Widerfahrnis - Bodo Kirchhoff

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    Reither, ein älterer Herr, der vor kurzem seinen Kleinverlag verkauft hat, wird eines Abends von Leonie Palm besucht, Leiterin des Buchclubs seiner neuen Heimat und ehemalige Hutladenbesitzerin. Obwohl sie sich erst einen Abend kennen, überredet Leonie Reither eine nächtliche Ausfahrt zu machen, die sich von einem kurzen Ausflug zu einer tagelangen Fahr an die äußerste Spitze Italiens wandelt, wo sich beide mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sehen.


    Auch wenn dieses Buch den deutschen Buchpreis gewonnen hat, konnte ich doch so gar nichts damit anfangen. Kirchhoff schreibt in einer sehr präzisen, fast schon pedantischen Art, und der Erzähler, Reither, kommentiert sehr viel auf einer Metaebene darüber was er sagt, wie erzählt und wie die Geschichte aufgebaut wird. Ich fand ihn dabei sehr oft überheblich, unsympathisch, patriarchisch.


    Dazu kommt, das die Geschichte sehr wenig Emotion hat, und auch sehr wenig Plot. Die beiden, Palm und Reither, fahren durch die Gegend, es wird geraucht, gegessen, getrunken, manchmal ein wenig geredet, aber nicht viel. Es ist mehr ein Sachbericht, eine Sprachübung, als ein Roman für mich. Was Reither fühlt, kann man nur erahnen, und was er als Emotionen zugibt, scheint mir immer konträr zu seinem tatsächlichen Verhalten zu laufen.
    Was die Palm fühlt kommt praktisch gar nicht zur Sprache.


    Ich habe von vielen Leuten gehört, dass sie das Buch doch emotional fanden, man muss sich halt aus den Handlungen erschließen, wie die Personen fühlen, aber für mich ist ein Roman kein Ausmalbuch, wo ich die Umrisse selbst mit Leben füllen möchte. Ich empfand es jedenfalls als sehr neutral und distanziert geschildert.


    Gegen Ende kommt noch etwas Plot auf, aber ich fand es zu wenig zu spät und auch die ganze Geschichte dann recht gezwungen, ich möchte dazu aber nichts spoilern, es ist das einzige, was an dem Buch spannend sein könnte.


    Zusammenfassend kann ich sagen dass das Buch einfach nicht meins ist. Verkopft, emotionslos, distanziert mit einer präzisen, überheblichen Sprache, die den Leser noch mehr auf Abstand hält.
    Mir fehlt Plot, Charakterentwicklung, ein Hauch Sympathie für die Charaktere und das was sie durchmachen.

    Hier steht ein cleveres und inspirierendes Zitat!

  • Also, so richtig vom Hocker gerissen hat es mich auch nicht. Hier ist meine Rezension:


    On the Road und zwar geradewegs in den tiefen Süden, nämlich nach Italien, zieht es den frisch berenteten Endsechziger Julius Reither, der nach einem ausgefüllten, doch am Ende wirtschaftlich nicht mehr rentablen Leben als Eigentümer eines Kleinstverlages ein neues Leben im Süden Deutschlands begonnen hat. Mehr als zufällig klingelt eine Nachbarin, Leonie Palm, an seiner Tür, man kommt ins Gespräch, findet Ähnlichkeiten in den Biographien - und ehe der Leser sich versieht, sitzen die beiden auch schon in Palms - die Familiennamen spielen in dieser Novelle eine ausgesprochen übergeordnete Rolle - Cabrio und düsen über den Brennerpaß. Weiter und weiter geht es, ein wahrhaftiger Roadmovie der entfesselten Rentner, die nun die Muße haben, zu tun, was ihnen passt.


    Dass es jedoch nicht immer untereinander passt, wird bald deutlich, dennoch führt ihre tollkühne Tour sie bis nach Sizilien, wo sie die Bekanntschaft eines junges Mädchens, offensichtlich ein Flüchtling, machen.


    Zeitweise hatte ich den Eindruck, hier zwei veritablen Exemplaren der Gutmenschen zu begegnen, die stets wissen, was für andere das Beste ist. Und für sich selbst auch - seltsam nur, dass es in Reithers wie auch in Palms Leben so einige traurige Episoden gab, die nun, in einem gewissen Alter - beide Protagonisten scheinen ein wenig zu zögern, sich selbst als alt zu sehen, auch dies ein häufiges Zeichen unserer Zeit.


    Ja, es ist eine sehr zeitgemäße Geschichte, die Bodo Kirchhoff in einer schönen Sprache verfasst hat - die Italienreise ist zeitweise ein wahrer Genuss - aber ab und zu blitzten mir beim Lesen ein paar Liedzeilen von Selig durch den Kopf: "sag mir ist es wichtig?
    so richtig wichtig ist es nicht". Ja, eine schöne Novelle, aber keine, die mich lange in ihrem Bann halten wird.
    3ratten