Gerd Theißen: Der Schatten des Galiläers

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  • Titel: „Der Schatten des Galiläers“
    Originaltitel: s.o.
    Autor: Gerd Theißen
    Übersetzer: /
    Verlag: Gütersloher Verlagshaus
    Seitenzahl: 269
    Erscheinungsjahr: 1986
    Genre: theologische Fachliteratur
    Lesedauer: ca. 2 Tage (Oktober 2005)


    Wann und Wo: um das Jahr 30 n. Chr. in Israel


    Inhalt: Andrea, ein junger Jude, gerät unverschuldet in einen Aufstand gegen die Römer und wird verhaftet. Pilatus erpresst ihn, Material über neue religiöse Bewegungen in Palästina zu sammeln. In der Hoffnung, als „Grenzgänger“ überleben zu können und gleichzeitig sein Volk zu schützen, manipuliert Andreas das gesammelte Material um die religiösen Bewegungen zu verharmlosen. Bei seinen Recherchen stößt Andreas auch auf Jesus und seine Jünger. Andreas reist hinter ihm her und rekonstruiert aus Erzählungen über Jesus ein vielschichtiges Bild über den „Unruhestifter“. Andreas findet bei dieser Recherche nicht nur Interessantes über sein Volk sowie über die griechischen Einflüsse auf das Judentum heraus, er findet auch sich selbst. Ganz überraschend erscheint ihm Jesus doch sympathisch zu sein, nachdem er erst starke Bedenken hatte und versucht ihn zu retten...


    Kommentar: Absolut lesenswert, informativ und kontrovers
    Gerd Theißen, Professor für Neues Testament in Heidelberg, entwirft ein vielschichtiges Bild von Jesus und seiner zeit, das sowohl dem Stand der Forschung entspricht als auch für die Gegenwart verständlich ist. Er zeichnet Jesus endlich mal als das, was er wirklich gewesen ist: Ein Mensch (und kein geringfügig radikaler (was Radikalität bedeutet wird im Buch in dieser Hinsicht schön zur Diskussion gebracht).
    Durch die erzählende Form bettet er die Ergebnisse der Forschung in ihren historischen Hintergrund und in eine spannende Geschichte, die fasziniert, auch wenn der Ausgang bekannt sein dürfte. So sind seine Darstellungen auch für den theologisch interessierten Laien verständlich ohne sich in Fachliteratur einarbeiten zu müssen und mit Anmerkungen erschlagen zu werden. Durch die fiktive Rahmenhandlung stellt Theißen Jesus aus der Perspektive eines jüdischen Zeitgenossen dar und macht das Schicksal Jesu im Rahmen der religiösen und sozialen Welt des damaligen Judentums verständlich, zeigt aber auch gleichzeitig den Prozess des Forschens. Durch einen fiktiven Gesprächspartner, mit dem Theißen mittels Briefe kommuniziert, werden auch kritische Einwände gegenüber seinen Ergebnissen zur Sprache gebracht. Durch Anmerkungen und Anhang werden die Ergebnisse und Quellen Theißens noch einmal verdeutlich und der wissenschaftliche Wert dieses Werkes betont.
    Wer weiter in den Diskurs einsteigen möchte, blättert in der in den Fußnoten zum Beleg angeführten Sekundärliteratur (z.B. der Bibel), oder versucht die Auseinandersetzung nachzuvollziehen, die der Autor in fiktiven Briefen an einen erfundenen Widerpart zwischen den Kapiteln andeutet.


    Bewertung:



    5ratten

  • Hallo!


    Die von cerridwen erwähnten Briefe waren für mich das Highlight des Buchs. Es kommt nicht oft vor dass man beim Lesen erleben kann, wie sich ein Autor mit seinem Buch auseinander setzt. Ich muss gestehen dass ich mir nicht sicher war, ob der Briefwechsel nicht vielleicht doch echt ist. Die Ähnlichkeit beim Namen ist bestimmt kein Zufall :zwinker: Ansonsten kann ich der Rezi nur wenig hinzufügen ohne zu wiederholen oder zu viel zu verraten. Ich fand die Idee, Jesus aus der Sicht der Leute aus dem Volk darzustellen sehr interessant. Die einfachen Menschen haben ihn nicht immer als Erlöser gesehen, sondern haben durchaus auch ihre Probleme mit seinen Lehren oder deren Auswirkungen gehabt. Auch Pilatus war nicht vollkommend böse, sondern ein Staatsmann der versucht seine Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen. Fazit: ein sehr interessantes Buch, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.