Volker Weiß - Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 861 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von finsbury.

  • Als sechstes Buch der Nominierungsliste habe ich gestern Volker Weiß´'Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes' beendet.


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    Dieses Buch ist klasse und ich möchte es allen sehr ans Herz legen, die an der gegenwärtigen politischen Situation interessiert sind und gerne wissen möchten, was sich da im rechten Spektrum eigentlich abspielt. Man trifft ja immer wieder auch auf die Auffassung, die AfD vertrete ja zum Teil auch ganz richtige Ansichten, und bei Pegida würden ja auch Fragen gestellt, die uns nun einmal unter den Nägeln brennen. Man gesteht also mehr oder weniger zu, dass es da in den Forderungen und Fragen einen 'wahren Kern' gebe - und eben nicht alles falsch und verwerflich sei.


    Diesem Gedanken begegnet nun Volker Weiß auf die denkbar beste Art und Weise. Statt einfach eine Gegenpolemik zu liefern, die zwar leicht aus der Feder flösse, am Ende jedoch nur die Konflikte weiter anheizen würde, wählt er genau den entgegengesetzten Weg. Er stellt sich den Grundideen, Forderungen, Konzepten von AfD, Pegida und Co und untersucht ihre Denkmodelle. Er fragt auch, ob deren Selbstauskünfte und die Eigenverortungen tragfähig sind. Weiß tut das auf eine sehr akkurate, mitunter ein wenig akademische Art, bleibt dabei aber ausgesprochen sachlich und unpolemisch. Das gerade macht aber seine Untersuchung umso überzeugender.


    Konkret geht Weiß folgenden Themen nach:
    - Ist die 'Neue Rechte' wirklich neu? Woher bezieht sie ihre Positionen und Denkmodelle?
    - Wer sind die Hauptstichtwortgeber und wie sind sie vernetzt? Wer beeinflusst wen und wer schreibt wo?
    - Welche Strategien verfolgt die sog. 'Neue Rechte', um Einfluss in Politik und Gesellschaft zu gewinnen?
    - Wie tragfähig ist das Konzept des 'Abendlands', das die Neue Rechte zu verteidigen gedenkt?
    - Welche Denkmodelle sind in der rechten Bewegung vorherrschend (Eurasisches Modell, Ablehnung des Universalismus, Ethnopluralismus, Verteidigung des 'Eigenen', neotribale Modelle, Neoprimitivismus, Frauenfeindlichkeit).
    - Welches ist die geeignete Antwort auf die Ansprüche der 'Neuen Rechten'


    Weiß hat enorm viel Material ausgewertet, Zeitschriften und Zeitungen der Neuen Rechten von der Jungen Freiheit über die Sezession, Hier & Jetzt bis zur Blauen Narzisse ausgewertet, Blogs gelesen, Bücher des neorechten Verlags 'Antaios' gesichtet.


    Das Ergebnis - wie oben gesagt - ist vernichtend. Die sog. 'Neue Rechte' ist nicht neu, sondern baut fundamental auf den völkisch-nationalistischen Denkmodellen der Zwischenkriegszeit nach 1920 auf. Die Agierenden sind vernetzt und auch die moderat erscheinenden Gruppen und Medien der Neurechten (wie etwa die 'Junge Freiheit') unterhalten weitreichende Verbindungen auch zu den extremen Flügeln der Bewegung. Keinesfalls trägt die Eigendarstellung der Neurechten, man vertrete im Kern klassisches 'konservatives' Gedankengut.


    Besonders stark war für mich das letzte Drittel des Buches, in dem Volker Weiß die politischen Modelle der Neurechten analysiert, nach denen sie die Gesellschaft und die internationale Politik gestalten wollen. Hier offenbaren sich autoritäre, antiliberale und antipluralistische Ideale bis hin zu einem neuen testosterongesteuerten Barbarentum (etwa des vom Antaios Verlags gehypten Autors Donovan), die den Idealen fundamentatlistischer Islamisten sehr ähneln. Folgerichtig sehen nicht wenige Vertreter der Identitären Bewegung und der Neurechten den Hauptfeind gar nicht im Islam, sondern im Liberalismus westlicher Prägung. Der Islam und seine Vertreter sind nur abzuwehren, weil ihre Männer sich nehmen, was uns gehört (unser Land, unsere Frauen) und weil sie in unser Revier eindringen. Gefährlicher als dieser Gegner von außen ist aber der Gegner von innen.


    Ein sehr empfehlenswertes Buch, das es ermöglichst, sicherer in den politischen Debatten am rechten Rand unserer Gesellschaft zu navigieren!

    Einmal editiert, zuletzt von Tomke ()

  • Dankeschön,


    eine aufschlussreiche Besprechung für ein wichtiges Buch. Leider habe ich momentan nicht den Nerv, es neben den anderen beruflich notwendigen Sachbüchern zu lesen, aber es scheint mir auch als Nachschlagewerk geeignet zu sein, insbesondere das letzte Drittel, das du ja auch besonders hervorhebst.
    Mich erschreckt der neue und anti-reflexive Ton vieler hochrangiger Politiker wie Erdogan oder Trump, und ich denke, dass der auch damit zusammenhängt, dass die Neu-Rechten weltweit salonfähig gemacht werden sollen. Damit versucht man, wie es auch diese Politiker tun, rein emotional besetzte, nicht kognitiv überprüfte Behauptungen massenwirksam einzusetzen. Auch die ganzen Anwürfe an die "Lügen"presse, die von der Pegida direkt an Trump und Erdogan weiterging, jedenfalls könnte man es zeitlich so sehen, gehören hierhin.