Gerbrand Bakker - Echte Bäume weinen nicht

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    Der Untertitel lautet "Warum wir die Natur Natur sein lassen sollten". Wahrscheinlich hätte mich das Buch nicht interessiert, wenn es diesen Titel gehabt hätte, weil er in meinen Augen zu platt klingt. Den niederländischen Titel finde ich fast noch interessanter als die weinenden Bäume: "Faulboden gibt es nicht" (Rotgrond bestaat niet).


    Der eher platte Untertitel und der niederländische Titel passen sehr gut zusammen. Manchmal muss man die Natur einfach machen lassen. Wenn ich im Wald unterwegs bin, höre ich immer wieder Stimmen, die sich darüber beklagen, dass Totholz nach einem Sturm nicht geräumt wird. Dabei ist genau das der Nährboden, den der Wald braucht, um sich wieder aufzubauen.


    Gerbrand Bakker erzählt in seinem Buch von zwei Wanderungen, die er durch Wälder gemacht hat. Eigentlich wollte er mit einem Bekannten den West Highland Way wandern, aber seine Flugangst hat verhindert. Also waren sie auf dem Rothaarsteig in Deutschland unterwegs und hat festgestellt, dass er eigentlich keinen Wald mag oder zumindest nicht den Wald am Steig. Ein Jahr später in Schottland gab es die nächste Enttäuschung, denn die Wälder entlang der ersten Etappen wurden gerade aufgeforstet und waren noch langweiliger als der Wald im Jahr zuvor.


    Ich kannte Gebrand Bakker bis zu diesem Buch nur als Schriftsteller, jetzt habe ich erfahren, dass er eine Ausbildung zum Gärtner gemacht und ein Haus in der Eifel hat, bei dem der Garten aufgrund seiner Hanglage eine größere Herausforderung ist, als er sich gewünscht hat. Aber er nimmt diese Herausforderung an und gestaltet den Garten, den er sich nicht nur für sich wünscht: ohne Rasen, denn ein gepflegter Rasen ist für ihn der Feind jedes Gartens.


    Aber diese Aussage trifft er mit einem Augenzwinkern und dieses Augenzwinkern habe ich bei der gesamten Lektüre gespürt. Dieses Buch ist anders als die Romane, die ich bis jetzt von Gebrand Bakker gelesen habe. Nicht nur, weil es eben kein Roman ist. Sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass der Autor nicht nur von den echten Bäumen, die nicht weinen, erzählt. Sondern ganz nebenbei auch über sich.

    4ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • "Faulboden gibt es nicht" (Rotgrond bestaat niet).

    Das Wort "rot" ("rott" gesprochen) hat im NL verschiedene Bedeutungen, die allerdings miteinander verwandt sind.

    - verfault

    - morsch

    - rot (der letzte Dreck, beschissen, Mist-)

    Und "rot" wird in Zusammenfügungen meist verwendet, um drastisch anzudeuten, dass etwas schlecht ist. Ein "rotwijf (weib) " ist ein "Miststück" oder" Luder", es gibt "rotjongens" und sogar die ganze Gesellschaft kann "rot" sein.

    Ein "rotgrond" wäre also ein Boden der nichts taugt.

    Aber nun wird es ein wenig paradox. Wenn es für den Wald gut ist, das Fallholz verrotten zu lassen, dann wäre der Faulboden ja gut, und "Faulboden gibt es nicht" als Übersetzung irreführend. Fûr meine Ohren, (die allerdings nicht die eines NL Muttersprachlers sind) bedeuted "Rotgrond bestaat niet" soviel wie "Es gibt keine schlechten Böden" oder "Es gibt keine beschissenen Böden". Das Wort "rot" entspricht oft dem deutschen "beschissen": rotweer - beschissenes Wetter.

    Offiziell gibt es im Deutschen keinen Faulboden. Und wenn ein Holländer in seinem Garten sagt: "Deze rotgrond", dann meint er, dass er untauglich ist (und nicht, dass er durch Verfaulungsprozesse entstanden ist).

  • Ich finde das nicht paradox. Ich habe es so verstanden, dass auch ein vermeintlich schlechter Boden seine Bedeutung für die Natur hat. Genauso, wie es eigentlich auch kein beschissenes Wetter gibt, sondern eher die falsche Kleidung oder vielleicht auch die Einstellung zu den gegebenen Verhältnissen ;)


    Dass im Titel rotgrond mit Faulboden übersetzt wird, finde ich persönlich nicht schlimm. Die wortwörtliche Übersetzung hätte für mich zu sperrig geklungen.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Wir sind uns, scheint mir einig, was mit dem Titel gemeint ist, Kirsten. Denn mein Verständnis ("Es gibt keine schlechten Böden" und das Deinige ("Auch ein vermeintlich schlechter Boden hat seine Bedeutung für die Natur"), die stimmen ja offensichtlich überein.

    Wo wir nicht übereinstimmen, betrifft die Frage, ob der deutsche Ausdruck "Faulboden gibt es nicht" glücklich gewählt ist. Was soll das sein, ein Faulboden? Ein Boden, der sich mit verfaultem ("verrottetem") Holz regeneriert? Gut! Aber warum soll es den nicht geben? Es gibt ihn doch, wenn auch zu wenig, vielleicht. Oder soll ich bei dem "Faulboden" an etwas denken, das dem Faultier, dem Faulpelz, dem Faulschlamm entspricht? Ein Faulboden wäre dann etwas, das keinen Nutzen hat.

    Ich habe bei Faulboden spontan an "verfaulen/verrotten" gedacht und konnte nicht verstehen, warum es den nicht geben soll. Und deshalb schien mir der Titel in dem Sinne paradox, dass er die Absicht, die der Autor mit dem Ausdruck "rotgrond" hatte, verfehlt. Wenn der deutsche Leser, andererseits, bei "Faulboden" spontan an einen nutzlosen Faulpelz denkt, dann trifft der Ausdruck die gewünschte Sache.

    Ich, meinerseits, fand den Ausdruck "Faulboden", zu dem ja der Verlag oder Übersetzer gegriffen hat, ziemlich irritierend. Offensichtlich so irritierend, dass ich diese Zeilen geschrieben habe.