Miriam Toews - Das gläserne Klavier

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    Auch wenn zwei andere Romane von Miriam Toews hier im Forum im Bereich Unterhaltungsliteratur stehen, gehört "Das gläserne Klavier" dort meiner Ansicht nach nicht hin - und das nicht nur wegen der Konstruktion und Sprache, sondern vor allem wegen des ernsten, oft traurigen Grundtons, denn in diesem Roman geht es um Suizid, daher hier auch eine entsprechende Triggerwarnung.


    Die Hauptfigur des Romans, Yoli, hatte während ihres ganzen Lebens eine enge Beziehung zu ihrer Schwester Elfrieda, die eine berühmte Pianistin geworden ist, während Yolis eigenes Leben nach zwei gescheiterten Ehen und mit einer nur mäßig erfolgreichen Karriere als Schriftstellerin eher dahindümpelt. Doch trotzdem ist Elf mit ihrem Leben nicht glücklich, sie möchte sterben, und ist zu Beginn des Romans nach wiederholten Suizidversuchen gerade mal wieder in die Psychiatrie eingeliefert worden. Yoli versucht alles, um ihrer Schwester den Lebensmut zurückzugeben, doch diese verlangt von ihr viel mehr: Sie bittet Yoli, mit ihr in die Schweiz zu fahren, damit sie dort ihrem Leben ein Ende setzen kann. Und Yoli ist hin- und hergerissen, ob sie ihrer Schwester diesen Gefallen tun soll...


    Die beiden Romanfiguren stammen, wie die Autorin selbst, aus einer mennonitischen Gemeinde in Kanada, aus der sie sich unter Schwierigkeiten mehr oder weniger gelöst haben. Die Glaubensansichten dieser Gemeinschaft machen die Auseinandersetzung mit Elfs Todeswunsch nicht einfacher, gleichzeitig ist die familiäre Unterstützung für Yoli durchaus wichtig. Doch auch die Bindung an die Familie hat ihre Schattenseiten, denn dort gab es bereits Suizide (des Vaters und einer Cousine), sodass Yoli sich auch die Frage stellt, ob es eine genetische Komponente gibt.


    Auch wenn viele Begebenheiten im Roman durchaus humorvoll geschildert werden, und ein zentrales Thema die Fähigkeit der Familienmitglieder (vor allem von Yolis Mutter) ist, auch mit schweren Schicksalsschlägen fertig zu werden, bleibt der Grundton des Buches bedrückend. Und gerade die Tatsache, dass die Autorin für Yolis Schmerz oft wunderbare Worte findet, hebt dies noch mehr hervor. Miriam Toews unterstreicht die Dichotomie von Humor und Schmerz im letzten Satz ihrer Danksagung: "Und schließlich an meine herrliche Schwester Marjorie Anne Toews: genial komisch, schmerzlich vermisst." Diese autobiographische Komponente gibt dem Roman nochmal eine andere Bedeutung, denn die Autorin setzt sich ganz persönlich mit dem Suizid ihrer einzigen Schwester auseinander und verarbeitet ihn auch in ihrem Buch.


    Es ist schwer, Elfs Verzweifeln am eigenen Leben, das sie symbolisch mit der Vorstellung eines gläsernen Klaviers, das sich in ihrem Bauch befindet und jederzeit zu Bruch gehen kann, darstellt, mit anzusehen. Trotzdem ist der Roman wirklich lesenswert, zumal diese Verzweiflung eben nie, auch in den schlimmsten Momenten, die Oberhand gewinnt. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass er für Menschen, die bereits mit dem Thema Suizid in Berührung gekommen sind, auch zu heftig sein könnte (das wird aus dem Klappentext meines Erachtens nicht deutlich genug).


    Der Roman "Das gläserne Klavier" hat mich sehr berührt und wird mir sicher noch Stoff zum Nachdenken geben, außerdem habe ich große Lust, weitere Romane der Autorin zu lesen, die einen wirklich tollen Schreibstil hat.


    5ratten