Angela Staberoh - Tafeln im Zeppelin. Spannende Geschichten und Originalmenüs

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  • Da meine Vorstellung des Marokko-Kochbuchs hier auch noch online ist, wird's wohl - Verzeihung! - wurscht sein, dass die Rezepte in dem rezensierten Buch nicht vegan sind.


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    Angela Staberoh: Tafeln im Zeppelin. Spannende Geschichten und Originalmenüs, Reutlingen 2015, Oertel + Spörer-Verlag, ISBN 978-3-88627-380-5, Hardcover, 143 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß, Format: 4,2 x 21,8 x 1,8 cm, EUR 19,95.


    Ein Kochbuch, in dem Luftschiffe vorkommen … Geschichten über Prominente sowie über Affen, Katzen und Dackel … in dessen Rezepten ausschließlich Zutaten verwendet werden, auf die man auch schon im Deutschland der 1920er- und 1930er-Jahre Zugriffe hatte, aber definitiv ü-ber-haupt kein Knoblauch?


    Die Buchidee lag in der Familie
    Ich habe ja etwas übrig für leicht abseitige Buchkonzepte und dachte, das schaue ich mir mal an. Natürlich habe ich mich gefragt, wie jemand auf die Idee kommt, möglichst authentisch das nachzukochen, was man den noblen Passagieren auf dem legendären Luftschiff, der LZ 127 Graf Zeppelin, serviert hat. Wenn man weiß, dass der Schwiegervater der Autorin, Rudolph Staberoh, Steward auf der Graf Zeppelin und der Hindenburg war, ist diese Idee auf einmal gar nicht mehr so schräg. Sicher wird Staberoh seiner staunenden Familie viel von seinem ungewöhnlichen Arbeitsplatz erzählt haben. Seine Verlobte, Hilda Lamprecht, war seinerzeit jedenfalls so fasziniert von dem Zeppelin-Tafelgeschirr aus Heinrich-Elfenbein-Porzellan, dass er ein identisch aussehendes Service bei Villeroy und Boch bestellte und es ihr 1936 zur Hochzeit schenkte. Nur ein LZ-Logo hatte ihr Service natürlich nicht.


    Dieses Geschirr ist heute noch in Familienbesitz und wird in Ehren gehalten. Das trifft sich natürlich gut, weil so die nachgekochten Gerichte stilecht auf diesem Porzellan fotografiert werden konnten. Und schon haben wir das Konzept: Angela Staberoh kocht und schreibt, ihr Mann Uwe hat die Gerichte fotografisch ins Szene gesetzt, und gewürzt wird das Ganze mit Anekdoten und fiktiven Dialogen von Passagieren und Mannschaft. Die zugrundeliegenden Geschichten stammen entweder aus den Erinnerungen des Schwiegervaters oder wurden aus seriösen Quellen recherchiert.


    Tafeln wie die Millionäre
    Nun ist es eine Frage des persönlichen Interesses, was einen mehr begeistert: das, was die Passagiere auf ihren luxuriösen Reisen alles erlebt haben oder die exquisiten Menüs, die man ihnen an Bord servierte. (Nerds begeistern sich natürlich für die technischen Details.) Gut, wahnsinnig außergewöhnlich klingt so manches Menü aus heutiger Sicht nicht (mehr): „Schottische Gerstensuppe, Bodenseezander gekocht mit zerlassener Butter und Salzkartoffeln, Hasenrücken mit Gemüse garniert und Kronsbeeren, Bayerische Creme.“


    Manches ist ohne „moderne“ Zutaten aufwändiger zuzubereiten als heute üblich. „Die Vorbereitungszeiten erfordern in der Regel mehr als drei Stunden“, schreibt die Autorin (Seite 10). Fürs Nachkochen des legendären Millionärsdinners vom 9.10.1936 dürfte das möglicherweise nicht mal ausreichen. Damals gab es „Indische Schwalbennestsuppe, kalten Rheinlachs mit Gewürzsauce und Kartoffelsalat, Filetsteak mit Gänselebersauce, Chateau-Kartoffeln und grünen Prinzessbohnen, Carmensalat, geeiste kalifornische Melone, türkischen Mokka, Gebäck, Liköre, dazu einen perlenden 1928er Feist Brut und ein Piesporter Goldtröpfchen von 1934“.


    Ich schätze, dass dieses Buch eher etwas für Luftschifffans als für gewöhnliche Hobbyköche ist.


    Die Gestaltung hat mich manchmal etwas verwirrt. Mal hat eine Seite zwei gleich breite Spalten, mal drei, mal eine breite und eine schmale … gelegentlich wusste ich nicht so recht, wo ich weiterlesen muss.


    Speisen appetitlich abbilden …
    Die Foodaufnahmen sind auf einem sehr hohen Amateurniveau. Nicht immer sind sie optimal ausgeleuchtet, oft sind sie (zu) dunkel. Und ich nehme an, dass da wirklich die frisch gekochten Speisen abfotografiert wurden – ganz ohne Foodstyling. Das ist zwar authentisch, aber als Maßstab gelten heute eben die mit allerhand Tricks geschönten Aufnahmen aus Zeitschriften und Büchern.


    Zubereitetes Fleisch appetitlich zu fotografieren ist gar nicht so einfach. Hier klappt’s nicht immer, dass die Gerichte auch so lecker aussehen wie sie sicher schmecken (Rehrücken auf Seite 20, Mockturtlesuppe auf Seite 43, Leberspätzle auf Seite 56). Und täusche ich mich, oder verkauft man uns auf Seite 83 einen schnöden Supermarkt-Spekulatius als ökologisch-biologisch selbstgebackenen Keks? ;) Ich sag’s nur. Kochbuch-Sammler sind oft ganz schön anspruchsvoll!


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    Die hochinteressanten Informationshäppchen, die die Rezepte begleiten, machen diese Eigenheiten wieder wett. Ich bin jetzt auf jeden Fall wild entschlossen, mich eingehender mit dem Thema Luftschiffe zu befassen.


    Krankheit als Einstieg?
    Was mich wirklich schockiert hat, ist der Einstieg in das Buch. Als allererstes erfahren wir, dass Kochen und Genießen für die Autorin und ihren Mann ein Ausgleich war für die Sorgen und Probleme, die sie mit ihrem schwerkranken und jung verstorbenen Kind hatten. Das ist nur zu verständlich. Aber was macht der durchschnittlich neugierige Leser, wenn er eine schreckliche Krankheit und deren Symptome genannt bekommt? Er geht erst mal googeln. Und so schwebt über dem originellen, informativen und unterhaltsamen Buch die ganze Zeit der Geist eines über viele Jahre elend dahinsiechenden Kindes.


    Leute, sowas kann man doch nicht bringen! Nicht als Einleitung! Ich weiß natürlich, dass dieses Thema den Staberohs sehr am Herzen liegt/lag. Mir ist auch bekannt, dass sie im Namen ihrer Tochter die Anja-Staberoh-Stiftung gegründet haben, die jährlich einen mit 1.500 Euro dotierten Förderpreis für ehrenamtliches Engagement auslobt. Das ist eine überaus noble Geste! Aber man haut doch einem Leser, der in Genusserwartung ein Kochbuch erwirbt, nicht gleich im ersten Absatz die Details einer tödlichen Krankheit um die Ohren! Dieses sensible Thema hätte man im Rahmen einer Widmung, eines Nachworts oder einer Danksagung vielleicht etwas weniger brutal präsentieren können. Ich hätte das sehr begrüßt.


    Die Autorin
    Angela Staberoh legt sich auf kein literarisches Genre fest. Die unendlich lange Leidenszeit ihrer Tochter, die im Alter von zwei Jahren den ersten zerstörerischen Schlaganfall erlitt, verarbeitete sie in dem Buch „Anja“. Wenige Jahre später entdeckte sie beim Kochen von Originalmenüs und liebevollem Servieren auf familieneigenem Zeppelinporzellan ihre Leidenschaft für die Giganten der Lüfte. Angela Staberoh verfasste Bücher über Medizinethik, deutschsprachige Literatur und Zeppeline. Sie ist in der Erwachsenenbildung tätig und lebt in Friedrichshafen am Bodensee.

  • Danke für die Rezi!


    Es könnte sein, dass das Buch ältere Semester anspricht, die bevorzugt deutsch kochen.
    Die Bilder sehen mindestens so gut aus wie die Bilder in 80er- oder 90er Jahre-Kochbüchern und besser als die Bilder in 70er Jahre-Kochbüchern. :zwinker:


    Vielleicht sind die Käufer des Buches gerade an dieser Art Essen interessiert, haben schon ältere Bücher zu Hause und stören sich nicht so an den Fotos.
    Mir scheint es für den Durchschnittsmenschen auch eher ein Lese- bzw. Stöberbuch zu sein, ähnlich einem Bildband, denn auch der Geschmack hat sich ja bei den meisten mit der Zeit geändert.



    Wir hätten jetzt natürlich noch gern den Keks auf S. 83 gesehen! :zwinker:


    Ich hatte übrigens anfangs an Schultafeln gedacht...


    LG
    von Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.