Imogen de la Bere - Die Nachtigallenfarm

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    Nichts in England war so, wie es Theodora sich vorgestellt hatte. Als die junge australische Veterinärwissenschaftlerin nach Somerset kommt, um bei dem international anerkannten Professor Ransfield alles über Rinderbesamung zu lernen, muss sie bald feststellen, dass sie auf der "Nachtigallenfarm" alles andere als eine Idylle erwartet. Professor Ransfield erweist sich als arrogantes Ekel, seine Tochter schnitzt herrliche Totems, die aber so unanständig sind, dass niemand sie je zu Gesicht kriegt, sein Sohn ist nur im Internet zu finden, seine treusorgende Ehefrau lässt die ahnungslose Theodora in einem löchrigen alten Wohnwagen schlafen, und eines Tages steht auch noch ein splitternackter, von der Polizei verfolgter Umweltschützer bei ihr vor der Tür.



    Nach den ersten Seiten kann ich sagen, dass es mir bisher sehr gut gefällt. Dr. Theodora Pott, 26 Jahre alt und promovierte Tierärztin mit Doktortitel aus Australien, ist frisch in England eingetroffen um bei Dr. Jenner Ransfield alles über Bullensamen und dessen Gewinnung zu lernen, da dieser führend auf jenem Gebiet ist. Nun kam Theo mit einer Vorstellung über England an, die sich leider so gar nicht mit der Wirklichkeit deckt. Theo ist eine moderne junge Frau, die die Weiten Australiens und das betuchte Leben ihrer Familie gewohnt ist. Daher ist der Kulturschock unvermeidlich. Denn Jenner Ransfield wohnt auf einer Farm, nun man kann getrost das Wort schäbig benutzen, wenn wir es aus Theos Sicht betrachten, inmitten von viel zu vielen Feldern, Pfützen und herumsausenden Hühnern.


    Die vermeintliche Stallgehilfin entpuppt sich als seine Frau und überall ist es kalt, nass und schmuddelig. Der Caravan, den sich Theo als Schlachtschiff mit allen modernen Annehmlichkeiten vorgestellt hat, ist ein Modell Marke Eigenbau mit schlecht schließender Tür und Regenwasser als Dusche. Ein Paralleluniversum, in dem zwar auch Bäume Bäume sind, aber doch ganz anders. Nein, das kann Theo unmöglich ihren Freunden und der Familie offenbaren. Auch nicht, dass sie es schon am ersten Tag geschafft hat sich mit Ransfield derart zu streiten, dass dieser sie aus dem Auto werfen wollte.


    Das Haus hat übrigens doch ein gemütliches Wohnzimmer mit Fernseher, das aber ausschließlich den Hunden vorbehalten ist. :breitgrins:


  • Das Haus hat übrigens doch ein gemütliches Wohnzimmer mit Fernseher, das aber ausschließlich den Hunden vorbehalten ist. :breitgrins:


    Ich zitiere mich hier mal selbst, da dieser Satz eigentlich schon fast alles über Jenner Ransfield sagt. Erst kommt Jenner Ransfield, dann kommt lange nichts, dann kommen seine Hunde und viel weiter unten kommt seine Familie, die er gleichzusetzen scheint mit jedem X-beliebigen. Jenner hielt es übrigens für rückständig und zu kostspielig das schöne Reetdach des Farmhauses beizubehalten und hat es gegen ein modernes ausgetauscht. Es gibt keine Zentralheizung und auch andere Annehmlichkeiten kosten nur Geld - somit gestrichen.


    Warum Elspeth diesen Irrsinn mitmacht habe ich mich gefragt und auch bald eine Antwort darauf gekommen. Kein Wunder, dass er sie behandelt wie ein Stück Dreck. Da passt es genau, dass er den Brief von ihr auch nach über 20 Jahren noch gut sichtbar auf dem Kaminsims in seinem Zimmer drapiert hat. Es wundert mich richtig, dass seine Kinder noch so normal sind, wenn man das von ihnen überhaupt sagen kann. Robin, etwa 20, geht ganz in der Religion auf, aber nicht auf altertümliche Art, sondern ganz modern mit eigener Webseite. May Margarets feministische Ader, erscheint einem nur so lange etwas überzogen, bis man Jenner näher kennenlernt. Ihre Mutter tut ihr zwar leid, aber ist sicher nicht der einzige Grund noch zu Hause zu wohnen. Schließlich zahlt Papa ja doch Kost und Logis. :zwinker:


    Inzwischen ist auch Fergal, einer der Demonstranten, aufgetaucht, die gegen die Bebauung des Landes mit Einkaufscenter etc demonstrieren. Fergals Spezialität ist es sich nackt ablichten zu lassen.

    Zitat

    Regt sie auf,

    ist Fergals Rechtfertigung, der nach einer Verfolgungsjagd, die Theo vereitelte, seine wichtigste Habe, seinen Schlafsack, zurücklassen musste. Eigentlich ist Fergal bisher ganz sympathisch. Aber dieser Jenner hält sich für den Nabel der Welt.
    Wie er sich aufgeführt hat, als Theo Elspeth überredet hat mit ihr ins Pub zu gehen. Einfach widerlich. Kein Wunder, dass er dort Hausverbot hat.


  • Das Haus hat übrigens doch ein gemütliches Wohnzimmer mit Fernseher, das aber ausschließlich den Hunden vorbehalten ist. :breitgrins:


    Echt jetzt, die Hunde schauen fern (vermutlich Hundefutterwerbung :breitgrins:) und alle anderen sitzen in der Küche oder wo?


    Deine Leseeindrücke klingen bis jetzt nicht ganz so witzig, wie der Klappentext das eigentlich vermuten ließ. Trotzdem klingt es interessant und ich warte gespannt auf deine Berichte, wie es weitergeht.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Echt jetzt, die Hunde schauen fern (vermutlich Hundefutterwerbung :breitgrins:) und alle anderen sitzen in der Küche oder wo?


    Genau so ist es. :breitgrins:



    Deine Leseeindrücke klingen bis jetzt nicht ganz so witzig, wie der Klappentext das eigentlich vermuten ließ. Trotzdem klingt es interessant und ich warte gespannt auf deine Berichte, wie es weitergeht.


    Wie so oft suggeriert der Klappentext hier mal wieder etwas anderes, als einen dann erwartet. Zwar fängt die Geschichte noch ganz locker witzig an, aber schon bald hatte ich den Eindruck, dass der Schein trügt. Jenner Ransfield ist ein Ekel, wie oben beschrieben, aber nicht unbedingt auf eine komische Art, sondern sehr beleidigend. Auch wenn May Margaret behauptet, dass er um so ekliger wird, je mehr er sein Gegenüber mag, wobei ich mir da nicht so sicher bin, wie sie es gemeint hat, wird er mir keineswegs sympathischer. Fergal scheint ihn ziemlich schnell durchschaut zu haben und hier deckt sich seine Befürchtung mit Theos unterschwelliger Angst vor Jenner.


    Der Originaltitel lautet Understanding of Jenner Ransfield. Das lässt bei mir noch auf sich warten. Dafür erfährt man einiges über die anderen Familienmitglieder und auch Fergal.
    May Margaret ist Künstlerin und Feministin. Letzteres wirkt sich sehr auf ihre Kunst aus, die sie streng hütet und nur ausgewählten Personen zeigt. Ihr Freund, Elgin, ist nicht gerade das, was man sich als Mutter für seine Tochter wünscht, wobei der Herr auch noch älter ist als Elspeth und die Polizei lieber von hinten sieht. Des weiteren scheint er eine sehr billige Version von Jenner zu sein. Denn das muss man Jenner lassen, er hat das gewisse Etwas, dem sich auch Theo nicht ganz entziehen kann.
    Die Beschreibung von M. M.s Kunstwerken war faszinierend. Schade, dass sie nur in diesem Buch existieren.


    Fergal, dessen Künstlername Moonbeam lautet, ja er hat einen Künstlernamen, ist ein netter Kerl. Er ist wohl sehr bekannt, da selbst Jenner ihn kennt und man höre und staune ihn mit offen Armen aufnimmt. Ja, er will ihm sogar helfen. Kann man sich das vorstellen? Fergal stammt aus der unteren Schicht und drückt sich auch so aus. Wobei er ein abgeschlossenes Studium hat, aber keine Stelle bekam, trotz hervorragender Noten. Fergal ist in puncto Sex mehr als zurückhalten und warum dies so ist, erzählt er erst auf ständigen Druck von Theo. Und diese Geschichte, die so verrückt klingt, kann ich mir sehr gut als real vorstellen.


    Wer ist Jenner? Ist er wirklich so, wie er sich gibt und seine Tochter ihn beschreibt? Liebt Elspeth wirklich nur eine schöne Hülle? Er legt Wert auf verbale Umgangsformen, beschimpft sein Gegenüber jedoch teils auf recht verletzende Art. Noch gut 170 Seiten um den Herr näher kennenzulernen.

  • Kurz vor dem Endspurt ein kleiner Zwischenbericht.


    Das junge Volk war ein paar Tage damit beschäftigt der Demonstration gegen das Einkaufscenter neues Leben einzuhauchen, aber wie es aussieht, ist es doch vergebliche Liebesmüh. Fergal hadert etwas mit sich und weiß nicht so recht wie er zu Theo stehen soll.


    Jenner hat inzwischen ziemlich Ärger am Hals. Ausgerechnet Theo schwingt sich zu seiner Retterin auf, wenn auch nicht mit Freuden. Einige wenige Tage ist er recht umgänglich, dass sogar Elspeth völlig aus den Rhythmus kommt. Sie hat Dank Fergal und Theo wieder mehr Selbstbewusstsein und träumt von einem Leben mit mehr Mitbestimmung. Dass dies nicht nur heiße Luft ist, zeigt ihre Reaktion auf einen von Jenners Ausbrüchen und ihrem anschließenden Gedankengang.

    Zitat

    Sie hatte keine Liebe, sondern eine Vorstellung von Liebe gekauft. Und die hatte jetzt ihr Verfallsdatum überschritten.

  • Ich bin mit dem Buch nun fertig, aber ich glaube nicht, dass ich mich zu einer Rezi aufraffen kann. Irgendwie hat mich das Buch geschafft. Auf gewisser Weise bin ich auch sauer auf die Person, die diesen Klappentext verbrochen hat. Nicht, weil mir das Buch nicht gefallen hat, sondern weil er in eine ganz andere Richtung weist als um was es dabei geht. Was so locker flockig beginnt, entwickelt sich recht bald in ein sehr ernstes Thema. Nein, Themen. Ich finde es einfach schade, dass sich durch die Beschreibung vielleicht andere Leser abschrecken lassen.


    Wie ich schon schrieb, lautet der Originaltitel Understanding of Jenner Ransfield. Habe ich das Ziel erreicht? Nein, sicher nicht. Aber ich nehme hier mal ein Zitat seiner Frau zu Hilfe:

    Zitat

    Ich glaube, niemand von uns kann einen anderen Menschen wirklich verstehen. Es ist schwierig genug, sich selbst zu verstehen.


    Und wie sagte Jenner so treffend:

    Zitat

    Jeder will geliebt werden.

    Nur die Form der Liebe unterscheidet sich oft extrem.
    Liebe bis zur Selbstaufgabe ist genau so schrecklich wie sexuelle Nötigung als Liebesersatz.
    War Theos Verhalten am Ende geprägt von Egoismus, oder hat Jenner recht, wenn er behauptet, was sie getan hat, wäre Liebe in ihrer höchsten Form? Ein Gemisch aus beiden, denke ich.