Regine Kölpin - Wohin die Schuld uns trägt

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    Regine Kölpin - Wohin die Schuld uns trägt

    Gmeiner Verlag, Juli 2020

    346 Seiten; EUR 18.- (Klappenbroschur)

    ISBN 978-3-8392-2772-5


    Tania Lewalder redet nicht gerne über ihre früheste Vergangenheit. Wie viele aus ihrer Generation - und noch mehr der Generation zuvor - verdrängt sie ihre Erinnerungen und daraus resultierende Gefühle. Selbst der frühe Tod ihrer Tochter macht sie nicht gesprächiger gegenüber ihrer Enkelin.

    Als die 78jährige eines Tages zufällig einen heruntergekommen alten Mann vor ihrem Haus entdeckt, der sich dann verstohlen ihrem Briefkasten nähert und etwas hineinsteckt, ist sie fast schon geschockt: der Mann kommt ihr seltsam vertraut vor und seine Augen erinnern sie an eine längst vergangene Zeit. Doch ist das wirklich möglich? Durch den alten Brief, den Tania öffnet, gerät ihr Leben ins Wanken und sie erinnert sich nicht nur an ihre Kindertage, sondern allmählich bröckelt auch ihr innerer Widerstand und sie vertraut sich endlich ihrer Enkelin Malin an.


    Da der alte Mann einen Tag später ermordet aufgefunden wird, tritt noch eine weitere Frau auf den Plan: Kenza Klausen, eine junge Kommissarin, die erst ganz frisch aus Nordrhein-Westfalen in den Norden gekommen ist und auch erst einmal mit den neuen Kollegen zurechtkommen muss.


    Regine Kölpin hat vor dem Hintergrund der 1940er Jahre Erlebnisse ihrer eigenen Familie und gut recherchierte Fakten zu einem spannenden Roman verwoben. Tania ist auf einem Gutshof im heutigen Polen geboren und hat dort ihre frühe Kindheit verbracht. Die Autorin beschreibt die dortige Stimmung der deutschen Bevölkerung sehr gut - wenngleich auch kein Fokus darauf liegt, sondern auf der Sechsjährigen, die schlussendlich gemeinsam mit ihrer Mutter und der Großmutter die Flucht vor den anrückenden Sowjetsoldaten antreten muss. Noch nicht im 'Deutschen Reich' angekommen, stirbt Tanias Mutter und das Mädchen muss mit der Oma weiter fliehen - bis sie schließlich in der Nähe von Jever ankommt.

    Tanias Tränen sind seit damals versiegt, aber sie ist keine unfreundliche, unempathische Frau, sie kann nur nicht über ihre Vergangenheit reden, kann sich größtenteils nicht einmal erinnern. Zu traumatisch sind die Erlebnisse des kleinen Mädchens offenkundig gewesen - doch jetzt ändert sich etwas: nach all den Jahrzehnten erhält sie einen Brief ihrer Mutter... Tania ist innerlich extrem aufgewühlt und dann geschehen auch noch Morde in ihrer nächsten Umgebung!

    Wie hängt das alles zusammen?


    Thematisch hat mir "Wohin die Schuld uns trägt" sehr gut gefallen, ebenso wie die Art und Weise, wie Regine Kölpin über nicht gerade einfache Themen schreibt - dass aus Täter:innen nicht einfach Opfer werden, gefällt mir beispielsweise sehr gut. Mindestens genauso spannend wie die Geschehnisse damals und heute waren für mich übrigens die psychologischen Aspekte, für die die Autorin einen guten Tonfall findet: Tania hat aus Selbstschutz viele Dinge verdrängt - es ist wahrlich nicht immer eine bewusste Entscheidung, etwas nicht zu erzählen. Trotz der sehr interessanten und teilweise auch berührenden Geschichte gibt es für mich doch einen Punkt, der mich wiederholt bei der Lektüre gestört hat: es fügt sich alles zu leicht. Zu viele Zufälle für meinen Geschmack... Das beginnt schon damit, dass Tania sich hinter dem Vorhang ihres Fensters versteckt, um den alten Mann, der zu ihrem Briefkasten geht, zu beobachten - und dennoch erkennt sie direkt seine Augenfarbe und erinnert sich augenblicklich an einen Jungen, den sie über 70 Jahre zuvor zuletzt gesehen hat. Das alleine hätte ich noch schlucken können, aber zu geschmeidig fügen sich weitere Puzzleteile, von denen ich jetzt besser nichts schreibe, weil ich dann viel zu viel verrate. Anfangs nahm ich an, dass es einfach daran liegt, dass ich eine halbwegs geübte Krimileserin bin, aber nachdem es immer so weiterging und all meine Annahmen sich immer kurze Zeit darauf bestätigten, war ich dann doch enttäuscht. Mag sein, dass es der Autorin vor allem darum ging, die Geschichte von Herkunft und Schuld, von Kindheit und harter Ablehnung zu erzählen - das ist ihr unbestreitbar sehr gut gelungen -, aber der Aufbau, ist mir deutlich zu einfach, fügt sich viel zu leicht. Schade, denn ich bin mir sicher, dass ein paar Rückschläge und weniger Zufälle dem Ganzen gut getan hätten, weil sie eben zum Leben gehören - so wie die bitteren Erlebnisse von Tania leider zu der damaligen Zeit gehörten.


    3ratten

    Liebe Grüße

    Tabea