Louise Kennedy - Trespasses/Übertretung

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    Cushla Lavery wohnt mit 24 noch im Elternhaus, kümmert sich um ihre alkoholabhängige Mutter und arbeitet als Lehrerin an einer der wenigen katholischen Schulen in Belfast. Die "Troubles" sind in vollem Gange, kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über Anschläge und Morde und schon die Siebenjährigen in Cushlas Klasse sprechen routiniert über Sprengstoffanschläge und Schlägertrupps. Im familieneigenen Pub der Laverys, den Cushlas Bruder Eamonn nach dem Tod des Vaters weiter betreibt, treffen sich allerdings Stammgäste aller Couleur, um (nicht nur) abends einen zu heben.


    Als Cushla wieder einmal in der Kneipe aushilft, trifft sie erstmals auf Michael Agnew und ist spontan fasziniert von diesem Mann. Wenig später sind die beiden ein Paar, wenn auch nur heimlich. Michael ist in fast allem das krasse Gegenteil von Cushla: ungefähr doppelt so alt wie sie, ein angesehener Anwalt, der in gehobenen Kreisen verkehrt, Protestant - und verheiratet. Dennoch entspinnt sich eine leidenschaftliche Affäre zwischen den beiden, wobei Cushla deutlich spürt, dass Michael am längeren Hebel sitzt. Manchmal hat sie das Gefühl, er ließe sie am ausgestreckten Arm verhungern, doch sie kann sich nicht von ihm lösen.


    Gleichzeitig bewegt sie die Geschichte ihres kleinen Schülers Davy, dessen Familie als einzige Katholiken in einer stramm protestantischen Nachbarschaft lebt und permanent ausgegrenzt, beleidigt und diskriminiert wird und Gewalt erfahren muss. Cushla würde so gerne helfen, doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt in diesem Umfeld, in dem die Fronten so verhärtet und die Vorurteile auf beiden Seiten festgefahren sind.


    Dass die Liebesgeschichte kein gutes Ende nehmen wird, erfahren wir bereits auf den allerersten Seiten des Buches. Doch wie es zu diesem Ausgang kommt, wird erst nach und nach aufgedeckt. Nach dem kurzen Prolog im Jahre 2015 springen wir zurück in die 70er Jahre in Belfast, eine furchtbare Zeit voller Zwietracht und blutiger Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Parteien, mit viel Enge in den Köpfen und rigiden Moralvorstellungen. Dass eine katholische Lehrerin mit einem verheirateten Protestanten schläft, ist auf allen möglichen Ebenen undenkbar und böte heftigen Zündstoff, wenn es publik würde.


    Und so muss Cushla mit ihren Zweifeln und ihrem Kummer wie auch mit ihren glücklichen Momenten alleine zurechtkommen, kann sich niemandem wirklich anvertrauen und leidet gleichermaßen unter ihren eigenen Problemen wie unter der Gesamtsituation im Land.


    Auf den ersten Blick geschieht nur wenig Spektakuläres in diesem Buch und vieles wirkt wie ganz normaler, wenn auch belastender Alltag, aber dahinter ist die ständige Bedrohung und Belastung durch die explosive politische Lage sehr deutlich spürbar und vieles scheinbar Banale erhält dadurch eine ganz andere Färbung. Louise Kennedy schreibt gleichzeitig nüchtern und eindringlich und nimmt uns hautnah mit ins Nordirland der 70er, wo alles ideologisch aufgeladen und politisch ist. Gerade Menschen, die sich nicht hundertprozentig in die eine oder andere Schublade einsortieren lassen, haben es schwer, niemand kann einfach nur sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen leben und alles kann zur potentiell tödlichen Falle werden.


    Trotz alledem habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Es entwickelt einen ganz eigenen Sog und ist nicht nur die Geschichte von Cushlas persönlicher Entwicklung, sondern auch ein eindrucksvolles Gesellschaftsporträt mit gelungenen Spannungselementen. Was ich etwas schwierig fand, war die wörtliche Rede ohne Anführungszeichen, das hat mich ab und an etwas verwirrt. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten sehr mitreißenden Roman aus einer düster-bewegten Zeit.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich bin sehr gespannt (und sicherheitshalber empfehle ich es Dir hiermit noch mal ganz offiziell)! :)

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