Zadie Smith - Swing Time

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    Mich hat von der Autorin bisher nur "Zähne zeigen" komplett überzeugt, wobei die Lektüre schon so viele Jahre zurückliegt, dass ich mich nur noch bruchstückhaft erinnere. "Von der Schönheit" hingegen empfand ich als sehr durchwachsen, ebenso wie jetzt "Swing Time", das ich nun in der deutschen Übersetzung testlesen & rezensieren durfte.
    Hier mein Eindruck:
    Ein wilder Tanz durch Zeit und Raum
    Ein Tanz der Freundschaft sozusagen, der Freundschaft zwischen Tracey und der Ich-Erzählerin, einer Freundschaft, die zerbricht: aus vielen Gründen, doch bleiben die beiden weiterhin aufeinander fokussiert. Tracey feiert zwischenzeitlich Erfolge als Tänzerin, ihre Freundin wird nach vollendetem Studium eine Art moderne Sklavin - als Assistentin in der Entourage einer weltberühmten Popsängerin.


    Willkommen in der modernen, der globalen Welt mit allen Faktoren, die darin eine Rolle spielen! Gentrifizierung, soziales Denken und Leben (schwer gemacht), soziale (Un)Gerechtigkeit, Stalking, Neid, Sehnsucht, Konkurrenz, Ausbeutung, Egoismus, Egozentrik, Popkultur, Starkult und, und und - aus der Sicht einer wahrhaft intellektuellen Autorin.


    Diese hat es mir wahrlich nicht leicht gemacht, so sehr habe ich mir gewünscht, dieses Buch zu lieben, ihm zu verfallen, wie es bei Smiths Erstling "Zähne zeigen" der Fall war, ganz und gar in dem Buch zu versinken.


    Es ist mir nicht gelungen, ich habe mich damit genauso schwer getan wie mit "Von der Schönheit". Zadie Smith, die kluge Stimme der britischen und inzwischen auch amerikanischen Welt der Migranten, trifft den Puls der Zeit, nicht jedoch meinen. Dafür ist mir der Roman zu hektisch, zu vollgestopft sowohl mit Figuren als auch mit Locations. Es fiel mir zunehmend schwerer, ihr zu folgen, die ganzen weiteren Akteure, die die beiden Kindheitsfreundinnen und ihre Familien mit Fortschreiten des Romans mehr und mehr flankierten, auch richtig einzuorden. Kurzum: am Ende der Handlung war ich verwirrt. Ich bin überaus irritiert aus einem ausgesprochen zeitgemäßen Roman aufgetaucht, einem Roman, für den offenbar ich selbst nicht genug am Puls der Zeit klebe.


    Zu viele Wechsel, ja, zu atemlos ging es für mich zu - mir fiel es vor allem in der zweiten Hälfte des Romans schwerer und schwerer, dem Rhythmus der Autorin zu folgen. Ganz klar KEIN Rhythmus, bei dem ich mitmuss ungeachtet aller Elogen, die dieser Roman bereits erfahren hat.


    Etwas für Leser, die das Schnelle, das Atemlose lieben, gerne flink voran schreiten bei ihrer Lektüre, von den Ereignissen quasi überrollt werden. Sicher ein Buch, das viele Anhänger finden wird und auch mir tut es überhaupt nicht Leid, es gelesen zu haben, auch wenn ich nicht ganz mithalten konnte!
    3ratten

  • Ach, schade!


    "On Beauty" hat mich eher genervt als beeindruckt, "Zähne zeigen" hingegen fand ich richtig klasse.


    Mal gucken, ob mir das hier mal irgendwann über den Weg läuft. Neugierig bin ich ja schon.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Zwei Mädchen lernen sich in den 80er Jahren beim Ballettunterricht kennen. Beide leben im gleichen Viertel von London (nicht gerade dem besten), beide haben einen weißen und einen schwarzen Elternteil, beide träumen von einer Karriere als Tänzerin. Talent hat allerdings nur Tracey, das Mädchen mit dem ständig abwesenden Vater und der etwas prolligen Mutter. Und nicht nur diesbezüglich unterscheiden sich die beiden. Die namenlos bleibende Erzählerin mag zwar ebenfalls aus einfachen Verhältnissen stammen, doch ihre Mutter strebt nach Höherem, kleidet sich betont geschmackvoll, nimmt ein Studium auf und beschäftigt sich mehr mit politischen und sozialen Fragen als mit dem Alltagsleben oder den Wünschen und Nöten ihrer Tochter.


    Als die Mädchen erwachsen werden, macht Tracey tatsächlich ihre Leidenschaft zum Beruf, während sich die Erzählerin zunächst eine ganze Weile treiben lässt, bis sie schließlich mehr oder weniger durch Zufall das große Los zieht und zur persönlichen Assistentin des Pop-Megastars Aimee aufsteigt. Ein Job mit viel Prestige, aber auch einer, der an die Substanz geht.


    Irgendwann setzt Aimee sich in den Kopf, eine Schule in Afrika zu gründen und zu fördern, woraufhin die Erzählerin viel Zeit im Senegal verbringt, selbst als Aimees eigenes Interesse an dem Projekt schwindet, immer stärker über ihre eigenen Wurzeln nachdenkt und sich hin- und hergerissen fühlt.


    Die Erzählerin (deren Namenlosigkeit ein wenig nervt) berichtet mit ironischem Abstand im Rückblick aus einem bewegten Leben, von den Anfängen in der Londoner Hochhaussiedlung bis zum Gipfel ihrer Karriere und dem darauffolgenden tiefen Absturz, von dem wir gleich zu Beginn des Buches erfahren.


    Die Zeit zwischen den frühen 80er Jahren und 2005 wird mit vielen Anspielungen auf Politik und Popkultur lebendig, wobei zwischen den Zeilen zahlreiche gesellschaftliche Problemstellungen angesprochen werden. Besonders deutlich fällt dabei die Kritik an der westlich-arroganten Art von "Entwicklungshilfe" aus, für die Aimee in diesem Buch steht, hochfliegende Pläne, für die man sich feiern lässt, ohne sich um Feinheiten wie Infrastruktur oder auch die Mentalität und Probleme der Einheimischen zu kümmern.


    Das zweite Hauptthema ist die Beziehung zwischen Tracey und der Erzählerin. So dicke Freundinnen, wie der Klappentext vermuten lässt, sind die beiden eigentlich nie, eher zufällig zusammengeworfene Schicksalsgenossinnen, verbunden durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse. Im Erwachsenenalter steht überdies ein einschneidender Vorfall zwischen den beiden, auf den immer wieder spannungserzeugend angespielt wird.


    Obwohl Zadie Smith eine sehr gute Erzählerin ist, konnte mich das Buch jedoch nicht vollends überzeugen. Zum einen, weil ich die Auflösung des im Hintergrund schwelenden Konflikts mit Tracey albern fand, zum anderen, weil mir trotz all der Themen, die angerissen werden, ein echter roter Faden fehlte. Die Gesellschaftskritik sitzt, doch am Ende weiß das Buch nicht, ob es nun hauptsächlich fehlgeleitete Initiativen wie Aimees Schulprojekt aufs Korn nehmen, die Geschichte einer problembelasteten Mädchenfreundschaft erzählen oder die Auseinandersetzung der Erzählerin mit ihren Wurzeln (sowohl auf den Spuren ihrer Vorfahren in Afrika als auch hinsichtlich des Verhältnisses zu ihrer nie sehr mütterlich gewesenen Mutter) sein soll ... und ist am Ende nichts so richtig.


    Gelesen habe ich es gerne, aber es hat mich etwas unzufrieden zurückgelassen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Leonard Cohen





  • Gelesen habe ich es gerne, aber es hat mich etwas unzufrieden zurückgelassen.

    Ich hatte gehofft, deine Rezi würde mir so richtig Lust auf das Buch machen. Es steht bei mir auch noch an und mit Zadie Smith habe ich sowieso meine Probleme:|

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Wie schon mal weiter oben gesagt: Ich fand "Zähne zeigen" super, von "On Beauty" war ich total genervt. Dieses hier reiht sich dazwischen durchaus im oberen Bereich ein, aber es hat mich eben nicht vollständig überzeugen können.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung


    Um nochmal das gleiche Zitat zu verwenden:

    Gelesen habe ich es gerne, aber es hat mich etwas unzufrieden zurückgelassen.

    Das spiegelt meinen Eindruck von dem Buch gut wieder. Vieles, was Zadie Smith erzählt hat, hat mir gut gefallen, aber ich habe mich über viele Dinge im Unklaren gelassen gefühlt. Dabei gab es viele einzelne Geschichten im Buch, die durchaus interessant waren. Nur kam es mir nicht so vor, als ob eine von ihnen wirklich abgeschlossen war und das hat mich gestört.


    Allerdings überlege ich mir auch, ob ich vielleicht weniger kritisch gewesen wäre, hätte ich bis jetzt nicht nur schlechte Erfahrungen mit den Büchern von Zadie Smith gemacht.

    3ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Allerdings überlege ich mir auch, ob ich vielleicht weniger kritisch gewesen wäre, hätte ich bis jetzt nicht nur schlechte Erfahrungen mit den Büchern von Zadie Smith gemacht.

    Für mich kann ich das nicht bestätigen. Ich mochte ja "Zähne zeigen" wahnsinnig gerne und war trotzdem mit dem Buch hier nicht 100% glücklich.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen