Nancy Campbell - Thunderstone

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    Die Schriftstellerin Nancy Campbell bekam im Oktober 2019 einen Anruf, den niemand bekommen will: während sie einer Einladung in die Villa Concordia in Bamberg gefolgt war, erlitt ihre Lebensgefährtin einen Schlaganfall. Nancy brach ihren Aufenthalt ab und reiste nach Hause zurück, um ihrer Partnerin beizustehen.


    In Oxford musste sich Nancy aus vielen Gründen einer ungewissen Zukunft stellen. Anna und sie haben sich im Alltag verloren und eigentlich hatte sie vor, die Beziehung nach ihrem Aufenthalt in Deutschland zu beenden. Aber wie kann man jemand verlassen, die gerade einen solchen Schicksalsschlag erlitten hat? Auch die zunehmenden Gerüchte über ein Virus in China bringen Unruhe in ihr Leben und verstärken die Sorgen über die Zukunft nur noch. Dazu kommt noch das Schuldgefühl: der Schlaganfall war nicht der erste, den Anna erlitten hatte. Hätte Nancy etwas merken können, wenn sie in Oxford geblieben wäre?


    Es muss unendlich schwer gewesen sein, in dieser Situation zu sagen, dass die Beziehung beendet ist. Die beiden Frauen schaffen es irgendwie, trotzdem Freundinnen zu bleiben. Anna ist immer noch auf Nancys Hilfe angewiesen, deshalb bleibt es vorerst nur bei der emotionalen, nicht aber bei der räumlichen Trennung. Irgendwann wird aber deutlich, dass die beiden den nächsten Schritt gehen müssen und Nancy beschließt, auszuziehen. Aber wohin soll man gehen, wenn man wenig Geld und die Verpflichtung der ehemaligen Partnerin gegenüber hat?


    Nancy findet eine ungewöhnliche Lösung: einen alten Wohnwagen, den sie auf eine kleinen Streifen Land zwischen den Schienen und dem Oxford-Kanal stellt. Ein radikaler Neuanfang, denn auch wenn ihre alte Wohnung nicht groß war, ist der Wohnwagen doch noch viel kleiner und sie kann nur wenig Dinge mitnehmen. Anfangs glaubt Nancy, dass die Trennung von den vielen großen und kleinen Andenken, für die in ihrem neuen Domizil kein Platz ist, das Schwierigste ist. Aber als das geschafft ist, fangen die Schwierigkeiten erst an. Sie hat keine Ahnung vom Leben in einem Wohnwagen und ist anfangs fast täglich bei kleineren und größeren Problemen auf die Hilfe und die Erfahrung ihrer neuen Nachbarn auf den Hausbooten auf dem Kanal angewiesen. Hilfe bekommt sie auch von Sven, den sie im Krankenhaus kennengelernt hat. Aber bei ihm hatte ich manchmal das Gefühl, dass der Nancy als sein Projekt angesehen hat und sie manchmal auch in Entscheidungen hineingedrängt hat, die sie ohne ihn nie getroffen hätte. Als Covid in England zuschlägt, wird das Leben ungleich schwerer. Annas Therapie ist ausgesetzt, wodurch sie wieder auf mehr Hilfe von Nancy angewiesen ist. Gleichzeitig wird es durch den Lockdown aber auch schwerer für sie, diese Hilfe zu leisten.


    Vielleicht war es ein wenig blauäugig, mit so gut wie keiner Erfahrung in den Wohnwagen zu ziehen. Dadurch war sie immer auf Ratschläge und Hilfe von außen angewiesen und musste den anfangs Fremden fast schon blind vertrauen. Stellenweise hatte ich den Eindruck, dass Nancy mit ihrer Aufgabe überfordert war, gerade weil die Gesamtsituation so schwierig war. Ich an ihrer Stelle hätte wahrscheinlich aufgegeben, wenn ich mich überhaupt dieser Herausforderung gestellt hätte. Dass sie es geschafft hat, sich trotz aller Herausforderungen in ihrem Wohnwagen eine neue Heimat zu schaffen, finde ich bewundernswert. Allerdings zeigt sie auch deutlich, wie schwer ihr das gefallen ist. Gerade das macht ihre Geschichte für mich authentisch. Für mich war ihre Geschichte das Lesehighlight im Juni.

    5ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.