Hermann Hesse - Peter Camenzind

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.847 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Onkel Orwell.

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    Die Erzählung über Peter Camenzind erlebt man aus seiner Perspektive. Es ist seine Erinnerung an die Stationen in seinem Leben, an all die einschneidenden Erlebnisse, die ihn geprägt haben.


    Er stammt aus einem abgelegenen kleinen Bergdorf. Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus Bauern, Narren und, wie er es nennt, Kretins. Kein Wunder, denn zirka drei viertel der Einwohnerschaft trägt den Nachnamen Camenzind. Die früher schöne Mutter ist abgearbeitet, der Onkel Konrad ein Fantast und der Vater ein "ordentlicher Zecher".


    Peter ist ein introvertierter Träumer, der von der Mutter die körperliche Stärke und vom Vater den Schwermut und den Hang zum Wein geerbt hat. Aber noch ist es nicht soweit. Noch ist er ein Junge, der versucht sich von der Arbeit zu drücken, um auf einer versteckten Wiese den Wolken am Himmel zuschauen zu können.


    Im Alter von zehn Jahren geschehen zwei einschneidende Erlebnisse: zum ersten wird er auf seine erste Bergtour mitgenommen. An das enge eingesperrte Leben im Dorf gewöhnt, erlebt er am Gipfel die Weite und Freiheit des offenen Horizonts. Kurz darauf kann sein Vater aufgrund einer Erkrankung einer Verpflichtung dem nahe gelegenen Kloster nicht nachkommen. Anstatt ihn vor Ort zu entschuldigen, schreibt Peter einen artigen Brief, welcher ihm ein Stipendium an einem Gymnasium einbringt.


    Von nun an merkt er bewusst, was es heißt, nirgends hinzugehören. Er steht zwischen der Welt der Bauern und des Bildungsbürgertums und verlebt einsame Kinder- und Jugendjahre. Sein Wunsch nach einem Freund scheitert auch an seiner eigenen Unfähigkeit soziale Kontakte zu knüpfen.

  • Camenzind beginnt sein Studium in Zürich. Hier erfüllt sich sein Wunsch nach einem echten Freund endlich. Richard ist das komplette Gegenteil von ihm: er stammt aus wohlhabendem Haus, ist heiter und unbeschwert, knüpft leicht Kontakte und gegenüber Frauen nicht scheu. Trotz aller Gegensätze gehen die beiden durch dick und dünn. Aufkommende Streitereien gefährden in keinster Weise das enge Band, das zwischen ihnen herrscht.


    Nach Ende ihres Studiums gehen beide noch auf eine ausgedehnte Reise durch die Toskana. Finanziert wird sie von Richards Vater. Was beide nicht wissen, ist, dass dies die letzte gemeinsame Zeit ist, die sie miteinander haben. Zwei Wochen, nachdem sie sich getrennt haben, ertrinkt Richard bei einem Badeunfall.


    Dieses Erlebnis wirft Peter vollkommen aus der Bahn. Seine ihm angeborene Schwermut bricht mit ganzer Macht durch und seine bereits während der Studienzeit bedenkliche Trinkerei wächst sich aus. Richard war sein Anker, der Halt in seinem Leben, der nun fehlt. Dementsprechend kommt es nun zu einem Bruch in der Geschichte. Camenzind schneidet seine Pariser Jahre nur an, geht aber nicht darauf ein, mit dem Hinweis, dass die "Schweinigel" unter seiner Leserschaft hier eben Pech hätten. Einige Jahre später kehrt er nach Basel zurück. Sein nunmehriges Alter verrät er nicht, ich nehme an, dass er jetzt am Beginn seines vierten Lebensjahrzehnts steht.

    Einmal editiert, zuletzt von dodo ()

  • Oha ... das hört sich nach einem Buch für mich an. Schwermütige Menschen, deren Leben aus den Fugen gerät, haben's mir angetan. :smile: Dieses Buch sagte mir bislang gar nichts. Bei Hesse bin ich über "Siddhartha" und den obligatorischen "Steppenwolf" nicht hinausgekommen. Jedenfalls behalte ich diesen Thread im Auge. :lupe:

  • Erholung und Besserung seines Zustandes findet Camenzind immer wieder auf Wanderungen und Reisen. Nicht nur einmal baut er seine Zelte ab, schickt alle seine Habe in die zukünftige Bleibe und wandert dann zu Fuß dort hin.
    Er merkt selbst wie menschenscheu er ist und versucht gegen die ihm eigene Eigenbrötlerei anzukämpfen. Ihm ist auch der Ausmaß seiner Trinkerei bewusst und schafft es, diese zumindest einzudämmen, wenn er sie auch nie aufgibt.


    In seinem Lebensrückblick erinnert er sich vor allem an die Menschen, die im Laufe seines Lebens für ihn aus den unterschiedlichsten Gründen wichtig wurden und die ihm auf die eine oder andere Weise halfen, zu sich selbst zu finden. Er ist ein Suchender, der einige Länder bereist, um am Ende schließlich wieder dort anzukommen, wo alles seinen Anfang nahm - im Heimatdorf seiner Kindheit.


    Beim Lesen merkt man, wie viel von Hesse selbst in seinem Protagonisten Camenzind steckt. Im Abschnitt, in dem er über seine Leidenschaft und Liebe zum Wein schreibt, muss man nicht unbedingt von Hesses eigenen Alkoholproblemen wissen, um zu erkennen, dass hier jemand weiß, wovon er schreibt. Oder wenn er die beginnende Schwermut in Camenzinds Studentenjahren beschreibt, leicht noch zu Anfang, fast nur eine Tändelei mit der inneren Düsternis, ist ebenfalls offensichtlich, dass hier persönliche Erfahrungen eingeflossen sind.


    Fazit: Peter Camenzind ist eine sehr persönliche Novelle, erzählt in einem sehr ruhigen unaufgeregten Ton.


    4ratten

  • Soeben meinen fünften Hesse gelesen und es wird bestimmt nicht der Letzte gewesen sein, nein, eigentlich hatte ich gleich zu Beginn mit Demian das Bedürfnis, alles zu lesen was dieser aussergewöhnliche Dichter einst zu Papier gebracht hatte. Nun gut - seine Gedichte brauche ich nicht unbedingt, Gedichte sprechen mich sowieso nur selten an und Siddhartha legte ich wieder weg, nachdem es mich nicht gleich packte. Zweiteres bekommt sicher irgendwann eine erneute Chance - aber zurück zu Peter Camenzind...


    Hermann Hesse (welch Ironie) lässt immer sehr viel aus eigener Erfahrung in seine Schriften einfliessen - soweit ich das beurteilen kann. Ich denke das Schreiben war sein Weg zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung, verpackt in viele Geschichten um Selbstfindung und Selbstverwirklichung, oft sogar mit selber Erfahrung anders verpackt - so könnte man z.B. Peters Freund Richard (glaube ich :gruebel:) mit dem Knulp aus gleichnamiger Erzählung assoziieren und wahrscheinlich gab es in Hesses Kindheit/Jugend einst einen ähnlich tragischen Fall.


    Peter Camenzind hat mir sehr gut gefallen und ist eine Hesse-typisch schön zu lesende Erzählung - was will man mehr..?! Der Weg bis Steppenwolf ist zwar noch lang aber der Lesespass ist mindestens genau so gut - ja eigentlich viel besser. Och ich mag den Hesse einfach, auch wenn er meist viel zu viel anbrennen lässt in Sachen Liebe und Sex hahaha - er ist sowas wie H.P. Lovecraft mit Natur und Selbstfindung anstelle der Fantastik und des Sci-Fi. Die haben ja auch ungefähr zur selben Zeit geschrieben...


    5ratten