Valérie Perrin - Unter den hundertjährigen Linden

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    Die französische Originalausgabe dieses sehr berührenden Romans von Valérie Perrin (Fotografin und Drehbuchautorin; Lebensgefährtin des bekannten französischen Regisseurs Claude Lelouch) lautet: "Changer l'eau des fleurs" - also "Das Blumenwasser wechseln" - für mich noch passender als der deutsche Titel!

    Aus dem Französischen übersetzt wurde der Roman von Katja Hald und Elsbeth Ranke; er erschien (HC, gebunden) 2019 bei Droemer-Knaur.


    Bourgogne, Frankreich, Brancion-en-Chalon:


    Violette Toussaint, vormals Trenet, übernimmt mit ihrem Mann Philippe die Stelle als Friedhofswärterin, da Sasha, der diese Aufgabe mit viel Leidenschaft fürs Gärtnern übernommen hatte, nach Eintritt ins Rentenalter den Entschluss gefasst hat, durch die Welt zu reisen und alte Freunde zu besuchen...


    In Rückblenden lernt man die beiden Hauptprotagonisten, Violette und Philippe kennen und erfährt in verschiedenen zeitlichen Sequenzen immer mehr von ihnen: Während Violette einen schweren Start ins Leben hatte; ihre Kindheit bei Pflegeeltern verbrachte und selten das Gefühl hatte, wirklich "dazuzugehören", wächst Philippe als Einzelkind von Eltern auf, die nicht eben perfekt sind und dem Jungen eher mit auf den Weg geben, dass er niemandem trauen solle und stets an sich selbst zu denken habe; der Vater kann sich der sehr dominanten Mutter gegenüber nicht behaupten und von der Heirat mit der "sehr einfachen" Violette ist besonders die Mutter von Philippe alles andere als begeistert - schlimmer noch, sie ignoriert ihre Schwiegertochter, die fortan einfach "übersehen" wird.


    Philippe, der niemals wirklich etwas leisten musste, hatte zuvor mit Violette einen Job als Schrankenwärter inne, wobei es stets Violette ist, die die Schranken der vorüberfahrenden Züge öffnet bzw. schließt. Die Familie vergrößert sich und Violette, die nun wieder lernen will und sich John Irving's Roman "Gottes Werk und Teufels Beitrag" kauft, versucht mit Erfolg, ihre Lesekompetenz zu verbessern. Sie hat eine grundsätzlich versöhnliche Einstellung zum Leben und im Gegensatz zu Philippe fühlt sie sich weder einsam noch ist ihr langweilig: Sie hat viele Interessen - und Fantasie, während Philippe sie immer mehr alleine lässt, Touren mit seinem Motorrad unternimmt und sie betrügt. Dies berührt Violette nicht wirklich - jedoch geschieht eines Tages ein Unglück, das ihr Leben - und auch das von Philippe von grundauf ändert: Ein schwerer Verlust, dessen Schmerz der Leser nur erahnen kann, wird Violette einige Zeit lähmen, bis sie wieder zu neuer Kraft finden wird...


    In dieser Zeit lernen wir den weiteren Protagonisten kennen; Julien Seul - ein Kommissar aus Bordeaux, erscheint auf dem Friedhof (auch diesen Job meistert Violette alleine; ihr Mann Philipp fuhr immer länger weg, bis er eines Tages gar nicht mehr wiederkam), da er das Grab von Gabriel Prudent sucht. Einem Mann, der seiner Mutter einen Platz in der Ewigkeit garantierte und von dem Julien bis dato nichts wusste. Die Asche der verstorbenen Mutter, Irène Fayolle, soll im Grab von Monsieur Prudent beigesetzt werden, so wie es notariell besprochen war. In Tagebüchern, die Julien findet und die er - sich sogleich angezogen fühlend von der freundlichen und attraktiven Friedhofswärterin Violette - ihr später ausleiht, kommt eine tragische Liebesgeschichte zweier Menschen zutage, die sich wünschten, nach ihrem Tod in aller Ewigkeit vereint zu sein. Wird es Julien und Violette gelingen, zueinander zu finden?


    Die Themen dieses Romans sind sehr vielschichtig; die Lebenswege der Hauptprotagonisten sind sehr gut nachvollziehbar erzählt; es geht um Tragik, Liebe, Verlust, Schmerz, aber auch Lebensfreude und (wiedergewonnener) Lebensmut, der aus regenerierter Lebenskraft erwachsen kann. Es geht um die kleinen Dinge, die glücklich machen (können), um Pflanzen und das Gärtnern; auch vor allem darum, dass sich das Leben jeden Tag ändern kann und vor Verlust und Schmerz niemand gefeit ist. Aber vor allem geht es darum, dass man wieder aufstehen sollte, wenn das Schicksal hart an der Türe klopft. Dass Leben und Tod nahe beieinander liegen und gerade in kleinen Dingen wie Blumen, das Gärtnern, das Säen, die Pflege und das Aufkeimen von Pflanzen ein Reigen des Lebens ist, dem der Mensch viel Positives entnehmen kann: Er kann seinen eigenen Garten gestalten; so wie Violette sehr leidenschaftlich ihre Aufgaben auf "ihrem" Friedhof wahrnimmt: Ihre Zeit den Pflanzen auf dem schönen Friedhof widmet, der vier "Bezirke" hat: das Lorbeer-, Pfaffenhütchen-, Zedern- und Eibenviertel.


    So entwickelt sie auch die richtige Nähe und auch Distanz zu all den Trauernden, die ihr vertrauensvoll in ihrem "Wartezimmer" ihr Herz ausschütten; ist eine empathische Seelentrösterin, was auch Julien sofort bemerkt. Das Aussagekräftigste an diesem sehr sensibel geschriebenen, stellenweise poetischen Roman ist für mich die Tatsache, dass die Liebe letztendlich stärker ist als der Tod: Sie überlebt ihn!


    Die Figurenzeichnung ist sehr authentisch; durch die Rückblenden lernt der Leser Reaktionen der Protagonisten zu verstehen und eine sehr starke Violette Toussaint kennen, deren Charakter wirklich fesselt und beeindruckt. Während Philippe über lange Strecken wenig "punkten" kann, lernt man auch ihn am Ende von einer anderen, unbekannten Seite kennen. Einige liebenswerte Nebenfiguren wie Célia und vor allem Sasha, der Violette auf seine - fast schon therapeutische Weise - ins Leben zurückführt und sie durch ihn die Stelle als Friedhofswärterin bekommt, mochte ich auch sehr gerne. Die Gräfin, La Comtesse de Darrieux, die Violette die Geschichte ihrer großen Liebe erzählt (am Tag, als diese beigesetzt wird), bringt den Leser ebenfalls zum Schmunzeln: Auch in dieser Rolle spielt die Liebe einen ebenso wichtigen Part wie der Tod, der wiederum nur durch Liebe zu überwinden ist. Was mich an ein altes spanisches Sprichwort erinnert, das ich nie vergessen habe:


    "Jedes Mal, wenn sich in deinem Leben ein Loch auftut, fülle es mit Liebe!" Dies könnte der Tenor dieses teils melancholischen, teils tragischen, aber auch sehr poetischen und vor allem lebensbejahenden Romans von Valérie Perrin sein! Mir hat er sehr gut gefallen und ich kann diesen berührenden und zu Herzen gehenden Roman besonders jenen Menschen empfehlen, die vielleicht in letzter Zeit einen schmerzhaften Verlust - im Freundes- oder Familienkreis - durchleben mussten. Aber auch allen anderen sensiblen LeserInnen sei er sehr gerne weiterempohlen!


    4ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

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    Ich habe versucht, das Buch im französischen Original und parallel dazu zwecks besseren Verständnisses in der schwedischen Übersetzung zu lesen. Nach gut 50 französischen Seiten habe ich mit der Feststellung aufgegeben, dass das Buch nichts für mich ist.


    Dabei war das Setting für mich mit meinem Faible für Friedhöfe interessant. Aber irgendwie war nervte mich der Stil zunehmend, sowohl im Original und auch in der Übersetzung. Hinzu kamen Fragen die französische Friedhofskultur betreffend. Werden auf französische Gräber tatsächlich sofort nach Zuschaufeln des Grabes Grabsteine gestellt? Muss sich die Erde dort nicht, wie auf deutschen Gräbern, erst mal setzen? Werden die Gräber dort wirklich auch 2017 noch per Hand gegraben? Möglich ist es natürlich, aber die ganze Zeit fragte ich mich, wie genau Perrin eigentlich recherchiert hat.


    Duschen sich die Totengräber wirklich sowohl mittags als auch abends? Klingt für mich leicht übertrieben, sich mitten während eines Arbeitstages zu duschen. Wieviel haben die drei Totengräber eigentlich zu tun? Sie kümmern sich wohl zumindest teilweise auch um die Grabpflege und mähen vermutlich auch Rasen etc. aber drei Vollzeitkräfte (nehme ich an) für einen Kleinstadtfriedhof? Und was ist das für ein "Geruch des Todes" der sich im Kopf des Totengräbers Nono festsetzt?

    Ständig wurde ich im (kaum vorhandenen) Lesefluss durch diese und ähnliche Fragen unterbrochen. Natürlich kann alles seine Richtigkeit haben, aber irgendwie wurde ich mit jeder gelesenen Seite kritischer dem eben Gelesenen gegenüber. Unter solchen Umständen schien mir ein Abbruch angeraten. Schade.


    Ich habe auch noch einen Blick in die deutsche Leseprobe geworfen und dabei festgestellt, dass die deutsche Übersetzung gekürzt ist. Die ersten Absätze des 7. Kapitels wurden gestrichen, und das 8. Kapitel fehlt ganz, wie überhaupt noch ein paar Kapitel. Die deutsche Übersetzung hat laut Leseprobe 89 Kapitel, das Original 94.

    Ach ja - die Kapitelüberschriften fehlen auch.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ja, liebe Saltanah - für jede/n gibt es immer mal wieder Bücher, zu denen man keinen Zugang findet (das haben Bücher mit Menschen gemein, finde ich ;) ) Schade, dass es nix für Dich war - dann hoffe ich, dass das nächste Buch wieder sehr viel mehr zusagt!


    Interessant finde ich den "Sprachen-Vergleich" - und dass die deutsche Übersetzung dann um einiges gekürzt wurde.... :/

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)