Paco Roca - Kopf in den Wolken

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    Leseprobe
    Originaltitel: Arrugas


    Emilio war Filialleiter einer Bank, doch immer öfter weiß er nicht mehr wo und wann er jetzt aktuell ist. Seine Familie bringt ihn schließlich in einem Altenheim unter. Als ihm bewusst wird, dass er nicht nur ein bisschen vergesslich, sondern tatsächlich an Alzheimer erkrankt ist, versucht er, unterstützt von seinem neuen Zimmergenossen, die Erkrankung aufzuhalten, doch diese schreitet unaufhaltsam heran.


    Ich habe hin und her überlegt, ob ich diesen Comic lesen möchte. Mit einem realen Demenzfall in der familiären Umgebung, begegne ich der künstlerischen Bearbeitung dieses Themas sehr vorsichtig.


    Paco Roca hat sich des Themas Alzheimer angenommen, als ihm zum einen sein eigenes Älterwerden bewusst wurde und zum anderen bei den Eltern seiner Freunde erste entsprechende Fälle auftraten. Das tut er durchaus sensibel und voller Mitgefühl. Seine alzheimerkranken Alten sind dann doch größtenteils die, über deren Handlungen man zwar als Angehöriger bereits verzweifelt, als Außenstehender aber durchaus manchmal noch lachen kann. Dabei zeigt er einige der psychischen Folgen sehr schön, man kann ansatzweise verstehen, wie die betroffenen Menschen ihre Umwelt wahrnehmen, aber die körperlichen Folgen klammert er dann doch fast völlig aus.


    Seine zeichnerische Umsetzung gefällt mir allerdings außerordentlich gut, besonders eine Bilderfolge in denen er ein Gesicht in der Wahrnehmung des Erkrankten zeigt bleibt mir im Gedächtnis – mal voller Details und dann nur eine leere hautfarbene Fläche…


    Letztendlich hat Paco Roca ein schwieriges Thema ziemlich gut umgesetzt und da er mir auch stilistisch zusagt, werde ich sicherlich noch mehr von ihm lesen.


    4ratten

  • Emilio, der frühere Leiter einer Bankfiliale, wird von seiner Familie in ein Seniorenheim einquartiert. Er leidet an Alzheimer im Frühstadium. Jeden Tag rutscht er ein bisschen weiter in die Vergesslichkeit. In dem Heim trifft er auf die unterschiedlichsten Menschen, von denen die meisten ebenso vergesslich sind wie er und sich manchmal etwas sonderbar verhalten. Sein Zimmergenosse ist Miguel, geistig noch ziemlich fit und seine Überlegenheit dazu einsetzend, seine finanziellen Verhältnisse aufzubessern, aber auch stets zur Stelle, wenn er gebraucht wird und für Abwechslung im tristen Heimalltag sorgen kann. Gemeinsam versuchen sie, den unvermeidlichen Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen.


    „Kopf in den Wolken“ ist schnell gelesen, wirkt dafür aber um so stärker nach. Es ist ein wirklich deprimierender Anblick: Alte Menschen im Seniorenheim, abgestumpft und zum Teil vor sich hin vegetierend, die kaum noch in der Gegenwart leben, sondern in einer Jahrzehnte lang zurückliegenden Vergangenheit. Sie bekommen zwar die nötige Pflege und Unterstützung, brüten aber oft nur tatenlos vor sich hin. Abwechslung gibt es kaum, das Unterhaltungsangebot ist unzureichend. Für viel individuelle Zuwendung und Förderung ist in dem Heim keine Zeit, wird aber von den Bewohnern auch kaum erwartet. In vielen Gesichtern ist nur Resignation zu erkennen. Tröstend ist dabei der Gedanke, dass den Kranken das kaum noch bewusst ist. Die meisten leben in einer eigenen kleinen Welt, in der kein Platz für andere ist.


    Paco Roca zeigt sehr sensibel, wie es um Demente bestellt ist, und sein feiner Humor erlaubt es, über manche Marotten zu schmunzeln, ohne das Gefühl zu haben, sich dabei lustig zu machen. Man könnte den Vorwurf machen, dass er zu viele Klischees bedient, aber dem Vernehmen nach läuft es in vielen Heimen wirklich so ab; außerdem sind einige der Insassen realen Menschen aus Rocas Bekanntenkreis nachempfunden.


    Diese Graphic Novel braucht nicht viel Text, sie lebt ganz besonders von den Bildern, die für sich sprechen, auch wenn sie minimalistisch sind. Manches lässt sich ohnehin nicht in Worten ausdrücken. Ein wichtiges Buch, das die Thematik Demenz auf einfühlsame Weise näher bringt und zu Recht mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde – auch für die filmische Adaption. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen.


    5ratten

  • Dabei zeigt er einige der psychischen Folgen sehr schön, man kann ansatzweise verstehen, wie die betroffenen Menschen ihre Umwelt wahrnehmen, aber die körperlichen Folgen klammert er dann doch fast völlig aus.

    Ich habe im persönlichen Umfeld keine Erfahrungen mit Alzheimer und kann daher über den Verlauf der Krankheit wenig sagen, aber ich hatte den Eindruck, dass die schweren Fälle in der ominösen oberen Etage des Seniorenheims gepflegt werden. Wenn du dich erinnerst: Es gab dort das untere Stockwerk mit den Menschen, die noch einigermaßenzurechtkamen und dann eben das obere, vor dem die Bewohner fast Angst hatten. Ich denke, dass Paco Roca das bewusst ausgespart hat. Für Unwissende ist es auch so schon schwer verdaulich, wie es bei Demenzpatienten abläuft.

  • Ich habe im persönlichen Umfeld keine Erfahrungen mit Alzheimer und kann daher über den Verlauf der Krankheit wenig sagen, aber ich hatte den Eindruck, dass die schweren Fälle in der ominösen oberen Etage des Seniorenheims gepflegt werden. Wenn du dich erinnerst: Es gab dort das untere Stockwerk mit den Menschen, die noch einigermaßenzurechtkamen und dann eben das obere, vor dem die Bewohner fast Angst hatten. Ich denke, dass Paco Roca das bewusst ausgespart hat. Für Unwissende ist es auch so schon schwer verdaulich, wie es bei Demenzpatienten abläuft.

    Für mich war das obere Stockwerk für die, die gar nichts mehr können und nur noch im Bett liegen und voll gepflegt werden müssen. Ich hatte den Comic aber nur geliehen und kann somit nicht nachgucken, ob das so war oder ich es nur so aufgefasst habe.


    Der Vater von meinem Freund ist betroffen und aus der Erfahrung heraus, würde ich sagen, dass auch bei Menschen, die herumlaufen können und (ggf. mit Aufforderung / daran erinnern) selber essen und trinken, die Wahrnehmung des Harn-/Stuhldrangs bzw. die Umsetzung der notwendigen Tätigkeiten gestört sein können.

    Mittlerweile ist er auf einer Demenzstation im Heim, dort sind die meisten Zimmer immer abgeschlossen (die jeweiligen Bewohner sind im Aufenthaltsraum), weil man sonst schon mal Urinpfützen in Zimmerecken vorfindet o.ä.


    Bei Roca bleibt die Erzählung halt trotz ansonsten realer Darstellung immer "sauber".