemlich kritisch war und dem Autor so zusetzen konnte, dass er gar sein Metier aufgab.


    Ob man damit auf 20-30 Seiten kommt, weiß ich nicht, aber es gibt schon zahlreiche Stellen, die für damalige Verhältnisse ziemlich deutlich, ziemlich fortschrittlich oder schlicht skandalös sind. Er sägt ja an so einigen Institutionen: der Klassengesellschaft, der Kirche, dem Universitätswesen und der heiligen Ehe.


    Ich bin jetzt genauso weit wie Du, Doris, und ich war echt geschockt, was in Teil 6, Kapitel II passiert ist, wobei ich sagen muss, dass ich schon fast befürchtet habe, dass das passiert, als Little Father Time (wie heißt der eigentlich in der deutschen Ausgabe?) sich mit Sue darüber unterhält, dass Kinder in einer Lage wie der der Fawleys eher Last als Freude sind und dass es vielleicht besser wäre, tot zu sein, als ein freudloses und schwieriges Leben zu führen. Der Junge ist ja schon immer sehr pessimistisch, fatalistisch oder wie man es auch nennen will. Eine Kurzschlussreaktion wie die, sich und die Geschwister zu töten, empfinde ich hier gar nicht als weit hergeholt.


    Sue erlebt mit dem Tod der Kinder zum ersten Mal so richtig, wie einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird - etwas, das Jude ja schon mehrfach durch hat ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen