Graeme Macrae Burnet - Sein blutiges Projekt

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    Kurz zur Geschichte
    Im August 1869 wird ein kleines Bauerndorf an der Nordwestküste Schottland von einem brutalen 3-fach Mord zutiefst erschüttert. Der Täter stellt sich sofort und leugnet die Tat nicht, es ist der 17-jährige Roderick Macrea, Sohn eines armen Landwirts. Im Gefängnis, während der Wartezeit auf den Prozess, beginnt Roderick seine Geschichte vor der Tat aufzuschreiben und wie es überhaupt soweit kommen konnte. Ärzte und Kriminalbeamte stellen Nachforschungen an und wollen die Beweggründe aufdecken, wie ein normaler junger Mann so zu einer Tat fähig sein kann. Oder können sie sogar beweisen, das Roderick geisteskrank ist? Wird es seinem Rechtsbeistand gelingen ihn vor dem Galgen zu bewahren?

    Meine Meinung

    Um es gleich vorweg zu erwähnen, das Buch wird als "Thriller" angepriesen, ich würde es schon fast eher in das Genre "historischer Krimi" einordnen, denn von einem Thriller ist die Story sehr weit entfernt.
    Das Cover ist so gestaltet, wie man sich das Häuschen der Familie Macrea vorstellt, etwas abseits gelegen mit einer kargen, trostlosen Landschaft um sich herum.
    Man weiß zwar von Anfang an, was passieren wird, aber der Ausgang ist ungewiss und trotzdem hat die (wahre?) Geschichte nicht an Reiz dadurch verloren. Ungewöhnlich und gut hat mir bei diesem Buch der Aufbau der einzelnen Abschnitte gefallen. Es werden Zeugenaussagen aufgezeigt, dann bekommt der Leser einen Einblick in das medizinische Gutachten und zum Schluss ist man beim Prozess im Gerichtssaal dabei. Zwischendrin eingestreut sind die Kapitel, die von Roderick im Gefängnis geschrieben wurden und darin kann man sehr gut verfolgen, was alles passiert ist, bis Roderick zu dieser Tat fähig war. Schon während des Lesens hatte ich Mitleid mit Roderick und seiner Familie, der Tod der Mutter, das karge Leben und die schwere körperliche Arbeit auf den Feldern, all das hat dazu beigetragen, das man ein Teil der Familie wurde und einfach mit gelitten hat unter dem fiesen und hinterhältigen Vorgehen des Constable. Sehr berührt hat mich das einsame, kalte und lieblose Leben von Jetta, der Schwester von Roderick, die nach dem Tod der Mutter, deren Rolle übernehmen musste und kein eigenständiges Leben leben konnte und durfte.

    **Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn**<br />Zitat von &quot;Erasmus von Rotterdam&quot;

  • 4ratten


    Literarischer Thriller, psychologischer Thriller, raffinierter Thriller - wow, das muss ja ein Superthriller sein, wenn die Umschlagseiten dieses Buch mit solchen Begriffen gepflastert sind. Mein Fazit hierzu schon mal vorweg: Ja, es ist spannend, aber ganz sicher kein Thriller. Laut Wiki ist dieses Genre gekennzeichnet durch ein beständiges Spiel zwischen Anspannung und Erleichterung, wovon in diesem Buch nicht viel zu merken ist.
    Der Fall ist von Beginn an klar: Der 17jährige Roderick Macrae bringt drei Menschen um, was er auch ohne Zögern gesteht. Schriftlich hält er in der Haft fest, wie es dazu kam, ergänzt durch ärztliche Gutachten und der Prozessbeschreibung.
    Neben den Geschehnissen, die zu den Morden führten, beschreibt der Täter detailliert das Leben in einem kleinen schottischen Dorf im 19. Jahrhundert. Es ist ein armseliges Dasein, die Menschen sind als Pächter mehr oder weniger Leibeigene des Gutsherrn und erwirtschaften eher schlecht als recht ihren eigenen Unterhalt. Sie sind der Wilkür der Herrschenden ausgeliefert und missbraucht einer seine Macht, gibt es keinen Widerstand - das Schicksal ist gottgegeben und nicht zu ändern. Gleichmütig schildert Roderick, wie seine Familie den Launen des Constable (einer Art Aufseher) ausgeliefert war und in stummer Resignation alles hinnahm, da selbst das kleinste Aufbegehren umgehend drakonische Strafmaßnahmen nach sich zog und schon im voraus klar war, dass es keinen Erfolg hatte.
    Auch die ärztlichen Berichte sind erschütternd, denn sie zeigen überdeutlich die Arroganz der bürgerlichen Klasse gegenüber der armen Landbevölkerung. Zudem erhält man einen Einblick in die Anfänge der Kriminalpsychologie, wonach die meisten Kriminellen schon als Verbrecher geboren werden ('Verbrecherrasse'), was sich auch in vielerlei Anomalien und Missbildungen zeigt wie beispielsweise Taubheit, Blindheit, Klumpfüße usw.. Kaum vorstellbar, dass das Alles erst 150 Jahre her ist.
    Dieses Buch ist nicht nur die Schilderung eines Kriminalfalles und der Anfänge der Kriminalpsychologie, sondern auch ein detailliertes, düsteres Sittengemälde einer Zeit, die wohl kaum jemand kennt. Spannend, ein Thriller jedoch ist es nicht.

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.&nbsp; &nbsp; Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)

  • Meine Meinung

    Ich war und bin mir immer noch nicht sicher, welche der unterschiedlichen Meinungen, die es über Roderick Macrae gibt, zutreffen. Ob er wirklich geistesgestört ist, oder ein böser Mensch, wie der Dorfpriester sagt, oder ein netter Junge der manchmal mit den Unsichtbaren spricht oder vielleicht doch ein hochbegabter Junge, wie der Lehrer meinte... ich weiß es einfach nicht.


    Sicher ist, dass das Leben in Rodericks Dorf nicht leicht war. Es gab nur wenig Perspektiven, die meisten Jugendlichen folgten dem Weg der Eltern. Wäre Rodericks Leben anders verlaufen, hätte sein Vater ihm eine höhere Bildung erlaubt? Priester und Gutsbesitzer halten die Dorfbewohner unter der Knute. Beide fordern Gehorsam, geben aber keine Unterstützung. Gerade vom Priester hätte ich mehr erwartet.


    Rodericks Vater fand ich furchtbar, auch wenn der Sohn ihn nicht so schlimm dargestellt hat. Er hat ihn nur als streng empfunden. Während des Prozesses hatte ich das erste Mal einen Blick von außen auf das Familienleben werfen dürfen und bin erschrocken. Wie lieblos muss es in der Kate zugegangen sein.



    Rodericks Geschichte ist interessant, aber mir haben echte Emotionen gefehlt, gerade was die Zeit kurz vor der Tat angeht.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.