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Inhalt
Time and tide erzählt die Geschichte von Nells Leben. Von ihrer freudlosen Ehe und der dramatischen Scheidung, über den Kampf um die beiden Söhne und die Schwierigkeiten, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. In einer Zeit in der es für eine Frau schwierig war, unabhängig zu sein, muss sich Nell ihre Eigenständigkeit jeden Tag neu erkämpfen.
Meine Meinung,
Nells Geschichte klingt banal, aber das ist sie nicht. Das Buch beginnt am Ende, beim Tod ihres ältesten Sohns. Dann springt es zurück zum Anfang, als Nell mit ihrer Familie Irland verlässt um in London ein neues, besseres Leben anzufangen. Wann genau das ist, wird nicht gesagt. Ich vermute, es ist irgendwann in den 60er Jahren. Das würde erklären, warum die Scheidung so schwierig ist, auch wenn Nell am Scheitern der Ehe nicht unschuldig ist. Sie hat ihren Mann betrogen, woraufhin er sie mit Schweigen straft. Bald scheint es, als ob sie nicht mehr zu ihrer eigenen Familie gehört. Andere Frauen hätten die Situation wahrscheinlich ertragen weil sie sich schuldig fühlten. Nicht so Nell. Sie verlässt ihren Mann und nimmt die Jungen mit. Sie ist bereit, zu kämpfen. Wie schwer der Kampf hat sie wahrscheinlich nicht erwartet. Ich übrigens auch nicht. Dass ihr Mann einfach so über die Kinder verfügen kann und die vor aller Welt als wahnsinnig und unmoralisch hinstellt und Richter und Öffentlichkeit ihm dabei auch noch zustimmen, hat mich erschreckt. War das damals wirklich so oder ist Nell nur ein besonderer Fall?
Nach dem Prozess beginnt ein neues Leben für Nell und auch ein neuer Teil im Buch. Diese Einteilung hat mir gut gefallen, weil sich die Geschichte so auf die wichtigen Zeiten in Nells Leben beschränkt. Auch wenn gerade zwischen dem zweiten und dritten Teil viel Zeit vergeht, über die man nichts erfährt, stört mich das nicht. In jedem Teil gibt es eine neue Nell. Im ersten Teil ist sie die Kämpferin, im zweiten Teil ist sie körperlich und geistig erschöpft und im dritten Teil ist sie die Frau, die sie wahrscheinlich nie sein wollte. Ein wenig verbittert, ein bisschen wie die eigene Mutter und viel zu verschlossen.
Time and tide bringt einige Elemente mit, die für irische Romane typisch zu sein scheinen. Nell hat Schuldgefühle, weil sie Irland verlässt, ihre Söhne nicht katholisch erzogen werden, sie den Kontakt zu den Eltern verliert und sowieso den falschen Mann geheiratet hat. Jedes Mal, wenn die Sprache auf ihre alte Heimat kommt, kommen diese Schuldgefühle wieder hoch, obwohl sie in Irland nie wirklich glücklich war. Aber Edna O'Brien thematisiert diese Schuldgefühle nicht. Für sie sind sie nur ein weiteres Puzzleteilchen, die das Bild dieser Frau so interessant machen.
Auch wenn es oft ein bisschen altmodisch wirkt, hat mir Time and tide sehr gut gefallen.
Liebe Grüße
Kirsten
