Eva Hermann - Das Eva-Prinzip

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  • Hallo!


    Nach all den Diskussionen um Frau Herman (so schreibt sie sich, sie hat doch das "n" und das "r" ihres Mannes nicht übernommen) habe ich mich entschlossen, mal ihr erstes Werk in dieser Reihe der Rückbesinnungsschriften zu lesen. Ich gebe zu, ich ging nicht vorurteilsfrei daran, und ich habe mir das Buch auch nicht gekauft, weil ich einfach Angst hatte, dass ich es in Stücke zerreiße und in hohem Bogen rauswerfe. Mit einem Bibliotheksbuch muss man ja zwangsläufig friedlich umgehen :zwinker:


    Frau Herman also stellt uns ihre These der Gesellschaft vor, zeigt uns Wege auf, wie wir unseren uns zugeschriebenen Rollen gerecht werden können. Dabei rechnet sie knallhart mit den feministischen Bewegungen der 60er und 70er Jahre ab und entwickelt dabei fast einen Hass auf Damen wie Frau Schwarzer, die sie in entgleisenden Ausschweifungen regelrecht diffamiert. Ich muss sagen, dass Frau Schwarzer in meinem und im Leben meiner Altersgenossen keine Rolle spielt und es den Anschein hat, als habe Frau Herman persönlich mit Frau Schwarzer abzurechnen. Das hätte sie aber auch in einem Brief oder, wenn es denn öffentlich sein muss, in einem anderen Buch tun können - nach der dritten Schuldzuweisung und Beleidigung wurde das ganze Herman-Schwarzer-Getechtel dann doch langweilig.
    Zuerst geht es also darum, was Frau und Mann voneinander unterscheidet, und was die Emanzipierung der Frau, der sogenannte Feminismus, aus dem weiblichen Prinzip gemacht haben. Die Rolle der Frau ist nämlich ursprünglich, weiblich zu sein, Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen und Empathie (wobei mir der signifikante Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern, die Frau Herman sehr gern benutzt, nicht klar wurde - ich fühlte mich fast so, als spreche sie von "Sofa und Couch"), Fürsorge und Hingabe in die Gesellschaft und die Partnerschaft, am Ende auch in die Familie einzubringen. Sie spricht von Geschlechteridentitäten und untermauert all ihre Ausführungen, die offensichtlich nichts anderes beleuchten als die Schule der Psychoanalyse, mit persönlichen Anekdoten ihr bekannter oder unbekannter Frauen, die moderne Vornamen tragen und allesamt nach einem Gespräch mit Frau Herman zur Erleuchtung fanden. An dieser Stelle setzt mein größter Kritikpunkt an: Ein Buch oder eine Theorie, die an einem gesellschaftlichen Umstand etwas ändern will, braucht fundierte Hintergründe und keine scheinbaren Geschichten aus dem Leben, die allesamt wenig authentisch wirken. Zu all ihren Theorien und Statistiken, die sie anführt, fehlt der Verweis. Eine kleine Auswahl der Schriften, die sie zurate gezogen hat, wäre in einem bibliographischen Anhang nett gewesen. Dass dieser fehlt sollte eigentlich jedem zeigen, dass es sich hier nur um eine populärwissenschaftliche Schrift handeln kann und um nichts, was als Grundlage von ernsthaften Diskussionen taugt (als Anstoßpunkt für ein weiteres Auseinandersetzen mit dem Thema schon eher).
    In der Mitte des Buches war ich drauf und dran, das von mir vorhin angeführte durchzuführen und dieses Buch den ewigen Jagdgründen zuzuführen. Speziell meine ich hier die Abhandlung über das Elend der Krippenkinder. Ja, ich fühlte mich teilweise direkt beleidigt durch das, was sie "Kristin G.", einer Mutter aus "Ostdeutschland", in den Mund legte: "Alles in allem sind wir Menschen in der ehemaligen DDR zutiefst gestört." (S.123). Das mag auf den ein oder anderen Lebensbereich bei jedem individuell zutreffen :zwinker:. Diese Verpauschalisierung von bindungsunfähigen Ost-Kindern, die Zeit ihres Lebens unter der Lieblosigkeit ihrer Mutter leiden, ist aber eine Frechheit! Man kann als Mutter über Krippen denken, was man will, man kann für sich entscheiden, wie man zu diesen Einrichtungen steht, aber ganze Generationen derartig zu beleidigen, ist schon ein starkes Stück. Mich wundert, dass sie sich vor ein paar Wochen noch nach "Ostdeutschland" getraut hat, um ihre Bücher vorzustellen. Wo wir doch alle so gestört sind...
    Naja. Weiterhin werden von ihr Statistiken von Psychologen und Bindungsforschern angeführt, die ich dutzendfach auch schon anders herum gesehen habe. Darüber verliert sie kein Wort, nein, sie spricht immer von einem "wir". "Wir Frauen erkennen" oder "wir wollen" usw. Nein, Frau Herman, "ich" will nicht, dass Sie von einem "wir" sprechen! Bei Frau Herman gibt es nur schwarz und weiß, Emanzen und Nur-Mütter - und dabei vergisst sie eine sehr breite Schicht von Frauen, die irgendwo dazwischen liegen und bei diesem Streit, der zwischen diesen Extremen schwelt, zerrieben werden. Ich denke, dass unsere Gesellschaft mittlerweile soweit ist, mehrere Lebensentwürfe zu akzeptieren als die beiden "ganz oder gar nicht", auch wenn wir da noch nicht am Ende aller Träume sind.
    Zurück zu den famosen Behauptungen: Die Tendenz gehe dahin, Kinder schon mit 6 bis 8 Wochen in die Krippe zu geben (zwischen 6 bis 8 Woche und zwei Jahren sagt sie). Meine Frage ist: Wie kommt sie zu diesem Schluss? Wo gibt es solche EInrichtungen, wo zählen sie zum alltäglichen, wie es Frau Herman hier darstellt? Ich denke, sie hat da mal was gehört und besitzt nun fundierte Kenntnisse auf diesem Gebiet, die sie uns dringend mitteilen muss (hier wieder die Kritik an den fehlenden Verweisen).
    Solche Beispiele könnte ich zu Hauf bringen. Ab Seite 120 habe ich teilweise mitgeschrieben. Das ging zwischendurch echt auf keine Kuhhaut mehr.
    Aber zurück zu ihren Hauptargumenten: Das Prinzip der Weiblichkeit. Woher sie die Allgemeingültigkeit dieses Prinzips nimmt, wird nicht so ganz klar: Mal spricht sie von biologischen und psychologischen Zwängen und mal von der Schöpfung. Mit letztem Punkt hat sie bei mir natürlich gleich mal verloren, weil nichts, was irgendwie mit kirchlichen Ansichten und Philosophien zu tun hat, m.M. nach für eine wissenschaftliche Diskussion taugt. Und wie schon von anderen dargestellt: Sie nagelt sich selbst auf ein Konzept fest und verliert dabei andere Ansätze der Forschung komplett aus den Augen.
    Neben der Vermännlichung der Frauen gibt es auch noch die Verweiblichung des Mannes. So sind aber unsere Naturen nicht angelegt, meint Frau Herman, so dass es zu enormen psychischen Schäden komme. Ich finde es durchaus wünschenswert, wenn ich weiß, wie ich den Ölstand überprüfe oder einen Nagel in die Wand bekomme, und wenn mein Partner im Sitzen pinkelt (also das war ja wohl das schlechteste Beispiel, was sie sich aussuchen konnte) und Kochen kann. Überhaupt schießt sie mit ihrer Kritik weit über das Ziel hinaus, indem sie sagt, Frauen würden ja nicht nur das Konkurrenzdenken der Männer imitieren, sondern sich auch noch so kleiden (Latzhosen, Turnschuhe, kurze Haare).


    Punktum: Dieses Buch hat größtenteils gehalten, was ich mir von ihm versprochen hatte. Viel unfundierte Aussagen, sorgfältig ausgewählte Statistiken, Umfragen im persönlichen Umfeld (was sie noch bei Frau Schwarzer bemängelt) und viele, viele Halbwahrheiten. Dazu ist die Sprache auf einem Niveau, wie sie keinen Artikel in einer Zeitschrift untergekriegt hätte. Teilweise fühlte ich mich richtig als Dummerchen, als ich mir von Frau Herman meine Bestimmung erklären ließ.


    Ein paar Ansätze bei ihr kann ich allerdings nachvollziehen - nur wusste sie sie nicht richtig auszudrücken :zwinker: Die Rolle des Mannes an der Misere der Kinderlosigkeit zum Beispiel. Sie stellt die Entwicklung ausschließlich negativ dar, teilweise sogar als frau-verschuldet. Doch ich denke, man sollte die Männer nicht unterschätzen, sie wissen auch, was sie riskieren, wenn sie sich auf eine "Nur-Mutter" einlassen. Warum sollen Männer nicht das Recht haben, da mal genauer drüber nachzudenken und ihre Konsequenzen daraus zu ziehen? Überhaupt geht die Diskussion nur um die Zeit, wenn Kinder klein sind - was aber passiert mit der Frau nach den ersten drei Jahren? (Frau Herman schlägt gemeinnützige Arbeit vor, Freiwilligendienste usw. Wann hat sie gleich ihre Arbeit in dieser Richtung gemacht?) Was passiert im Falle einer Trennung (Für alle Paare in der Krise ist übrigens auch hier die Lösung gefunden: Die hohe Scheidungsrate liegt an der Überforderung der Frauen, die sich in ihren Berufen aufreiben und keine Zeit mehr für ihren Partner haben)? Bedeutet Emanzipation nicht auch Emanzipation des Mannes? Davon spricht Frau Herman nicht. Die Bestimmung der Frau ist die Fürsorge für Partner und Kind, und die Bestimmung des Mannes - die Familie versorgen. Mehr nicht. Ich hoffe, mein Partner zählt auch Fürsorge für Frau und Kind zu seinen Bestimmungen. Und ich möchte das, was ich leisten kann, einbringen. Wie auch immer das aussieht, ist meine Sache und nicht die der Schöpfung oder der Psychoanalyse.


    Alles in allem lesenswert, wenn man mal was für seinen Blutdruck tun will :zwinker: oder ein paar Diskussionsansätze sucht (denn dafür ist das Buch natürlich zu verwerten, jedem seine Meinung - aber bitte kein "wir"!). Sprachlich keine Herausforderung, eher seichte "Unterhaltung". Sicherlich ein Thema, das es zu diskutieren würdig ist.


    Keine Ratten, keine Mäuse.


    Grüße! :winken:

  • Ah - Schön! Endlich jemand, der es gelesen hat :breitgrins:


    Wenn ich die Rezi so studieren komme ich zu dem Schluss, dass mein Querlesen in dem Buch wohl gute Beispiele für den Rest gegeben hat. Einfache Rezepte gegen komplexe Probleme - garniert mit ein paar pseudo-wissenschaftlichen Einwürfen, die keiner genaueren Betrachtung standhalten.


    Alles in allem festigt sich mein Bild von dieser Frau seit über einem Jahr zu einem Gesamtwerk, das ich extrem unsympathisch finde.
    Leider finde ich Kerner genauso unsympathisch und durch den unsäglich arroganten Rauswurf von Eva Br.... sorry, Herman :zwinker: hat er sie zu einer Märtyrerin einer politischen Richtung gemacht, was sicherlich eher kontraproduktiv für den eigentlichen Konflikt war....

    Schau danach, was anderen Freude macht, dann wird klar, wie du sie am besten ärgern kannst.<br /><br />Roald Dahl

  • Ich kriege schon zu hohen Blutdruck, wenn ich bloß die Rezi lese. Das ist ja noch gruseliger, als ich gedacht habe :entsetzt:
    Daß Du es überhaupt zu ende gelesen hast...Respekt! :zwinker:


    Ich glaube, die Frau berappelt sich nicht mehr. Sie hat sich so tief in ihre wirren Argumentationen verstrickt, daß es kein Entkommen mehr geben wird. :rollen: Vor allem hätte sie wissen müssen, daß die "Nazi-Anleihen" ihr sofort das Genick brechen werden. Mir hat es gezeigt, daß die Frau wirklich null Plan hat, die angeblichen Werte dieser Zeit dienten ja nun einem ganz anderen Zweck. :rollen:


    Den Rauswurf bei Kerner finde ich zwar objektiv betrachtet auch nicht richtig, aber ich nachvollziehen kann ich das schon. Die sind alle bemerkenswert ruhig geblieben, ich wäre da schon zum Rumpelstilzchen mutiert.

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”