Esther Göbel - Die falsche Wahl. Wenn Frauen ihre Entscheidung für Kinder bereuen

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    Autorin: Esther Göbel

    Titel: Die falsche Wahl

    Untertitel: Wenn Frauen ihre Entscheidung für Kinder bereuen

    Verlag: Droemer

    Erschienen: 2016

    Seiten: 220


    Klappentext laut Amazon:

    Eine Frau, die sich dazu bekennt, ihre Mutterschaft zu bereuen. Die sich heute gegen ein Kind entscheiden würde, könnte sie die Zeit zurückdrehen. Eine Frau, die so empfindet, schweigt. Weil sie fürchtet, von anderen verurteilt zu werden. Eine israelische Studie hat das Phänomen der bereuenden Mütter erstmals untersucht. Die Journalistin Esther Göbel hat mit ihrem Artikel über diese Studie eine internationale Debatte ausgelöst und Frauen befragt, die sich dazu bekennen, ihre Mutterschaft zu bereuen. Ihr Buch beleuchtet die tieferliegenden gesellschaftlichen Hintergründe des Phänomens und geht der Frage nach, welche Rolle überzogene Ansprüche an Mütter und antiquierte Rollenbilder dabei spielen.



    Meine Meinung:


    Die Autorin dieses Buches hat in einem journalistischen Artikel über eine Studie aus Israel zum Thema "Regretting Motherhood" berichtet und damit auch eine Debatte in Deutschland losgetreten. Hier geht sie ausführlicher auf das Thema ein. In einem gut lesbaren Schreibstil erklärt sie, was unter Regretting Motherhood zu verstehen ist und erzählt die Geschichten von Betroffenen. Es geht um Frauen, die es rückblickend bereuen, Mutter geworden zu sein. Ihre Kinder lieben sie durchaus, nur sahen und sehen sie sich nie wirklich in der Mutterrolle und würden keine Kinder bekommen, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten.


    Das Kapitel, in dem Esther Göbel nach Israel reist, um sich dort ein Bild von der Gesellschaft zu machen, um besagte Studie einzuordnen, fand ich überflüssig und es brachte aus meiner Sicht auch keinen Erkenntnisgewinn. Dann fokussiert sie sich auf Deutschland und versucht u.a. in der deutschen Geschichte Antworten zu finden, warum das Mutterbild hierzulande idealisiert wird. Die gibt es natürlich, allerdings zeigt ja gerade die Studie aus Israel, dass die Diskrepanz zwischen der "perfekten Mutter" und dem Bereuen kein deutsches Phänomen ist, sondern in verschiedenen Ländern und Gesellschaften auftritt. Trotzdem ist der Überblick über das sich immer wieder wandelnde Frauenbild in Deutschland sehr interessant zu lesen.


    Über die heute häufige Erziehungsmethode des Attachment Parentings, bei der die Bindung zum Kind im Mittelpunkt steht und dieses als gleichberechtigter Mensch betrachtet und in Entscheidungen mit einbezogen wird, weiß die Autorin (selbst kinderlos!) nichts positives zu berichten. Dass es Mütter gibt, für die das eine zusätzliche Belastung ist, will ich gar nicht bestreiten. Aber Frau Göbel scheint sich nicht vorstellen zu können, dass Eltern und speziell Mütter sich bewusst für so ein Leben entscheiden und nicht unter einem Familienbett oder dem Stillen leiden. So tut die Autorin genau das, was sie den Verfechtern einen überhöhten Mutterbildes vorwirft: Sie verallgemeinert: "Zum Problem wird diese Haltung [das Attachment Parenting] nicht so sehr für die Kinder, wohl aber für die Mütter" (S.124). In diesem Zusammenhang zeigt sie sich auch erschüttert über eine Statistik, dass 86% der Mütter, die eine Kur antreten, unter Erschöpfung oder Burnout leiden. Sie wiederholt diese Zahl zweimal und rundet dann noch auf "fast alle" auf. Ja aber genau deshalb gehen sie doch auf Kur? Das ist, als wäre man überrascht, dass "fast alle" Menschen, die zum Schönheitschirurgen gehen, sich optisch verändern wollen.


    Es kommen drei deutsche Mütter zu Wort, die ihre Kinder bereuen, und die aus komplett unterschiedlichen Schichten und Lebenssituationen stammen. Es gibt dann noch einige Vergleiche zwischen dem (hier durchweg schlecht dargestellten) Deutschland und den entspannteren Müttern in Frankreich und den Müttern in Schweden, die schnell wieder (Vollzeit) arbeiten gehen. Außerdem wird aufgezeigt, dass vor allem Arbeitsmigratinnen mit Kindern und Alleinerziehende es finanziell schwer haben. Anhand von Experimenten an Mäusen konnte gezeigt werden dass die Genetik eine Rolle dabei spielen kann, wie sehr man den Drang hat, seine Nachkommen zu versorgen. Auch eigene Erfahrungen aus der Kindheit und das Umfeld können Faktoren sein.


    Die gesamte Debatte und damit auch dieses Buch lässt sich eigentlich in einem Satz zusammenfassen: Man kann jede Entscheidung im Leben bereuen, warum also nicht auch die für Kinder?

    Ein wichtiges Thema, dem hier allerdings teilweise etwas schwammig und wertend nachgegangen wurde. Ich gehe mit Göbel d'accord, dass Frauen (egal ob Mutter oder nicht) weniger aufeinander herumhacken, sich weniger gegeneinander ausspielen und weniger vergleichen sollten. Mehr Solidarität und Empathie unter Müttern wäre schön.


    3ratten

  • Danke für die Rezension.

    Ich habe mich auch hobbymäßig mit einigen Erziehungsvloggern, -bloggern und Autorinnen befasst und mit den entsprechenden Konzepten.


    Dabei fiel mir auf, dass sehr viel dogmatisch gesehen wird: Es wird vorausgesetzt, dass man ein Konzept EXAKT so, wie es der jeweilige Guru will, umsetzt. Sonst ist man ein schlechter Elternteil und schadet seinen Kindern. Teilweise werden sogar bestimmte Wörter verboten.


    Teilweise führt der Versuch, den Konzepten zu folgen, in den Eltern-Burnout.

    Davon schreiben die Autoren oft nichts (oder erzählen die Vlogger nichts) - also, es wird wenig diskutiert, wie man so etwas im Vorfeld vermeidet.

    Insofern kann ich Kritik an Attachment Parenting nachvollziehen. Es muss nicht an der Methode selbst liegen, sondern an der Art, wie die Methode promotet wird.


    Die Frage wäre also: Bedauern Mütter die Mutterschaft oder ihr Verständnis von Erziehung, die eigene (selbst-geschaffene) Überforderung? Geht es eventuell darum, diese im Vorfeld zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern, OHNE die Mutterschaft zu bedauern? Herauszufinden, was man hätte tun müssen, um möglichst erfüllend Mutter zu sein, ohne ausschließlich Mutter sein zu müssen?


    Auch hier gibt es wieder ein Label. Regretting Motherhood. Darin finden sich sicherlich einige 100%ig wieder, aber viele eben nicht und die sind dann unsicher. Gehören sie nun dazu oder jammern sie einfach auf hohem Niveau?


    Am Schluss wäre interessant, ob der Umgang mit dem Thema auch thematisiert wird. Sagt man das seinen Kindern? Wann? Gibt man die Kinder ab? Ist man dann Mutter auf Sparflamme? Sollten die Kinder das wissen oder sollte man dieses Wissen unbedingt von ihnen fernhalten oder gibt es einen Mittelweg (es den Kindern sagen, wenn sie erwachsen sind)?


    Sehr wenig ist meines Wissens zum Thema Elternburnout zu finden, also konkrete Anleitungen, wie man den verhindert, auch in unterschiedlichen Konstellationen, als arbeitende Mutter, als alleinerziehende Mutter, als Mutter mit Doppelbelastung (Kinder und pflegebedürftige Eltern oder Kinder und eigene chronische Krankheit oder so).


    Es kommt ein Thema nach dem andern raus, aber wie Eltern sich den Druck nehmen und ihre eigenen Gefühle verarbeiten können, ohne sie einfach zur Seite zu schieben und zu funktionieren, wird selten thematisiert.


    In dem Buch "Erziehen ohne Schimpfen" wird bspw. lapidar gesagt, man soll sich doch mal einen Tee machen und Schokolade genießen.

    Hinzu kommt, dass wie in dem genannten Buch die Formulierungen oft extrem missverständlich sind, oft mMn bewusst, damit es mehr Klicks und dann mehr Käufer gibt. Was ist bspw. "Schimpfen"? Ist das das Anschreien des Kindes oder die Äußerung der eigenen Frustration? Darf man als Eltern keine Frustration mehr äußern oder sollte man nur aufpassen, sein Kind damit nicht zu überfrachten, nicht zu verletzen? Ist es schlimm, wenn einem das einmal passiert oder 10 mal oder darf es niemals passieren?


    Das ist halt auch so bei dem Begriff "Regretting Motherhood". Heißt das, dass ich meine Kinder ablehne, heißt das, dass ich manchmal überfordert bin, heißt das, dass ich mir das Leben vor der Geburt meiner Kinder zurück wünsche, heißt dass, dass ich unerfüllt bin und nur schauen muss, wie ich trotz Kindern eine Erfüllung außerhalb der Mutterschaft finde? Es gäbe noch deutlich mehr Interpretationsmöglichkeiten.


    Und zum Thema Attachment Parenting: Eine spannende Frage in dem Bereich IST doch, wie Faktoren wie Social Media, Druck unter Freunden oder Verwandten, Vorstellungen von der idealen Mutter und der eigenen Erziehung (des eigenen Kindes) usw. zu so einem Bedauern führen. Ob es ohne bestimmte Einflüsse kein oder weniger Bedauern gegeben hätte.


    Interessant übrigens in unserer sonst so diversen Welt: "Regretting fatherhood" kommt nicht vor? Oder ist das egal oder weniger schlimm?

    Wenn Väter abwandern, weil sie doch das Leben mit den Kindern bereuen oder es nicht so läuft, wie sie dachten?

    Mag sein, dass das weniger schlimm ist, als wenn Mütter sich innerlich abwenden, aber es dürfte doch einen Einfluss auf das Kind haben.

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Danke für deinen Input Keshia . Viele Gedankengänge teile ich, ein paar Anmerkungen habe ich aber noch dazu:


    Sehr wenig ist meines Wissens zum Thema Elternburnout zu finden, also konkrete Anleitungen, wie man den verhindert, auch in unterschiedlichen Konstellationen, als arbeitende Mutter, als alleinerziehende Mutter, als Mutter mit Doppelbelastung (Kinder und pflegebedürftige Eltern oder Kinder und eigene chronische Krankheit oder so).

    Darum geht es bei "Regretting Motherhood" explizit nicht. Sicher ein sehr wichtiges Thema, zu dem ich mit auch mehr Literatur wünschen würde. Regretting Motherhood tritt allerdings in allen Schichten und allen Konstellationen auf - also mitnichten nur oder besonders bei Müttern mit Mehrfachbelastung etc, sondern durchaus auch bei solchen, die z.B. jahrelang einen unerfüllten Kinderwunsch vorher hatten und über ein stabiles und unterstützendes Umfeld verfügen.

    Das ist halt auch so bei dem Begriff "Regretting Motherhood". Heißt das, dass ich meine Kinder ablehne, heißt das, dass ich manchmal überfordert bin, heißt das, dass ich mir das Leben vor der Geburt meiner Kinder zurück wünsche, heißt dass, dass ich unerfüllt bin und nur schauen muss, wie ich trotz Kindern eine Erfüllung außerhalb der Mutterschaft finde? Es gäbe noch deutlich mehr Interpretationsmöglichkeiten.

    Im Buch wird das ganz gut definiert und es gibt z.B. in der ARD Mediathek eine gute Doku dazu (aus der Reihe 37 Grad, Titel "Die Mutterglück-Lüge"), in der Betroffene Mütter ihre Sicht schildern. Es geht nicht um Überforderung; es geht darum, dass man sich mit der Mutterrolle an sich nicht identifizieren kann.

    Interessant übrigens in unserer sonst so diversen Welt: "Regretting fatherhood" kommt nicht vor?

    Ich behaupte mal, dass Väter es einfacher haben, sich "aus der Affäre" zu ziehen. Ein Mann, der lieber arbeitet als sich um die Kinder zu kümmern - ganz normal, er bringt ja das Geld nach Hause. Eine Mann, der seine Familie verlässt - so ein Arsch, aber kommt immer wieder vor. Ein Mann, der offen sagt, dass er mit Kleinkinder nicht anfangen kann - ja mei, kann man verstehen und sie werden ja älter und dann kann er mit ihnen auf den Fußballplatz gehen. Aber mach/sag das mal als Frau...