Mozart / Schikaneder – Die Zauberflöte (Operntextbuch)

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    Tatsächlich würde ich die Ausgabe von Holzinger gegenüber der Version von Reclam vorziehen;
    denn Holzinger liefert ein vollständiges Textbuch, während in meiner Reclam-Ausgabe sonderbare,
    unnachvollziehbare Kürzungen vorgenommen worden waren.




    Das Textbuch der "Zauberflöte" – zwischen Bewunderung und Spott


    Nicht nur der Text der "Zauberflöte", sondern auch das Operntextbuch (das sogenannte Libretto) im Allgemeinen, hat in der Welt der Literatur einen schweren Stand. Besonders das Konzept oder die These von der Präeminenz der Musik vor dem Text in der Oper ("Prima la musica e poi le parole" / "Erst die Musik und dann die Worte") ist Ausgangspunkt vieler Vorurteile gegenüber Operntexten. Hiernach werden beispielsweise die Libretti als intellektuell anspruchslose und schnell gemachte Nebenprodukte der Musik betrachtet. Ein Vorurteil, welches sich in vielen Fällen sogar bestätigen mag, und dennoch einen vorurteilsfreien Blick dann leider auf ebenfalls viele Fälle verstellt hat. Mozarts und Schikaneders "Zauberflöte" scheint mir hierfür ein besonders gutes Beispiel. In den Gesprächen von Eckermann und Goethe wird dieser Zwiespalt des "Zauberflöten"-Librettos zwischen großem Lob und heftiger Kritik deutlich:


    Zitat

    Wir sprachen sodann über den Text der ›Zauberflöte‹, wovon Goethe die Fortsetzung gemacht, aber noch keinen Komponisten gefunden hat, um den Gegenstand gehörig zu behandeln. Er [Goethe] gibt zu, daß der bekannte erste Teil [also Schikaneders „Zauberflöte“] voller Unwahrscheinlichkeiten und Späße sei, die nicht jeder zurechtzulegen und zu würdigen wisse; aber man müsse doch auf alle Fälle dem Autor zugestehen, daß er im hohen Grade die Kunst verstanden habe, durch Kontraste zu wirken und große theatralische Effekte herbeizuführen. (Quelle: Johann Peter Eckermann "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens")


    Goethe verteidigt hier also Schikaneder, der als Librettist (Textschreiber) der "Zauberflöte" offiziell der Hauptverantwortliche für den Operntext war, diesen aber eigentlich mit Mozart zusammen erdacht hatte. Und besonders interessant ist dabei, dass Goethe in dem "Zauberflöten"-Text scheinbar etwas erkennt und "zu würdigen" weiß, was vielen anderen hingegen entgeht.


    Im Übrigen erfahren wir aus dieser Passage, dass Goethe von der "Zauberflöte" so inspiriert worden war, dass er selbst eine "Zauberflöte", also eine Fortsetzung von Mozarts "Zauberflöte", schreiben wollte. So erklärt sich auch, dass hier von einem "erste[n] Teil" und einer "Fortsetzung" gesprochen und entsprechend unterschieden werden kann. Goethes Versuch eine Fortsetzung zu Mozarts Zauberoper zu schreiben endete allerdings in einem fragmentarischen Leselibretto: Goethes "Zauberflöte II". Ja – das "Leselibretto" gibt es sogar als eine richtige, eigene Literaturgattung, die in ihrer lebendigsten Zeit zwar vor allem in Romanen oder auch anderen Libretti oder Lesedramen mitgeliefert worden ist, aber dennoch bekannt und lebendig war. Goethes Leselibretto "Die Zauberflöte II" ist neben einem kurzweiligen Unterhaltungsstück auch auf jeden Fall ein interessantes Stück Literaturgeschichte. Denn viele Gedanken und Motive seiner "Zauberflöte II" entwickelte Goethe in anderen seiner Werke aus – hierunter wohl am deutlichsten und populärsten im "Helena"-Akt aus "Faust II".


    Ganz bemerkenswert ist übrigens, was Goethe sich gegenüber Eckermann für seinen "Helena"-Akt wünschte:


    Zitat

    »Es steckt ein ganzes Altertum darin«, sagte ich. – »Ja,« sagte Goethe, »die Philologen werden daran zu tun finden.« – »Für den antiken Teil«, sagte ich, »fürchte ich nicht, denn es ist da das große Detail, die gründlichste Entfaltung des einzelnen, wo jedes geradezu das sagt, was es sagen soll. Allein der moderne, romantische Teil ist sehr schwer, denn eine halbe Weltgeschichte steckt dahinter; die Behandlung ist bei so großem Stoff nur andeutend und macht sehr große Ansprüche an den Leser.« – »Aber doch«, sagte Goethe, »ist alles sinnlich und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der ›Zauberflöte‹ und andern Dingen der Fall ist.«
    »Es wird«, sagte ich, »auf der Bühne einen ungewohnten Eindruck machen, daß ein Stück als Tragödie anfängt und als Oper endigt.«
    (Quelle: Johann Peter Eckermann "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens")


    Also zunächst: Goethe spricht der "Zauberflöte" einen "höhere[n] Sinn" zu, welcher für die Menge der Zuschauer (die sich an der Erscheinung, dem Spektakel erfreut) scheinbar größtenteils unerkannt bleibt. Und nicht zuletzt vergleicht Goethe hier nicht die künstlerische Intention von irgendeinem Werk mit der "Zauberflöte", sondern die "Faust"-Dichtung gilt als das bedeutendste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur. Und den "Helena"-Akt besprachen Goethe und Schiller in ihren Briefen als "Gipfel" des Ganzen.

    Zitat


    Gelingt Ihnen diese Synthese des Edeln mit dem Barbarischen, wie ich nicht zweifle, so wird auch der Schlüssel zu dem übrigen Theil des Ganzen gefunden seyn, und es wird Ihnen alsdann nicht schwer seyn, gleichsam analytisch von diesem Punkt aus den Sinn und Geist der übrigen Partien zu bestimmen und zu vertheilen: denn dieser Gipfel, wie Sie ihn selbst nennen, muß von allen Punkten des Ganzen gesehen werden und nach allen hinsehen. (Schiller an Goethe)


    Vor diesem Hintergrund deutet sich doch langsam ein literarischer Wert und eine literarische Bedeutung der "Zauberflöte" an. Und sogar die Operntexttradition, ja die Tradition der Libretti, wird hier angesprochen, da ja der "Helena"-Akt (sozusagen der "Gipfel" der "Faust"-Dichtung) offensichtlich einer Oper nachempfunden ist. Und damit sind wichtige Teile der "Faust"-Dichtung (dem ja vielleicht bedeutendsten Werk der dt. Literatur) auch einem Operntextbuch nachempfunden. Beziehungsweise da ja die "Faust"-Dichtung nicht offiziell unter Leitung Goethes vertont wurde sogar eher einem Leselibretto!




    "Die Zauberflöte" und ihr Ruf als einfache Märchenoper


    Gerne wird die "Zauberflöte" als unterhaltsame, aber sehr simple Märchenoper verstanden. Oder der "Zauberflöten"-Text wird als bloßes kommerzielles Produkt betrachtet, welches allerlei populäre Strömungen der Zeit in sich aufnahm; diese Elemente aber wahllos zusammenmischte, und dies ohne den Anspruch dabei einen tieferen Zusammenhang oder gar höheren Sinn zu verfolgen. Und natürlich orientierte sich die "Zauberflöte" am Massengeschmack und an Profitmöglichkeiten. Doch dies schließt ja keine Zeitkritik oder eine tiefere Sinngebung aus. Tatsächlich ist es nämlich so, dass die "Zauberflöte" Bezug auf die gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit nimmt; und darüber hinaus auf einer abstrakten Symbolebene arbeitet.


    Es ist eigentlich recht offensichtlich, dass die "Zauberflöte" eine Freimaurer-Oper ist. Die letzten Verse der Oper gehören dem Chor der Eingeweihten, die den Sieg ihres Ordens über die Königin der Nacht verkünden:


    Zitat

    Es siegte die Stärke, und krönet zum Lohn
    Die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron'.


    Mit Weisheit, Stärke und Schönheit sind die drei Ideale der Freimaurerei angesprochen (auch als drei Säulen bekannt). Die "Zauberflöte" zeigt also den Sieg eines Freimaurer-Ordens über eine Königin der Nacht. Während der Orden der Freimaurer um 1800 für die neue Ordnung, die Aufklärung stand; lässt sich die Königin der Nacht als Monarchin natürlich als Vertreterin der alten Ordnung, des Feudalismus, der Ständeordnung des Mittelalters verstehen. Passend zum dunklen Mittelalter und heller Aufklärung natürlich auch die gegensätzliche Farbgebung: Auf der einen Seite die dunkle, verschleierte Königin der Nacht, wie das dunkle Mittelalter (engl. auch "Dark Ages"). Und dann auf der anderen Seite natürlich der Orden der Eingeweihten, dessen Vorsteher Sarastro einen Sonnenkreis trägt oder wie auch der Sieg am Ende ja durch eine Sonne gefeiert wird, was natürlich dem Begriff Aufklärung (engl. auch "Enlightenment") im Sinne von geistiger Erleuchtung entspricht.


    Also der Sieg der aufgeklärten Eingeweihten über die mittelalterliche Königin war in der österreichischen Monarchie Habsburg schon eine mutige oder vielmehr waghalsige Botschaft.


    Zumal als die "Zauberflöte" ihre Uraufführung 1791 in Wien hatte, warf die bürgerliche Revolution in Frankreich (Sturm auf die Bastille 1789) einen bedrohlichen Schatten auf die anderen Monarchien Europas. 1792 mit dem neuen Kaiser Franz II., aber auch wegen den schrecklichen Entwicklungen in Frankreich (Aufstand der Vendée und "terreur"), wurde in Wien bald sehr energisch gegen jegliches Aufrührertum vorgegangen. Verhaftungen und Strafvollzüge wirkten direkt in Schikaneders Umfeld hinein. Er selbst stand auch unter Verdacht und musste von nun an vorsichtiger agieren. Schließlich ließ Franz II. 1795 noch die Freimaurerei verbieten.


    Vor diesem Hintergrund erscheint es von Mozart und Schikaneder – beide waren übrigens wie auch Goethe Freimaurer (wobei Schikaneder aufgrund seines Lebensstils nach recht kurzer Zeit wieder aus seiner Loge geschmissen worden ist) – doch als sehr clever und geschickt, dass man ihre "Zauberflöte" auch als triviale und somit harmlose Märchenoper verstehen konnte.




    Eine Annäherung an den Inhalt – Am Beispiel "Frauenbild"


    Die einfache Zugangsmöglichkeit zur "Zauberflöte" einfach als kurzweiliges Unterhaltungsstück ist für mich im Übrigen auch ein Pluspunkt, und war meine erste Berührung mit der "Zauberflöte". Nur dann ist es ebenfalls schön, dass bei wiederholter Betrachtung die "Zauberflöte" auch die Möglichkeit gibt (für die, die denn möchten) noch weitere Dinge zu entdecken, beziehungsweise auch Dinge ganz neu zu betrachten.


    Da mir die "Zauberflöte" hier zu groß und wirklich zu komplex ist, möchte ich nur einen inhaltlichen Punkt herausgreifen bzw. aufgreifen, den ich hier im Forum zur "Zauberflöte" finden konnte (führwahr gab es doch erfreulicherweise zur "Zauberflöte" zumindest ein paar Treffer im Forum :klatschen:; wobei die Bewertung recht gemischt und durchaus sehr kritisch ausfiel). Ich denke mit diesem Punkt kann ich aber ein paar schöne und mir wichtige Elemente der "Zauberflöte" darstellen.


    Also es geht um die Frauenrolle im "Zauberflöten"-Libretto, die hier scheinbar von einem Foren-Mitglied als "total frauenfeindlich" gewertet wird, worauf ein anderes Foren-Mitglied es mit den "älteren Zeiten" zu relativieren scheint:


    Ist zwar schon eine Weile her, aber mir fiele jetzt spontan nichts ein, was mir sehr aufgestoßen wäre *überleg*


    Gib mir mal nen Tip, was Du meinst!


    Valentine, ok, also was ist zB mit dem Duett der beiden Torwächter (heißen die so?) vor Sarastros Palast: "Hütet euch vor Weibertücken"...?



    Tatsächlich wurde dem "Zauberflöten"-Libretto auch in der Sekundärliteratur schon öfters Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Dennoch sehe ich es ganz anders und würde sogar sagen:


    Das "Zauberflöten"-Libretto spielt regelrecht mit Geschlechterrollen und zeigt dabei sogar ein geradezu revolutionäres Frauenbild auf!


    Denn es scheint mir so, dass die "Zauberflöte" zwar eine Freimaurer-Oper ist, die die Ideen der Freimaurerei und Aufklärung sehr hoch schätzt und würdigt; aber dennoch lassen sich die Macher der "Zauberflöte" nicht dazu hinreißen, die Freimaurerei blind zu glorifizieren, sondern setzen eben auch kritische Töne an. Und einer dieser Kritikpunkte wäre eben die Frauenrolle in der Freimaurerei beziehungsweise der Ausschluss von Frauen aus den freimaurerischen Orden, die damals ja reine Männerorden waren. Auch Sarastros Orden von Eingeweihten in der "Zauberflöte" ist ja ein Bruderbund. Aus den Mündern dieser Ordensbrüder stammen dann ja auch die genannten Worte:


    Zitat

    "Bewahret euch vor Weibertücken:
    Dies ist des Bundes erste Pflicht!"


    Oder auch schön:


    Zitat

    "Ein Weib thut wenig, plaudert viel.
    Du Jüngling glaubst dem Zungenspiel?"


    Doch schauen wir auf die realen Handlungen der Frauen in der "Zauberflöte", dann bleibt für mich eigentlich kein Zweifel mehr offen, dass Mozart und Schikaneder eben nicht wie die Ordensbrüder dachten, sondern deren Frauenfeindlichkeit kritisieren und ironisieren wollten.


    1.) Tamino (der scheinbare Held oder wenigstens ja Hauptfigur der "Zauberflöte") muss am Anfang der "Zauberflöte" vor seinem Gegner der Riesenschlange flüchten und fällt schließlich im Angesichte der Bedrohung weibisch in Ohnmacht. Stattdessen sind es die drei Damen der Königin der Nacht, die die Schlange besiegen. – Von wegen also "Ein Weib thut wenig"!


    2.) Dies wiederholt sich dann ganz ähnlich auf dem Höhepunkt der Prüfungen, denen sich Tamino im Prüfungstempel der Eingeweihten unterziehen möchte. Als dort wo "Noth und Tod [ihm] dräun" kommt Pamina ihm zu Hilfe gesprungen, nimmt ihn bei der Hand, und führt ihn durch den Prüfungsweg:


    Zitat

    PAMINA
    Ich werde aller Orten
    An deiner Seite seyn.
    Ich selbsten führe dich;
    Die Liebe leite mich!
    nimmt ihn bey der Hand


    Dadurch bewältigt auch Pamina den Prüfungsweg und wird als Frau in den Bruderbund eingeweiht:


    Zitat

    CHOR
    Triumph, Triumph! du edles Paar!
    Besieget hast du die Gefahr!
    Der Isis Weihe ist nun dein!
    Kommt, tretet in den Tempel ein!


    Also auch hier wieder von wegen: "Ein Weib thut wenig". Darüber hinaus zeigt Paminas Einweihung in den Bund der offensichtlich freimaurerischen Brüder der "Zauberflöte" Mozarts und Schikaneders Kritik bzw. Wunsch und Hoffnung für die Zukunft der Freimaurerei: Die Öffnung der Freimaurerei für Frauen. Denn wie lassen sich die fünf Grundideale der Freimaurerei (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität) mit dem Ausschluss von Frauen vereinbaren? Die Freimaurerei hatte schöne Ideen entwickelt und war damals ihrer Zeit in vielen Punkten voraus; dies wussten Mozart und Schikaneder sehr zu schätzen. Und dennoch gab es für die Macher der "Zauberflöte" auch freimaurerische Elemente, die sie verbessern wollten – wie eben das Frauenbild und den Ausschluss von Frauen.


    Ich denke, meine Sicht auf die Frauenrolle in der "Zauberflöte" ist somit schon ganz deutlich geworden. Mein Blick ließe sich eigentlich aber noch mit einem weiteren Punkt bestärken, der mir recht wichtig ist bei der "Zauberflöte":


    3.) Die Mysterienbegeisterung


    Die Freimaurer sind ja Mysterienbegeisterte und pflegen die Kultur der Mysterien, der Mysterieneinweihung. Und so verehren ja auch die Eingeweihten-Brüder der "Zauberflöte" den Mysterienkult der ägyptischen Götter Isis und Osiris, vielleicht sogar eher mit einer Vorrangstellung der weiblichen Isis:


    Zitat

    CHOR
    Triumph, Triumph! du edles Paar!
    Besieget hast du die Gefahr!
    Der Isis Weihe ist nun dein!
    Kommt, tretet in den Tempel ein!


    Mit der Isis verehren die Eingeweihten-Brüder ja eigentlich auch eine Frau, und machen sich dann auf der anderen Seite mit ihrer Abwertung der Weiblichkeit ("Ein Weib thut wenig" etc.) nur selbst lächerlich. Und dies ist für mich auch bei der realen Freimaurerei genau der Punkt, der weder zu den fünf Grundidealen passt, noch zur Pflege und Übernahme der antiken Mysterien in die freimaurerische Mysterienkultur.


    Die antiken Mysterien sehen Gegensätze weniger in einem unvereinbaren Konflikt gegenübergestellt, sondern verstehen sie vielmehr als harmonische Ergänzungen, als eine Entfaltung der Einheit.


    Beispielsweise zeigt uns die "Zauberflöte" diese Gegensätze von Mann und Frau in Sarastro und der Königin der Nacht. In Sarastro, dem Träger des Sonnenkreises, lässt sich symbolisch die Sonne sehen. In der Königin der Nacht eine Göttin der Nacht oder Mondgöttin (Tamino: "Sag mir, guter Freund! warst du schon so glücklich, diese Göttinn der Nacht zu sehen?"). Nun ist es aber so, dass in den antiken Mysterien der Ägypter, Griechen und Römer die Sonne/Sarastro/Mann von der Nacht=Mond/Königin-der-Nacht/Frau geboren wird – a) die wie der Halbmond gehörnte Isis gebärt den Sonnengott Horus; b) die Nachtgöttin Leto/Latona gebärt den Sonnengott Apollo c) dabei fungiert die Mondgöttin Artemis/Diana als Geburtshelferin ihres Bruders und Sonnengottes Apollo.
    Es gibt dazu noch kompliziertere Ausführungen der Mysterien, die die Abhängigkeit der Gegensätze von Sonne/Licht und Nacht/Dunkelheit aufzeigen, z.B. soll Apollos Geburt durch einen Fluch der Göttin Hera auf der ganzen Erde unmöglich gemacht worden sein, wo jemals Licht die Erde berührt hatte (nach dieser Mysteriengeschichte hatte sich Hera dafür mit dem alten Lichtgott Helios zusammen getan). Auch die Apollonische Weisheit "Alles in Maßen" scheint mir auf dieses komplexe Verhältnis hinzuweisen, die eben die Demut des Lichtgottes Apollo zeigt, der bei seiner Geburt auf die Nacht (als Mutter) und Dunkelheit (gegen Heras Fluch) angewiesen war.


    Also kurz: Sarastro, der sich mit einem Sonnensymbol kleidet und das Licht sowie die Sonne verehrt, macht sich vor dem Hintergrund der Mysterien lächerlich, wenn er die Nacht und das Weibliche der Königin verspottet. Denn die Sonne (in den Mysterien) wie auch der Mann (in der Realität) werden von der Nacht bzw. der Frau geboren.


    Und nun ja, während die Gegensätze zwischen der Königin und Sarastro sich nicht so recht auflösen, zeigt die "Zauberflöte" dennoch ein positives Beispiel. Es ist ein zukunftsweisender Wink, denn die Versöhnung gelingt der jüngeren Generation: Pamina und Tamino.


    Pamina lässt sich als Tochter der Königin der Nacht recht einfach der Nacht oder noch besser dem Mond zuordnen (wie ja auch Artemis und Diana als Mondgöttinnen Töchter der Nachtgöttin sind).
    Tamino hingegen wird recht bald zumindest zum Sohn im Geiste von Sarastro. Sarastro ist ja Ordensvater und bereitet Tamino als eine Art Ziehsohn auf die Einweihung vor. Doch es gibt noch ein schöneres Bild, welches Tamino symbolhaft als Sonne zeigt: Gleich Taminos erster Auftritt führt ihn als Karikatur des Sonnengottes Apollo ein. Denn Taminos unheldenhafte Flucht ohne Pfeile vor der Riesenschlange karikiert den Kampf von Apollo gegen Python.
    (Wobei vielleicht die Fortführung charakterlicher Gegensätze hier noch einsichtiger ist: z.B. Königin/Pamina = Gefühl versus Sarastro/Tamino = Vernunft)
    Die Auflösung dieser Gegensätze von Pamina und Tamino zeigt sich dann natürlich in der Liebe, die Pamina auf den Prüfungsweg springen lässt, wo sie Tamino an die Hand nimmt und führt! Der Mond (Pamina) führt/trägt die Sonne (Tamino) – das ist ein Bild, welches besonders an die ägyptische Sonnenbarke erinnert; wo die Mondsichel die Sonnenscheibe trägt.


    Ein Bild, welches Goethe scheinbar sogar für seine Aufführung der "Zauberflöte" in Weimar nutzte, um damit die Königin der Nacht zu dekorieren:


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    Auf diesem Buch-Cover zu Goethes "Zauberflöte II" sehen wir eine Bühnenbildzeichnung von Goethe. Es zeigt eben die Königin der Nacht, wie Goethe sie bei seinen Aufführungen der "Zauberflöte" unter seiner Theaterleitung in Weimar sehen wollte. Zu sehen ist die Königin auf einer Mondsichel mit einer Aureole (körpergroßer Heiligenschein), der (wenn man sich bspw. die Königin wegdenkt) ja nichts anderes ist als ein großer Stern bzw. eine Sonne!


    In diesen vermeintlichen Kampf der absolut unvereinbaren Gegensätze von Licht/Sarastro und Dunkelheit/Königin, die häufig auch gleichgesetzt worden mit Gut und Böse, setzt Goethe also dieses harmonische Bild aus den Mysterien. Und Goethe war ja als Freimaurer ein wirklicher Eingeweihter im Sinne der Mysterienbünde oder wie sich auch die Brüder der "Zauberflöte" gerne als "Eingeweihte" bezeichnen. Vielleicht wie ja auch diese Worte Goethes über den höheren Sinn der "Zauberflöte" eben einen solchen Eingeweihten im Sinne der Mysterien meinen könnten:


    Zitat

    Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der ›Zauberflöte‹ und andern Dingen der Fall ist.


    Tja, was mag dieser höhere Sinn nun genau sein? Ich denke die Betrachtung der "Zauberflöte" über die antike und freimaurerische Mysterienkultur kann hier eine vielversprechende Annäherung bieten. Ich finde diesen Zugang jedenfalls sehr anregend; wobei es tatsächlich wohl nur ein Element ist, wie die Anknüpfungspunkte zur Zeitkritik nahe legen. So bleibt die "Zauberflöte" für mich als Ganzes ein großes Rätselwerk, dem man sich annähern kann, aber das wohl kaum absolut in nur einer Lesart auszudeuten möglich ist. Doch das ist doch auch ein Reiz, dass es immer noch etwas zu entdecken und zu diskutieren gibt.


    Am Ende hoffe ich, dass ich zeigen konnte, dass man es sich zu einfach macht, wenn man die "Zauberflöte" als einfache Märchenoper oder anspruchsloses Modestück abqualifiziert. Natürlich ist es zu letzt auch viel Geschmacks- und Interpretationssache, ob einem die "Zauberflöte" zu sagt, oder nicht. Doch gerade mit Goethes Vergleich und Würdigung sowie der Bedeutung für die "Faust"-Dichtung konnte ich vielleicht zumindest den Einfluss der "Zauberflöte" bzw. der Libretto-Tradition in der deutschen Literatur verdeutlichen; und den einen oder die andere überraschen und anregen sich einmal mit einem Libretto wie dem "Zauberflöten"-Textbuch als Lese-Literatur zu beschäftigen.

  • Sehr schöne und ausführliche Besprechung - danke! (Ich werde mir Ende Monat eine Aufführung der Zauberflöte zu Gemüte führen und bin mal gespannt. Ist ja nicht meine erste Zauberflöte; ich mag diese Oper.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Herzlichen Dank für das nette Feedback!


    Ja die "Zauberflöte" ist wirklich ein ganz besonderes Stück, welches doch für fast jeden Anknüpfungspunkte bietet.


    Was mir auch noch wichtig wäre zu sagen: Die wichtigsten Botschaften der "Zauberflöte" sind eigentlich auch heute immer noch absolut gegenwärtig und aktuell (jedenfalls so wie ich die "Zauberflöte" verstehe). Für mich geht es ja zum einen um Gegensätze, um Konflikte: alte Ordnung (Feudalismus, Kirche) gegen neue Ordnung (bürgerliche Revolution, Vernunftsglaube/Wissenschaft). Und diese Botschaft der "Zauberflöte" ist, dass beide Ordnungen positive und negative Elemente haben. Somit würde ein absoluter Vernichtungskampf, der eine Seite komplett auslöschen würde, auch Positives/Wissen/Wahrheit vernichten. Die bessere Lösung wäre also, beide Seiten in Harmonie zusammen zu bringen, damit kein Wissen verloren geht. Und darüber hinaus wäre das Beste dann: das Positive beider Ordnungen zu einer dritten Ordnung zusammenzubringen. Dies ist die Vorstellung von der Synthese (Zusammenführung von zwei Gegensätzen zu etwas Höherem = einer höheren Einheit/Ordnung).


    Hinsichtlich der Zusammenführung von Gegensätzen zu einer höheren Einheit entwirft Goethe ein schönes Bild: In seiner "Zauberflöte II" verleiht er dem Kind/Produkt aus der sexuellen Zusammenführung von Pamina (Gefühl, Tochter der Nacht) und Tamino (Vernunft, Ziehsohn von Ordensvater und Sonnenherrscher Sarastro) Flügel, wodurch sich das Kind (dann Genius genannt) des Gegensatzpaares mit seinen Flügeln tatsächlich auch bildlich als etwas Höheres zu Höherem aufschwingen kann.


    Ganz ähnlich findet sich dieses Motiv dann in dem bereits angesprochenen "Helena"-Akt. Hier hatten wir ja schon gesehen, dass Goethe und Schiller selbst von einer Synthese der Gegensätze gesprochen hatten (" diese Synthese des Edeln mit dem Barbarischen"):


    Zitat

    Gelingt Ihnen diese Synthese des Edeln mit dem Barbarischen, wie ich nicht zweifle, so wird auch der Schlüssel zu dem übrigen Theil des Ganzen gefunden seyn, und es wird Ihnen alsdann nicht schwer seyn, gleichsam analytisch von diesem Punkt aus den Sinn und Geist der übrigen Partien zu bestimmen und zu vertheilen: denn dieser Gipfel, wie Sie ihn selbst nennen, muß von allen Punkten des Ganzen gesehen werden und nach allen hinsehen. (Schiller an Goethe)


    Und natürlich ist das Edle Helena (die griechische Antike / Klassik; die Gottähnliche / Unsterbliche) und Faust das Barbarische (das dunkle Mittelalter / Romantik; der einfache Mensch / Sterbliche). Und auch ihr Kind (Euphorion genannt) hat Flügel, die ihn als etwas Höheres erheben. Goethe schrieb an Iken über seine Gedanken zum "Helena"-Akt:


    Zitat

    Ich zweifelte niemals, daß die Leser, für die ich eigentlich schrieb, den Hauptsinn dieser Darstellung sogleich fassen würden. Es ist Zeit, daß der leidenschaftliche Zwiespalt zwischen Klassikern und Romantikern sich endlich versöhne. [...] Lernen wir nicht aus dieser hohen Stelle alles in seinem wahren, physisch-ästhetischen Werteschätzen, das Älteste wie das Neueste? (Goethe an Iken)


    Also in der "Zauberflöte" haben wir den Zwiespalt von Monarchie/Kirche (alt) und Aufklärung/Wissenschaft (neu); in der "Faust"-Dichtung den Zwiespalt von Klassikern (alt) und Romantikern (neu). Beides wird ein einer Synthese zusammengeführt.


    Ich möchte nun nicht zu politisch werden, aber ich denke, es wäre ein leichtes diese Konflikte auf moderne, heutige Konflikte anzuwenden (wie ganz vielleicht Konservative und Linke; oder Westen/Aufklärung/USA/Trump und Osten/islamischeWelt).


    Aber gut, da bin ich doch ganz schön abgedriftet, wer soll das denn alles lesen. :breitgrins: Ich wollte eigentlich noch sagen:
    Noch dazu kannst Du bei Deinem Opernbesuch dann das Kunstwerk in seinem ganzen medialen Umfang genießen: Also neben dem Text, das Bühnengeschehen mit Effekten und Schauspielerei, und nicht zu letzt mit der wunderbaren Musik Mozarts. Die "Zauberflöte" war ja Mozarts vorletzte Oper und er verstarb noch im Jahre der Uraufführung 1791. Also Mozart hatte bis zur "Zauberflöte" bereits Erfahrungen machen können, auch Fehler machen können, und seine Kunst zur "Zauberflöte" dann auf den Höhepunkt entwickeln können. Auch musikalisch also eine besonders interessante Oper.


    Wobei gerade bei diesen vielen medialen Einflüssen und der teilweisen Verzerrung der sprachlichen Deutlichkeit durch den Gesang ist es natürlich auch schwierig für Text und Inhalt genügend Aufmerksamkeit aufzubringen, sodass einem doch in der Regel zumindest ein paar feine Details entgehen – Vor diesem Hintergrund also nochmal eine kleine Fürsprache für das "Zauberflöten"-Libretto als Lese- bzw. sogar Genuß-Literatur (natürlich nur wer's braucht und wen's interessiert – die "Zauberflöte" macht ja auch so Spaß und kann sogar auch so als Bühnenerlebnis zum Denken anregen; nur in meinem Fall war es tatsächlich so, dass ich mir vieles erst über den Text erschließen konnte).


    Viel Spaß in der Oper, :klatschen:
    MM

  • Unterdessen hat die Aufführung stattgefunden. Ich bin immer noch der Meinung, dass so einiges am Libretto - z.B. die plötzliche Verwandlung der Königin der Nacht in einen Rachedämon - eher dem Ungenügen Schikaneders als Librettist entspringt als bewusstem künstlerischem Kalkül.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Damit bist Du ja nicht allein. Ich sehe es halt etwas anders.


    Ich bin mir nicht sicher, wieviel hier schon dazu gesagt worden ist, aber was "die plötzliche Verwandlung der Königin der Nacht in einen Rachedämon" angeht und auch der Wertung es sei so, dass es "eher dem Ungenügen Schikaneders als Librettist entspringt als bewusstem künstlerischem Kalkül", so macht es dementgegen aus meiner Sicht schon Sinn:


    1.) Vielleicht ist die Königin schon zu Anfang latent unbeherrscht, was ihre Gefühle angeht; und es braucht nur den richtigen Auslöser (das sie sich von Sarastros Bruderbund bedroht fühlt, der Frauen in eine inferiore Rolle drängen will und ihr die Tochter geraubt hat - kann ich nachvollziehen; und dann wird ihr Herz förmlich von ihren Rachegefühlen "verkocht" - "Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen...")


    Das passt doch übrigens auch ganz gut zu der von Dir geschilderten schönen Interpretation des Züricher Opernhauses: "Hie das chaotisch-naturhaft Weibliche, dort das geordnet-zivilisierte Männliche." Wo ich dann auch den Gegensatz von chaotisch-naturhaftem GEFÜHL und geordnet-zivilisierter VERNUNFT sehen würde. Also der Gefühlsausbruch, das starke unbeherrschte Rachegefühl der Königin als Gegensatz zu Sarastros Ordensregeln der Bruderschaft, die auf Vernunft und Gefühlsunterdrückung setzen (siehe auch Taminos unterdrückte Liebesgefühle für Pamina während der Schweige-Prüfung)


    2.) Vielleicht ist die Königin am Anfang sogar noch besonders bedacht darauf, sich von einer anderen bzw. besonders positiven Seite zu zeigen; denn es geht ihr ja beim Treffen mit Tamino darum, einen Verbündeten gegen Sarastro zu gewinnen und nicht den Besucher bzw. möglichen Verbündeten gleich zu verschrecken oder gegen sich aufzubringen (irgendwo habe ich mal gelesen, dass jemand Tamino mit einem Touristen verglichen hat, der die DDR bzw. die BRD im Kalten Krieg besucht - jedes Regierungssystem versucht sich ja möglichst von seiner besten Seite zu zeigen, kaschiert seine Schwächen und will die Propaganda des Systemfeindes dementieren)


    Hach naja, aber mag schon sein, dass das Handeln der Königin etwas unwahrscheinlich ist oder jedenfalls in der Realität etwas abwegig wäre. Nur würde ich die "Zauberflöte" auf der ersten Ebene der Handlung auch weniger als realistisches Schauspiel betrachten, sondern mehr als abbildhaftes Zauberstück; wobei sich dann auf der zweiten Ebene, dieses Abbildhafte sich dann doch sehr gut auf die Realität übertragen lässt (Aufklärung/bürgerliche Revolution versus Ancien Régime/König/Kirche --- und natürlich auch der freimaurerische Diskurs über den Frauenausschluss etc.)


    Für mich ist die Botschaft der "Zauberflöte", dass kein System für sich allein die absolute Wahrheit besitzt. Von daher ist der polarisierende Diskurs bzw. auch unsere kleine Streitfrage auch irgendwie sehr passend zur "Zauberflöte", oder?!? :zwinker:

  • Der Zwei-Welten-Ansatz ist sicher bei Schikaneder vorhanden. Allerdings sind bei ihm Gut und Böse recht einseitig verteilt: Zuerst ist die Königin der Nacht die Gute (ihre drei Damen retten den völlig hilflosen und verängstigten Tamino), dann schlägt es plötzlich um: Tamino wird zum Helden, der Papageno gar auffordert, ein Mann zu sein, und die Königin der Nacht kennt nur noch Rache. Da ist ein Riss, der nicht erklärt wird noch werden kann. Ausser, man möchte hier eine übliche Entwicklung des Verhältnisses von Schwiegersohn zu Schwiegermutter sehen...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Schöner Thread!
    Wolfgang Hildesheimer, dessen umfassendes Buch "Mozart" m.W. immer noch Gültigkeit hat (ich habe mal Justus Frantz im TV sagen hören, Hildesheimer hätte alles über Mozart gesagt, was es da zu sagen gäbe) ist der gleichen Meinung, dass das Libretto der Zauberflöte seltsam gespalten sei. Ich habe das Buch leider gerade nicht hier (meine Tochter hat es mir abgeluchst), aber wenn ich mich richtig erinnere, schreibt Hildesheimer, dass man bei der Inszenierung der Zauberflöte gut beraten sei, nicht allzusehr nch evtl. darin verborgenen Weisheiten zu suchen, sondern lieber einen guten Schuss Schmierenbühne einsetzen solle.


    Ich habe mir übrigens neulich noch einmal die Inszenierung aus Bregenz 2013 noch einmal angesehen, wo die Zauberflöte sehr schön als Zauberoper gedeutet wurde. Man hatte da am Schluss sehr intensiv den Eindruck, dass Papageno und Papagena die bessere Lebensentscheidung getroffen hatten. (Hier zu sehen ab etwa 2h 20 min: Zauberflöte.)


    Ich bin überzeugt (ohne das musikalisch belegen zu können, mir fehlt die Fachkenntnis), dass Mozart selbst Papageno mehr zugetan war als Tamino, und für Schikaneder könnte durchaus das gleiche gelten. Jedenfalls hat Papageno den weitaus originelleren Text.


    Grüße von Zefira
    (edit, schenkt Herrn Frantz das t im Nachnamen)

  • Ich bin überzeugt (ohne das musikalisch belegen zu können, mir fehlt die Fachkenntnis), dass Mozart selbst Papageno mehr zugetan war als Tamino, und für Schikaneder könnte durchaus das gleiche gelten. Jedenfalls hat Papageno den weitaus originelleren Text.


    Der Clown ist immer die bessere Figur - für Leser wie für Autoren. :zwinker:


    Und die Musik ist sowieso etwas Separates: Immerhin hat Mozart der Königin der Nacht zwei grosse Arien gegönnt. Sarastro hat nur eine.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Der Zwei-Welten-Ansatz ist sicher bei Schikaneder vorhanden. Allerdings sind bei ihm Gut und Böse recht einseitig verteilt: Zuerst ist die Königin der Nacht die Gute (ihre drei Damen retten den völlig hilflosen und verängstigten Tamino), dann schlägt es plötzlich um: Tamino wird zum Helden, der Papageno gar auffordert, ein Mann zu sein, und die Königin der Nacht kennt nur noch Rache. Da ist ein Riss, der nicht erklärt wird noch werden kann. Ausser, man möchte hier eine übliche Entwicklung des Verhältnisses von Schwiegersohn zu Schwiegermutter sehen...


    1.) Naja, nachdem Tamino Papageno aufgefordert hatte ein Mann zu sein, treibt er immerhin noch Pamina in die Todesverzweiflung und fast in den Selbstmord (durch seine Gefühlsunterdrückung und sein engstirniges Beharren auf den vermeintlichen "Vernunfts"-Regeln der Priester - Stichwort "Schweige-Gebot")


    2.) Selbst auf dem Höhepunkt der Prüfungen wird Tamino (wie am Anfang durch die drei Damen) wieder einmal vom weiblichen Geschlecht gerettet; nämlich indem Pamina getrieben von ihren unbändigen Liebesgefühlen sich auf den Prüfungsweg durchschlägt und Tamino an die Hand nimmt und durch die Prüfungen führt.


    Also zwei Beispiele, die Tamino nicht so ganz einfach als den typischen, männlichen Helden zeigen; und vor allem auch noch im späteren Teil ein differenzierteres Bild der zwei Welten zeigen, welches eben nicht so einfach gleichzusetzen ist mit "Gut/Mann/Vernunft/Stärke" und "Böse/Frau/Gefühl/Schwach".


    Und nicht zu letzt:


    3.) Taminos Systemwechsel ist ein Wechsel in eine Sklavenhalter-Gesellschaft. Somit leitet Taminos Wechsel für mich keine eindeutige Wende zum Guten ein.


    Auch wenn ich einiges von Zefira nicht teilen kann, scheint mir folgender Aspekt doch hier in die richtige Richtung zu gehen und kann hier ein gutes Beispiel sein, meinen Ansatz zu verdeutlichen:



    Man hatte da am Schluss sehr intensiv den Eindruck, dass Papageno und Papagena die bessere Lebensentscheidung getroffen hatten.


    Papageno und Papagena sind ja auffälligerweise nicht Teil des Schlussbildes und feiern nicht mit beim Sieg von Sarastro und Tamino. Sie passen noch nicht rein in diese immer noch zu gefühlskalte Welt der Eingeweihten.


    Doch es gibt noch handfestere Punkte, die zeigen das Mozart und Schikaneder den Sklaven-Aspekt bewusst behandelten, z.B. relativiert Papageno die schwarze Farbe von Monostatos und sieht ihn als gleichwertigen Menschen an, während Sarastro von der schwarzen Farbe auf Monostatos Charakter zu schließen scheint.



    Ich bin überzeugt (ohne das musikalisch belegen zu können, mir fehlt die Fachkenntnis), dass Mozart selbst Papageno mehr zugetan war als Tamino, und für Schikaneder könnte durchaus das gleiche gelten. Jedenfalls hat Papageno den weitaus originelleren Text.


    Das sehe ich übrigens ganz genauso. Und es liegt auch Nahe davon auszugehen, denn gerade im Falle von Schikaneder ist es ja so, dass er Papageno im wahrsten Sinne des Wortes verkörperte - nämlich als Schauspieler auf der Bühne seines eigenen Theaters spielte Schikaneder die Rolle des Papagenos höchstpersönlich. Hier tuen sich auch interessante Parallelen auf zwischen Schikaneder und seinem alter Ego Papageno. Beispielsweise flog Schikaneder aus der Regensburger Freimaurer-Logde, weil er ein ausschweifendes Künstlerleben pflegte mit allerlei Liebesabenteuern. Es fällt leicht hinter dem bunten Papageno mit seinen amoureusen Wünschen Schikaneder selbst wieder zu entdecken. Und wie Schikaneder mit den freimaurerischen Eingeweihten in der realen Welt nicht so richtig zu recht kam, hat ja auch Papageno so seine Schwierigkeiten mit Sarastros Eingeweihten in der "Zauberflöte".


    Also leider schmerzt es mich dann einwenig (leicht pathetisch ausgedrückt :zwinker: - ist ja dennoch eine sehr nette und anregende Diskussion) so etwas zu lesen:



    Wolfgang Hildesheimer, dessen umfassendes Buch "Mozart" m.W. immer noch Gültigkeit hat [...] schreibt Hildesheimer, dass man bei der Inszenierung der Zauberflöte gut beraten sei, nicht allzusehr nch evtl. darin verborgenen Weisheiten zu suchen, sondern lieber einen guten Schuss Schmierenbühne einsetzen solle.


    Von daher sehe man es mir bitte nach, wenn ich an dieser Stelle nochmal an Goethes Sicht auf die "Zauberflöte" erinnere, der darin einen "höheren Sinn" zu erkennen glaubte; und darüber hinaus die künstlerische Intention der "Zauberflöte" immerhin mit seiner "Faust"-Dichtung verglich, für die er sich wünschte:


    Zitat

    Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der ›Zauberflöte‹ und andern Dingen der Fall ist.(Quelle: Johann Peter Eckermann "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens")


    Also auch ein Goethe mag sich irren, und am Ende ist es immer besser selber zu denken; aber vor diesem Hintergrund finde ich es doch spannend auf die Suche nach einem "höheren Sinn" in der "Zauberflöte" zu gehen. :smile:

  • Ich muss dazu sagen, dass Hildesheimer ganz offensichtlich etwas gegen die Zauberflöte hat. Er führt etliche Beispiele an, die beweisen sollen, dass Mozart nicht auf der Höhe seiner Kunst war bzw. "nicht ganz bei der Sache". Leider habe ich das Buch wie gesagt nicht bei der Hand, aber sicher ist Hildesheimer in mancher Hinsicht voreingenommen.