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Inhalt
Jesper Humlin hat es nicht leicht. Er ist ein gefeierter Lyriker, doch sein Verleger besteht darauf, dass er endlich einen Kriminalroman schreibt. Seine Freundin will ein Kind von ihm, der Kurs seiner Wertpapiere ist gefallen, und seine über achtzigjährige Mutter hat eine Agentur für Telefonsex eröffnet. Alle anderen scheinen erfolgreicher zu sein als er.
Da bringt eine Lesung im Boxclub eines alten Freundes die Wende in seinem Leben. Dort lernt er Tea-Bag, ein schwarzes Flüchtlingsmädchen, und ihre Freundinnen kennen. Sie wollen Schriftstellerinnen werden und bei Jesper Humlin in die Lehre gehen. Und nach und nach erfährt er ihre Geschichten: von Tea-Bag, die aus dem Sudan kommt und immer von einem unsichtbaren Affen erzählt, von Tanja, der Russin, die massenhaft Handys klaut und mit dem Dietrich hantiert wie andere Frauen mit dem Lippenstift, und von Leyla, die einen jungen Schweden liebt und vor dem Zorn ihrer iranischen Sippe flieht.
Als Jesper Humlin versucht, die Mädchen vor der Polizei in Sicherheit zu bringen, beschwört er ungeahnte Verwicklungen herauf, die zu einem tragikomischen Höhepunkt führen.
Meine Meinung
Eines gleich vorweg: das erste Kapitel, geschrieben aus der Sicht Tea-Bags, ist in meinen Augen das beste des ganzen Buches. Ich habe es mehrmals gelesen – vor allem wegen seiner Eindringlichkeit und seiner schönen Sprache.
Danach wechselt die Perspektive, Jesper Humlin tritt auf den Plan: ein nicht gerade in sich ruhender schwedischer Schriftsteller, dessen Ego ihn zu so abstrusen Handlungen treibt, wie absichtlich zu spät am Flughafen aufzukreuzen, um namentlich aufgerufen zu werden.
Er scheint sich von allen bevormunden zu lassen und, wenn auch widerwillig, nach jeder Pfeife zu tanzen – egal, ob es sich dabei um seine Mutter, seine Freundin, seinen Verleger, seinen Börsenmakler oder einen alten Schulfreund handelt. Jeder dieser Menschen scheint seine eigenen Vorstellungen davon zu haben, was Jesper Humlin zu tun und zu lassen hat – und um es sich nicht zu verscherzen, gibt er entweder nach oder weicht Entscheidungen immer wieder und wieder aus.
Nur dieses eine Mal nicht – aus Vermarktungsgründen bekommt er den Auftrag, doch endlich auch einmal einen Kriminalroman zu schreiben (die Selbstironie Mankells ist nicht zu überhören). Doch seit Jesper Humlin diesen geheimnisvollen Mädchen begegnet ist, hat er sich in den Kopf gesetzt, den Schweden ihr Land von einer anderen Seite aus näher zu bringen – aus Sicht der Illegalen und der Einwanderer, der Gesichtslosen, aus Sicht derer, die es eigentlich nicht gibt.
Die Welt, in die er nun eintaucht, erscheint ihm wie ein Paralleluniversum zu dem Schweden, das er bisher kannte. Er gerät in die absurdesten Situationen und lernt Dinge kennen, die er sich früher nicht einmal träumen hätte lassen. Und: er selbst verändert sich, tritt (auch im Zuge der Story) immer mehr und mehr in den Hintergrund, nimmt sich selbst nicht mehr als Dreh- und Angelpunkt der Welt wahr, räumt den Mädchen und ihren Geschichten mehr Platz ein.
Was genau diese Mädchen zu erzählen haben, was sie durchmachen mussten, wie sie gekämpft haben – und wie genau oder ungenau sie es mit der Wahrheit nehmen – das muss man selbst gelesen haben. Es erschien mir zwar unlogisch, wie eloquent sie ihre Geschichten darlegen, wenn sie selbst zu erzählen beginnen (immerhin wird am Anfang behauptet, dass sie sprachlich noch recht unsicher sind) – aber möglicherweise handelt es sich hier um ein ganz bewusst eingesetztes Stilmittel. Und was sie zu berichten wissen, entschädigt auf jeden Fall für das eine oder andere kleine Manko des Buches!
Im Anhang wird klargestellt, was der Leser die ganze Zeit ahnt: diese Mädchen sind nicht erfunden. Die gibt es wirklich, denen ist der Autor (unter welchen Umständen auch immer) tatsächlich begegnet, sie haben ihn zu diesem Buch inspiriert.
Ich lese gerne Bücher von oder über Migranten – ich will wissen, wie sie die Welt wahrnehmen, mit welchen Augen sie unsereins sehen – mit einem Wort, mich interessiert einfach, was sie zu sagen hätten, wenn ihnen jemand zuhören würde. Und „Tea-Bag“ war (nicht nur) in dieser Hinsicht eine echte Bereicherung!