Ronen Steinke - Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht

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    Klappentext:

    „Überzeugend in der Interpretation, ergreifend in der Darstellung.“ Christopher Clark, „Die Schlafwandler“


    Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte er den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess durch. Er kooperierte mit dem israelischen Geheimdienst, um Adolf Eichmann vor Gericht zu bringen. Ronen Steinke erzählt das Leben eines großen Juristen und Humanisten, dessen persönliche Geschichte zum Politikum wurde.


    „Grandios.“ Daniel Kehlmann

    „Der Glücksfall einer spannend geschriebenen politischen Biografie.“ Darmstädter Echo

    „Fesselnd.“ Neue Züricher Zeitung


    Meine Meinung:

    Ich kann mich den zitierten Stimmen auf dem Klappentext nur anschließen. Eine wirklich beeindruckende und toll geschriebene Biographie. Aber fangen wir am Anfang an.


    Auf Fritz Bauer wurde ich durch die zwei Filme „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und „Im Labyrinth des Schweigens“ aufmerksam. Ebenso auf die Problematik, der Aufklärung der NS-Verbrechen. Mir war nicht bewusst, dass erst 15 bis 20 Jahre nach dem Kriegsende die NS-Verbrechen, allen voran der Holocaust, an die Öffentlichkeit ging. Allerdings halte ich dieses Thema für absolut wichtig. So wollte ich mich auf jeden Fall noch intensiver mit Fritz Bauer beschäftigen und ich bereue keine Seite der Lektüre.

    Die Biographie ist überaus vielseitig. Die angesprochene Aufklärung der NS-Verbrechen ist so nur ein Thema des Buches. Fritz Bauer, geboren 1903, stammt aus einer jüdischen Familie. So erfahren wir an seinem Beispiel und seiner Familie, wie die Diskriminierung der Juden langsam aber sich in den 1920er Jahren Fahrt aufnahm. Auch über sein Leben im Exil in Dänemark berichtet Steinke und darüber, wie schwer es auch nach dem Krieg in der jungen Bundesrepublik für wiedergekehrte Juden war, Fuß zu fassen. Außerdem engagierte Bauer in seiner Funktion als Staatsanwalt nicht nur für die Aufklärung der NS-Verbrechen, sondern setzte sich auch für die Rechte von Schwulen ein.

    Steinke beschreibt oft lebhafte Situationen aus Bauers Leben, um auf diese dann Fakten folgen zu lassen, so dass ein sehr lebendiger Stil entsteht und das Buch wirklich fesseln kann. Doch finden sich auch recht philosophische Passagen im wahrsten Sinne des Wortes „recht“. Fritz Bauer ist Jurist, ein Rechtswissenschaftler und um über seine Motivation hinter den Auschwitzprozessen zu verstehen, geht Steinke in nicht unerheblichem Maße auf rechtswissenschaftliche Fragen ein, aus welchem Grund Gefängnis als Strafe verhängt werden kann. Dabei kann man dem Prinzip der Rache wie Hegel folgen oder dem der Prävention. Ich will hier nicht weiter ausführen, aber mit diesem Beispiel deutlich machen, dass in dem Buch mehr als lediglich die Biographie Bauers zu finden ist.


    Im Mittelteil finden sich einige Fotografien von Bauer, die die beschrieben Lebenssituationen illustrieren und einen bildlichen Eindruck von Fritz Bauer vermitteln.


    Für mich ein absolut empfehlenswertes Buch, das eine Person in den Mittelpunkt stellt, der der deutschen Nachkriegsgesellschaft einen großen Dienst erwiesen hat und dadurch mit vielen Problemen zu kämpfen hatte.

    :tipp:

  • Das Buch habe ich letztes Jahr zufällig gelesen, als ich fürs Studium andere Bücher ausgeliehen habe, kam es auch mit. Ich kann mich deiner Meinung nur anschließen. Ich bin immer noch sehr schockiert darüber, wie sein Leben verlaufen ist.


    Avila Die historische Aufarbeitung der Shoa begann sogar erst in den 80er Jahren. In Büchern über den 2ten Weltkrieg etwa, waren die Vernichtungslager zum Teil nur Randnotizen (etwa in dem Bestseller von Winston Churchill, als prominentes Beispiel) oder wurden gar nicht erwähnt. Erschreckend kommt hinzu, das durch die Tatsache, das die meisten Richter und sonstige Juristen einfach weiter machen durften, natürlich selbst auch Interesse daran hatten, das Schuldige kaum bis gar nicht belangt wurden. Dies hatte große Auswirkungen darauf, in wie weit so etwas überhaupt bei Gericht verhandelt wurde. Das betrifft auch die Medizin in hohem Maße!

  • Ja, das wird in dem Buch auch schön heraus gearbeitet. (Also die "schuldigen" Juristen, die an einer Aufklärung nicht interessiert waren, weil die Riege ja nicht ersetzt wurde.) Bauer zielte auf eine große Öffentlichkeitspräsenz in seinen Auschwitz-Prozesse ab, so dass dort wohl zum ersten Mal öffentlich die Verbrechen des Holocausts angesprochen wurden. Eine richtige Aufarbeitung ist das natürlich noch nicht, aber immerhin ein Anfang damit die Öffentlichkeit immerhin mal von dem Ausmaß erfährt. Also, ich bin immer noch der Überzeugung, dass alle Zeitzeugen das eh irgendwie mitbekommen haben müssen, aber in den 1960ern geht es ja dann vor allem um die nächste Generation und in den 80ern ist ja nochmal mehr Distanz, weil es schon die Kinder der Kinder waren.


    Ich habe auch noch ein spannendes Buch auf meinem SUB, wo es um Juristen geht, die den Holocaust mitbekommen haben und versucht haben, die Gesetze einzuhalten und sich so gegen diesen Wahnsinn gestellt haben. Mal schauen, wann ich dazu komme. Aber auf jeden Fall ein Beispiel, das zeigt, dass man nicht unbedingt im Widerstand sein musste, um die Schrecken missbilligend mitbekommen zu haben.