Mario Vargas Llosa - Der Krieg am Ende der Welt

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 3.198 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Katia.

  • Hallo!


    Mario Vargas Llosa's Der Krieg am Ende der Welt (La guerra del fin del mundo) erschien 1981. Für diesen Roman erhielt er den Ersten Internationalen Ritz-Hemingway-Preis.


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    Der Antichrist ward geboren
    Um Herrscher von Brasilien zu sein
    Aber der Ratgeber kommt
    Um uns von ihm zu befrein


    Brasilien, Ende des 19. Jahrhunderts. Die Monarchie wurde soeben abgeschafft und die Republik eingeführt. Aber das Land wird von Seuchen, Armut und Hungersnöten heimgesucht und die junge Republik steht den Problemen machtlos gegenüber. Gerade um diese Zeit zieht ein hochgewachsener, magerer Mann durch die geplagten Gebiete, hilft Kirchen und Friedhöfe wieder aufzubauen und verkündet das Ende der Welt. Rasch wird er den Menschen auch zu einer geistigen Stütze und es finden sich AnhängerInnen, die den Mann, der die Republik zum Antichrist und Feind ausruft, Ratgeber nennen.


    Unter seinen AnhängerInnen befinden sich berühmt-berüchtigte Cangaceiros, Banditen, die sich einen Sündenablass erhoffen; viele rechtlose LandarbeiterInnen; gescheiterte Existenzen und Parias der Gesellschaft. Gemeinsam besetzen sie Canudos, die leerstehende Fazenda des Baron Canabravo und gründen dort eine Gesellschaft der Ärmsten. Während sie Kirchen bauen, dem Ratgeber lauschen, beten und auf das Ende der Welt warten, überfallen und brennen einige von ihnen die umstehenden Fazendas nieder.


    Sie widersetzen sich auch den Gesetzen der neuen Republik: sie zahlen keine Steuern, lehnen die Volkszählung und die staatliche Ehe ab. Schnell wird daher diese Gemeinschaft einigen Institutionen zum Dorn im Auge: der Kirche, die sich gegen den falschen Prediger stellt und um ihre Autorität fürchtet; den ehemaligen Monarchisten und Feudalherren, deren Fazendas niedergebrannt werden; der jungen Republik und dem Militär. Schließlich wird ein Militärkorps nach dem anderen nach Canudos geschickt, um die Aufständischen zu zerschlagen. Und hier beginnt die Geschichte erst recht.



    Das Buch basiert auf geschichtlichen Fakten, was ihm neben der Spannung noch eine weitere Brisanz verleiht. Wenn man sich die Geschichte von Canudos durchliest, wird es klar ersichtlich, dass Vargas Llosa sich genau an das geschichtliche Gerüst hält. Innerhalb dieses Gerüstes bringt er uns in einer sehr intensiven, aber doch einfachen Sprache die Persönlichkeiten näher, ihre Motivationen und Lebensgeschichten, sodass diese grausame Episode der brasilianischen Geschichte ein Gesicht bekommt. Es ist ein grausames und brutales Buch, welches ohne große Details auskommt, d.h. die Szenen werden nicht bis ins klitzekleinste Detail ausgeschlachtet. Das verleiht dem Buch noch mehr Intensität, da es den Leser dazu bringt, über das Nichtgesagte nachzudenken.


    Vargas Llosa widmet sein Werk auch Euclides da Cunha, der diesen Konflikt in seinem Buch Krieg im Sertao beschrieben hat. Er war soweit ich das mitbekommen habe, auch Augenzeuge dieses Krieges. Angeblich soll es auch das am meisten diskutierteste, aber am wenigsten gelesene Buch Brasiliens sein. Ich habe mir das Buch dann auch gekauft, aber noch nicht angefangen zu lesen. Hier der Link zu da Cunha's Buch:

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    Und meine Wertung:
    5ratten


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()


  • Vargas Llosa widmet sein Werk auch Euclides da Cunha, der diesen Konflikt in seinem Buch „Krieg im Sertao“ beschrieben hat. Er war soweit ich das mitbekommen habe, auch Augenzeuge dieses Krieges. Angeblich soll es auch das am meisten diskutierteste, aber am wenigsten gelesene Buch Brasiliens sein. Ich habe mir das Buch dann auch gekauft, aber noch nicht angefangen zu lesen. Hier der Link zu da Cunha's Buch:



    Ist dieser Euclides da Cunha als der kurzsichtige Journalist bei Vargas Llosa ins Buch eingegangen? - Vom "Krieg am Ende der Welt" kann man schlicht feststellen, dass es ein außergewöhnliches und großartiges Werk ist. Wie vieles vom Autor.


    Hast du mit da Cunha schon begonnen - bzw. kannst du was drüber berichten? Freue mich selbst schon auf die Lektüre, ich hoffe, es lohnt sich.


    Grüße


    s.

  • Hallo nikki,


    Das Buch steht schon länger auf meiner To-buy-Liste. Da ich bereits für 2008 eine vorläufige Leseliste habe, sehe ich vor 2009 keinen Platz. Auch durch die gute Rezi (Danke!) rutscht es jetzt nicht weiter nach vorne. Hoffentlich kommt bis dahin beruflich oder privat nichts dazwischen...


    Gruß, Thomas

  • Hallo!


    @scheichsbeutel^, mit da Cunha habe ich leider noch nicht begonnen. Momentan lese ich einen anderen peruanischen Schriftsteller (Alfredo Bryce Echenique). Aber der kurzsichtige Journalist könnte wirklich für da Cunha stehen. Auf alle Fälle stimme ich Dir zu, dass es ein großartiges Werk ist.


    @klassikfreund, das Buch ist wirklich lesenswert! Vielleicht schaffst Du es doch, 2008 ein Plätzchen für Vargas Llosa zu finden.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

  • Eigentlich gibt es Nikkis Rezi nicht viel hinzuzufügen, da meine Eindrücke sehr ähnlich sind, nichtsdestotrotz hier meine Rezi:


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    Das Ende der Welt: der Sertao im brasilianische Bundestaat Bahia.
    Der Krieg: das brasilianische Militär gegen die Kommune des religiösen Fanatikers Ratgeber.
    Die Drahtzieher: Großgrundbesitzer und Politiker in der jungen Republik Brasilien.
    Die Zeit: Ende des 19. Jahrhunderts.


    Der "Ratgeber" ist ein Wanderprediger, der im Laufe der Zeit eine Schar von Jüngern - Ausgestoßenen, Mißgebildeten, ehemaligen Verbrechern, den Ärmsten der Armen - um sich versammelt. Die Einführung der Steuern und der Zivilehe sehen sie als Teufelswerk an und gründen in Canudos eine Siedlung, die schon bald großen Zulauf erhält. Der Ratgeber wird als eine Art neuer Messias verehrt.
    Doch nicht nur Baron de Canabrava, dem die Fazenda Canudos gehörte, hat etwas gegen diese Gemeinschaft, auch die Progressive Republikanische Partei versucht die Situation für ihre politischen Ziele auszunützen und der Kirche ist sie sowieso ein Dorn im Auge. Und dann ist da noch Galileo Gall, der schottische Weltenbummler und Revolutionär, der glaubt, die Gemeinschaft in Canudo seht für die Ideale des Kommunismus. Im Hintergrund werden Intrigen geschmiedet und an versteckten Strippen gezogen und schnell wird klar, Canudo muss weg, schon haben Tausende Menschen dort ein neues Zuhause gefunden, entziehen sich den herrschenden Autoritäten.
    Der "Krieg" gegen die Gemeinschaft, der von Beginn an für die Militärs mit all ihrer Erfahrung und Waffen schon gewonnen zu sein scheint, zieht sich in die Länge, denn die Jaguncos aus Canudo kämpfen um ihr Leben mit allem Geschick, mit ihrer Ortskenntnis und allen Waffen, die sie auftreiben können.


    Wie bei Vargas Llosa nicht anders zu erwarten, ist diese umfangreiche Geschichte nicht chronologisch erzählt, sondern sprunghaft und aus Sicht vieler verschiedener Figuren ohne dass der Leser den roten Faden verliert. Seine Erzählweise passt zur chaotischen Kriegsführung und dem Durcheinander, das in und um Canudos herrscht - auch zur unsicheren politischen Situation im Lande.


    Über 700 Seiten lang wird gekämpft für Ideale, um das nackte Leben, vergewaltigt, gelitten, intrigiert - blutig und lebensnahe. Um so bedrückender als der Roman auf einer wahren Begebenheit beruht. Der Autor vernachlässigt dabei weder das große Ganze noch die Einzelschicksale: eine Fülle von Figuren verfolgt der Leser mit ihrem ganz individuellen Schicksal durch die Wirren der Zeit.


    Mag auch die heitere Note fehlen, die ich bei Vargas Llosa so mag (z.B. die wunderbare "Tante Julia und ihr Kunstschreiber"), so hat mich dieses Buch doch sehr nachhaltig beeindruckt. Zwar hatte ich beim Lesen immer wieder den Eindruck, das Buch habe Längen und hätte auch knapper erzählt werden können, aber bei Nachklingenlassen hat sich dieser Eindruck verflüchtigt: Vargas Llosa schafft einen kompletten menschlichen Rahmen um die historischen Fakten - er hat diesem unwürdigen Krieg nicht ein sondern die vielen Gesichter gegeben, die er hatte.
    Ein ernstes und bewegendes Buch von einem meiner Lieblingsautoren, das ich nur mit einer dicken Empfehlung und 5ratten versehen kann!


    Katia