Hallihallo,
wieso gibt es nur eher ja und eher nein, wieso kein ganzes ja oder ein ganzes nein?
Rachegefühle sind zwar eine zutiefst menschliche Regung, aber auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren, ist dumm und löst keine Probleme. Claire Zachanassians Leiden wird durch den Tod Ills höchstens kurzfristig gelindert, langfristig wird sich an ihrem seelischen Schaden (sofern sie überhaupt einen erlitten hat) nichts ändern, nur weil sie Ill umbringen lassen will. Im Gegenteil: Es wird schlimmer, weil man sich durch so einen Racheplan noch den Tod eines Menschen aufs Gewissen lädt. Und spätestens, wenn Ill tot und ihre Rachegelüste abgekühlt wären, würde sie sich fragen, ob die Strafe angemessen war.
Ich weiß gar nicht, ob man diese Rachgefühle überhaupt als menschliche Regung bezeichnen kann. Es ist zwar schon etwas länger her, dass ich das Buch gelesen habe, aber besonders menschlich fand ich Claire nicht mehr. Mal davon abgesehen, dass die Hälfte ihres Körpers aus Plastik und Prothesen besteht, wirkt auch ihr ganzes Verhalten eher maschinell. Ich denke nicht, dass die Ermordung für Claire noch irgendetwas mit Hass oder Befriedigung zu tun hat, sondern dass es schlicht das Ende ihrer Liste ist.
Ihr Leiden... sie leidet? Meiner Meinung nach hat sie einen Zustand erreicht, wo regliche menschlichen Empfindungen bedeutungslos sind. Glücklich wird sie ohnehin nie werden, und ich denke nicht, dass es einen Unterschied für sie macht, ob sie einen Mord auf dem Gewissen hat oder nicht. Und eigentlich geht es ihr doch auch nicht um den Tod Ills, sondern nur darum, dass sie ihn in die gleiche Situation bringt, in der sie früher war - außerhalb der Gesellschaft, die ihn trotzdem bestraft.
lg,
mondpilz