Hallo, ihr beiden,
ich hab's auch geschafft und doch, ich bin immer noch sehr angetan!
Hier mein Abschlussstatement:
Richard Powers: Der Klang der Zeit – The time of our singing
Der umfangreiche Roman schildert die Probleme einer gemischtrassigen amerikanischen Familie im 20. Jahrhundert. Delia Daley, eine Afroamerikanerin, und David Strom, ein aus Deutschland geflüchteter jüdischer Physiker, gründen zu Beginn der 40er Jahre in New York eine Familie. Entgegen besseren Wissens meinen sie, im Schutze der Musik ihren drei Kindern eine von Rassismus freie Zukunft bieten zu können. Natürlich erweist sich dies als utopisch. Obwohl der älteste Sohn, Jonah, mit seiner Ausnahmestimme Weltkarriere macht, geling es doch keinem der Geschwister, ihm nicht und auch seinem Bruder Josef und seiner Schwester Ruth ihren Platz und ihr Selbstbewusstsein in der amerikanischen Gesellschaft zu finden. Immer wieder werden sie schmerzhaft mit den Grenzen des amerikanischen Traums konfrontiert, der auch heute noch in den meisten Fällen die richtige Hautfarbe voraussetzt.
Über diese äußerst wichtige Problematik hinweg ist das Buch aber auch ein Künstlerroman voller mitreißender Musikbeschreibungen und ein Spiegel der US-amerikanischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Durch den Physiker David Strom wird auch das Problem der Zeit, die sich nicht vorwärts bewegt, sondern stets als Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nebeneinander existiert, mit der geschichtspessimistischen Aussage verschränkt. Außerdem spricht der Autor ein allgemeingültiges menschliches Problem an: das Gefühl der Unbehaustheit und Heimatlosigkeit, das uns wohl alle schon einmal überfallen hat. Letztlich ist jeder Mensch sein eigenes Universum, das wird einem beim Lesen immer wieder in Erinnerung gerufen.
Die Lektüre fand ich nicht einfach: Tiefgehendes Verständnis setzt Kenntnisse der Relativitätstheorie, der Musikgeschichte und –theorie voraus.
Häufig verursachte die eindringliche Darstellung des alltäglichen Rassismus Wut und Traurigkeit.
Das Buch hat sicher auch seine Längen, dennoch sind in der Gesamtkomposition auch diese Passagen von Wichtigkeit.
Insgesamt halte ich diesen Roman für ein Kernwerk der modernen amerikanischen Prosa, das in seiner Vielschichtigkeit hoffentlich noch vielen Menschen aufwühlende und erkenntnisreiche Lesestunden beschert.
Ich wünsche euch alles Gute
Bis zur nächsten Leserunde
HG
finsbury