Ulrike Edschmid - Das Verschwinden des Philip S.

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    Ein beeindruckendes Werk!


    Ulrike Edschmid begiebt sich vierzig Jahre nach dem Tod ihres als Terrorist eingestuften einstigen Gefährten auf die Suche seiner wenigen verbliebenen Spuren. Philip Werner Sauber starb am 9. Mai 1975 nach einem Schusswechsel mit der Polizei auf einem Kölner Parkplatz. Noch bevor der Krankenwagen eintraf, waren die Fotografen vor Ort, die seinen Tod, gefangen im Stacheldraht, festhielten. Auch der Polizist Walter Pauli starb bei dem Schusswechsel, drei weitere Menschen, ein zweiter Polizist, Karl Heinz Roth und Roland Otto, wurden schwer verletzt.
    Doch als Ulrike Edschmid Philip S. kennenlernte, war er keineswegs im Untergrund tätig. Sie trafen sich das erste Mal im Flur der Berliner Filmakademie. Der damals neunzehnjährige Schweizer hatte im Spätsommer 1967 Berlin erreicht, nachdem er fortgegangen war von seinen reichen Eltern in Zürich, bei denen stets von Geld die Rede war.
    Kurze Zeit nach ihrer Begenung zieht er zu der siebenundzwanzigjährigen Mutter und nimmt die Vaterrolle für den Sohn ein. Er geht an die Filmakademie, möchte seinen Gedanken in der Kunst Ausdruck verleihen. So entsteht der experimentelle Film “Der einsame Wanderer”.
    Doch nach dem Tod Otto Ohnesorgs beginnt Philip S. im Umfeld der “Bewegung 2. Juni” zu agieren. Anfangs sind es nur Treffen, dann werden es Banküberfälle. Nach und nach rutscht Philip S. in den Untergrund.
    Er bereitet alles für sein neues Leben vor, beseitigt seine Spuren. Niemand soll sich an ihn erinnern, nichts darf von ihm zeugen. Eine neue Identität. Nach und nach verschwindet er aus Ulrike Edschmids Leben. Er nimmt immer weniger am gemeinsamen Leben in der Wohnung mit Freunden teil, zieht sich zurück.
    Immer mehr verändert -verschwindet- Philip S.. Er kreiert sich ein neues Leben, so wie er zuvor das Leben als Künstler genau geplant und gelebt hatte.
    Ulrike Edschmid und Philip S. geraten immer weiter auseinander und während er nach einem Gefängnisaufenthalt glaubt, sie hätten die Zeit zusammen durchgestanden, war sie in Gedanken nur bei ihrem Sohn. Philip S. hat sich längst von allem losgelöst, stellt seine Ideale über seine Wünsche, Sicherheit und Familie. Aber für sie bedeutet ihr Sohn alles.
    Beide haben unterschiedliche Wege eingeschlagen und Ulrike Edschmid kann Philip S.s Radikalisierung nicht gutheißen.
    Sie sehen sich immer seltener und jedes Treffen wird gefährlicher. Bis zum 9. Mai 1975.


    Dieses Buch hat mich wirklich beeindruckt. Präzise beschreibt die Autorin die Veränderungen die Philip S. durchmacht. Zu Beginn fragte ich mich noch, wie aus ihm jemals ein Terrorist werden sollte..
    Die verwendete Sprache ist knapp und eindringlich, sodass einem ein jedes Wort nahe geht, man über jeden Satz nachdenkt. Faszinierend finde ich auch, wie so viel Inhalt, ohne erdrückend oder anstrengend zu werden, auf lediglich 156 Seiten übermittelt werden kann. Beeindruckend.
    Denn auch wenn das Gelesene nachdenklich stellt, ist es keineswegs ermüdent oder zu geballt.
    Dieses Buch zog mich vom ersten Satz an in seinen Bann, da die Entwicklung, die Philip S., aber auch sein Umfeld und Ulrikes Bild über ihn durchmacht, ist derart spannend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.
    Da die Personen nur Kürzel oder Spitznamen erhalten, entsteht eine gewisse Distanz zwischen Leser und Erzähltem und auch die Andeutungen zu Gruppen, Liedern oder auch Büchern regen die Neugierde an, sodass man sich über das Buch hinaus noch über die Zeit, Geschehnisse und Zusammenhänge informieren möchte, weiter eintauchen will.
    Dieses Buch ist zum einen sehr informativ, zum anderen aber emotional, da es von der Liebe zwischen Ulrike Edschmid, Philip S. und ihrem Sohn erzählt. Es erzählt auch vom Verschwinden und davon, wie Menschen sich verändern, es handelt vom Tod, vom Neuanfang, von Angst und Hoffnung. Eine Erzählung von Ideen und Plänen für eine bessere Zukunft, die ins Kriminelle abdriften und keinem weiterhelfen.
    Die knappe und präzise Sprache ist sehr eindringlich, was mir sehr gut gefällt. Außerdem lässt sich das Buch flüssig lesen und ist sehr spannend.


    Ich kann dieses Buch wirklich jedem weiterempfehlen! Es ist unglaublich, wie der Wandel Philip S.s, die gesellschaftliche Situation, die Atmosphäre, die Ängste, Ulrike Edschmids Gefühle, Ziele und Wünsche und noch so viel mehr beschrieben werden und wie nahe dies beim Lesen geht. Ein bemerkenswertes Werk, welches mich zunächst sprachlos zurückgelassen hatte und wegen dem ich mich eingehender mit diesem Kapitel der Deutschen Geschichte auseinandergesetzt habe!


    5/5 Sterne


    EDIT: Betreff angepasst. LG, Saltanah

  • Danke für diesen Beitrag!


    Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen. Es ist intensiv, atmosphärisch sehr klar und dicht und dabei ohne jegliche Verklärung oder Larmoyanz geschrieben. Einfach ein sehr reifer Text, würde ich sagen. Und ein wichtiger Beitrag zum Verständnis dieses Kapitels der deutschen Geschichte.