Yaniv Iczkovits - The Slaughterman's Daughter

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Titel: The Slaughterman's Daughter. The Avenging of Mende Speismann by the Hand of her Sister Fanny

    Autor: Yaniv Iczkovits


    Allgemein:

    525 S.; 2021 by MacLehose Press, 2021

    (Das Buch ist aber schon 2015 im hebräischen Original erschienen)

    Keine Übersetzung ins Deutsche bisher


    Inhalt:

    Die Einwohner von Motal, einer kleinen Stadt im Nirgendwo des Zarenreichs sind schockiert: Fanny Keismann, Ehefrau und Mutter von 5 Kindern hat ihre Familie verlassen und ist verschwunden. Was hat das alles nur zu bedeuten? Eine Frau tut so etwas einfach nicht...

    Hat das etwa mit ihrem Schwager Zwi Meir zu tun, der schon vor einiger Zeit das Weite gesucht hat? Und was hat das alles mit

    Zizek Breshov dem Fährmann zu tun? Hat er sie gar entführt? Fannys Schwiegermutter dagegen ist sich sicher, ihre Schwiegertochter war eben schon immer nicht geeignet, lieber sähe sie derren Schwester Mende in ihrem Haushalt... Aber was hat das nun alles mit den Morden zu tun, die Piotr Novak, Chef der Geheimpolizei des Zaren aufzuklären hat?


    Meine Meinung:

    Zu Beginn dachte ich, das wird ein absolutes Highlight. Und lange sah es auch total so aus. Allerdings hat mich das Buch im letzten Drittel etwas verloren. Ich fand ab da bekam es einige Längen und es hat sich mir nicht immer so ganz erschlossen, warum diese Punkte noch erzählt wurden. Es gab jedenfalls mehrere Kapitel die mir keinen Mehrwert geboten haben.

    Trotzdem fand ich den Roman über weite Strecken hinweg großartig und würde ihn daher auch immer weiter empfehlen, wenn mich jemand fragt, ob ich einen Roman zu jüdischem Leben im 19. Jahrhundert kenne.


    Was mir gefehlt hat war ein Glossar und auch ein Personenregister. Da der Roman verschiedenen Charakteren folgt, verliert man ehrlich gesagt immer mal den Überblick wer wer ist. Es gibt nämlich keine feste Reihenfolge in der diese auftauchen. Außerdem ist die Geschichte doch schon offensichtlich an ein Publikum gerichtet, das die jüdischen Begriffe kennt und sie ein zu ordnen weiß. Da hätte ich vom Verlag erwartet, eben Erläuterungen vor zu finden. Und obwohl ich mich durchaus auskenne, war mir eben nicht alles geläufig. Ich glaube in einer deutschsprachigen Übersetzung würde es einen Anhang geben.


    Nun zum eigentlichen Inhalt. Ich fand The Slaughterman's Daughter immer dann besonders lesenswert wenn es um jüdisches Leben und die jüdische Gemeinschaft geht, in der alles seinen Ausgang findet. Man merkt das der Autor hier sehr gut recherchiert hat und auch einen wissenschaftlichen Berater hatte. Es war aber lebendig erzählt und mir gefiel vor allem auch der starke Fokus auf die Frauenfiguren. Die haben kaum eine Chance aus ihrer Rolle aus zu brechen, und sobald sie verlassen werden und der Ehemann unauffindbar bleibt, haben sie so gut wie keine Möglichkeiten Gesellschaftlich wieder anerkannt zu werden. Dieser Status der Agunah (wie es im hebräischen heißt) ist damit ein Schwebezustand, der Frauen noch stärker einschränkte. Sie haben sich weiterhin wie eine Ehefrau zu verhalten, durften aber gleichzeitig nicht noch einmal heiraten. Was übrigens für den Mann nicht galt... Interessant ist hier, das Fanny im Grunde das gleiche macht wie ihr Schwager. Während aber über diesen kaum schlecht gesprochen wird, wird Fanny sofort stigmatisiert und ihre Schwiegermutter denkt sogar darüber nach, wie sie den eigenen Sohn schnell wieder verheiraten könnte und wer dafür in Frage käme.


    Das russische Zarenreich Ende des 19. Jahrhunderts war antisemitisch geprägt. Gleichzeitig ist es aber auch eine Zeit mit reicher jüdischer Kultur in diesen Gebieten, aber einer Kultur die sich von den Shtetln wegbewegte. Durch verschiedene Progrome flohen viele Juden/Jüdinnen in die USA oder in andere europäische Gebiete. Und ja, der Antisemitismus spielt durchaus eine Rolle, ist aber nicht! das Hauptthema des Buches.

    Im Zentrum stehen die vielen Geschichten, die der Autor in seinem Roman erzählt. Fanny ist dabei dreh und Angelpunkt und verbindet die eine Welt des Shtetls mit der in den Städten, den Soldaten und sogar letztendlich dem ganzen Zarenreich. Durch die verschiedenen Blickwinkel entsteht ein lebendiges Bild dieser vielen Menschen. Alle haben unterschiedliche Blicke auf die Ereignisse und dadurch auch sehr unterschiedliche Meinungen. Fanny z.B. möchte eigentlich vor allem eines: den Ehemann ihrer Schwester zurückholen, damit er sich seiner Verantwortung stellt. Doch für ihre Familie sind ihre Beweggründe nicht verständlich, sie sehen nur eine Frau die ihre Kinder im Stich lässt. Die russischen Soldaten glauben gar an eine politische Verschwörung.
    Mir persönlich gefiel ja vor allem, wie Fanny in ihre Geschichte stolpert und eigentlich fast alle andren Figuren eher zufällig involviert werden. Das ist schon ein bisschen absurd und das mochte ich sehr.

    Der Roman ist so vieles,... Einen historischer Blick auf eine Zeit die in Deutschland meist nicht aus jüdischem Blickwinkel erzählt wird. Er greift dabei auch feministische Motive auf und lässt viele Frauen zu Wort kommen, an einigen Stellen hat das Ganze auch einen tollen Humor und ist fast ein wenig absurd. Es gibt sogar Elemente von Kriminal- und Abenteuergeschichten.

    Manchmal verliert sich der Autor aber eben auch in diesen vielen Verschiedenen Aspekten und den vielen unterschiedlichen Blickwinkeln die er sehr ausführlich erzählt. Das führt dann auch zu den bereits erwähnten Längen an manchen Stellen.

    Gleichzeitig entsteht ein sehr lebendiges Bild über jüdisches Leben im Zarenreich, wenn auch der Fokus schon sehr stark auf den Figuren liegt.


    Ich fand es trotz meiner Kritikpunkte wirklich sehr gut, aber ein absolutes Highlight wurde es wie gesagt dann doch nicht mehr.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus: