Titel: Beim Häuten der Zwiebel
Autor: Günter Grass
Seitenzahl: 480
Verlag: Steidl-Verlag Göttingen
Erschienen: September 2006
ISBN: 3865213308
Preis:24,00 EUR
Inhalt:
Günter Grass erzählt von sich selbst. Vom Ende seiner Kindheit beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Vom Knaben in Uniform, der so gern zur U-Boot-Flotte möchte und sich hungernd in einem Kriegsgefangenenlager wiederfindet. Von dem jungen Mann, der sich den Künsten verschreibt, den Frauen hingibt und in Paris an der »Blechtrommel« arbeitet. Günter Grass erzählt von der spannendsten Zeit eines Menschen: den Jahren, in denen eine Persönlichkeit entsteht, geformt wird, ihre einzigartige Gestalt annimmt.
Autor:
Günter Grass (eigentlich: Günter Graß; * 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr) ist ein deutscher Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker. Grass gilt als zentraler Vertreter des insbesondere von Nachkriegsautoren der Gruppe 47 vertretenen Paradigmas der littérature engagée. Im Jahr 1999 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Meine Meinung:
Es gibt Bücher, die werden gelesen und dann reden alle darüber. Und dann gibt es Bücher, über die man redet, die aber nicht unbedingt auch gelesen wurden. Vorurteilen und Vorverurteilungen sind dann Tür und Tor geöffnet, ganz einfach, weil eigentlich nur über irgendwelche Gerüchte gesprochen und diskutiert wird, und jeder das weiter trägt was er woanders gehört oder gelesen, egal ob das jetzt den Tatsachen entspricht oder nicht.
„Beim Häuten der Zwiebel“ ist ein solches Buch, ein Buch über das endlos geredet und debattiert wird, dass aber bisher nur von einer Minderheit der Debattierer gelesen wurde.
Und es ist auch unfair, dieses Buch auf die Vergangenheit von Günter Grass bei der Waffen-SS zu reduzieren. Das ist zum einen unfair dem Autor gegenüber, aber auch dem Buch gegenüber ist es unfair.
Gerade dieses Buch besteht aus so vielem mehr.
Günter Grass unternimmt den Versuch sein Leben zu schildern, es dem Leser nahe zubringen. Aus jeder Zeile des Buches wird deutlich, dass auch Grass ein Suchender ist. Ein Suchender in den Tiefen der eigenen Vergangenheit. Er schreibt nicht einfach drauf los, vielmehr gewinnt man den Eindruck, viele Sätze hat er erst nach zähem Ringen mit sich selbst zu Papier gebracht. Man muss sogar den Eindruck gewinnen, dass er sich selbst die einzelnen Passagen wie Würmer aus der eigenen Nase gezogen hat. Dieses Buch zu schreiben, ist ihm garantiert nicht leicht gefallen. Er, der so unendlich polarisiert, der sehr oft mit dem erhobenen, moralischen Zeigefinger durch die Gegend läuft, er macht sich mit diesem Buch sehr angreifbar, zeigt er doch auch seine schwachen Seiten.
Man hat nicht den Eindruck, dass Grass Wesentliches verschweigt. Er findet, sortiert, legt weg, holt wieder hervor, schreibt nieder, relativiert – er ist sich offensichtlich bei einigen Dingen nicht unbedingt sicher, schreiben oder nicht schreiben, entscheidet sich dann aber für die Offenheit, immer mit dem Vorbehalt des Irrtums behaftet.
Verletzend ist er diesmal nicht der Günter Grass. Wenigstens nicht dritten Personen gegenüber, wenn er verletzend ist, dann vielleicht nur gegen sich selbst.
Es ist schade, dass dieses Buch bisher fast nur auf sein Outing in Bezug auf die SS-Vergangenheit von Grass reduziert wurde. Er sucht in seinem Buch sicher auch nach Entschuldigungen, oder wie er es selbst sagt nach Ausreden. Und dann machte er diese Bemerkungen dazu:
„Also Ausreden genug. Und doch habe ich mich über Jahrzehnte hinweg geweigert, mir das Wort und die Doppelbuchstaben einzugestehen. Was ich mit dummen Stolz meiner jungen Jahre hingenommen hatte, wollte ich mir nach dem Krieg aus nachwachsender Scham verschweigen. Doch die Last blieb, und niemand konnte sie erleichtern.“
Grass war gerade mal sechs Jahre alt, als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen. Er war in diesem Alter genauso formbar und beeinflussbar wie alle anderen Kinder auch. Ihm nun daraus einen Vorwurf zu machen, ist scheinheilig, unseriös und unanständig. „Der, der ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein…..“.
Will man Günter Grass, diesen Menschen mit der obligatorischen Pfeife im Mundwinkel, etwas besser kennen- und vor allen Dingen verstehen lernen, dann sollte man dieses Buch lesen. Es ist kein „Altmännerbuch“, es kein Greisengegreine, es ist kein Manifest des Selbstmitleids, es ist ein Buch welches sich oftmals schonungslos mit vergangenen Lebensjahrzehnten beschäftigt. Manche seiner Protagonisten versteht man nun besser bzw. weiß, warum sie so und nicht anders geschildert wurden.
Und es wunderbar wohltuend, endlich mal eine Autobiographie zu lesen, in der sich nicht pausenlos eigenhändig auf einen meterhohen Bewunderungs-Sockel gestellt wird.
Das Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ von Günter Grass wird nachdrücklich zur Lektüre empfohlen.
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