Beiträge von kwiedi


    Hmmm...kommt immer drauf an, wie viel amn aus einem Buch herausziehen will. Das ist leider oft die Problematik: dass angenommen wird, Literatur- oder Kulturwissenschaft sei irgendwie zum freien Sinnieren gedacht. Im Studium wird einem der Zahn schnell gezogen. Literaturwissenschaft ist letztlich eine nicht viel beliebigere Wissenschaft als Mathematik oder Physik. Zum "Dürfen" gibt's da nicht viel.


    Soll aber nich heißen, dass man jedes Buch bis zum Letzten begreifen muss. Es gibt Autoren, die gerade das nicht wollen. Und Lesespaß kommt ohnehin unabhängig von der Interpretation auf...insofern hast Du schon ganz recht...

    Im übrigen sollten auch nicht immer nur Antworten in einem Buch gesucht werden. ufgeworfene Fragen sind manchmal (in Sachen "zum Nach-Denken anregen") deutlich gewinnbringender. Insofern kann ich mich nur anschließen.


    Es gibt ja einige solcher Autoren im 20. Jahrhundert (oder jetzt), die nicht immer alles beantworten wollen. John Irving zum Beispiel. Oder Harper Lee.

    Gern geschehen :zwinker: Is ja nur meine Meinung...aber immerhin sind wir schon zwei :D


    Wieviel Fitzgerald von bürgerlichen Paraphrasen für Liebe hält, sieht man ja an der grotesken Beziehung zwischen Daisy und ihrem Mann (Tom?). Allein dadurch erniedrigt Fitzgerald die Angebetete. Sie ist eben auch nur eine Daisy..ein Gänseblümchen. Keine Lilie oder Rose oder sonstwas. Mary wäre noch so ein Name für etwas Hochstilisiertes. Oder Helen. Aber er hat sie Daisy genannt. Wie kann die Liebe zu einer Daisy (ich will hier niemandes Namen verunglimpfen, nur Fitzgeralds Intensionen nachzeichnen) etwas wahrhaft Großes sein? Deshalb muss man über die Romanze hinausgehen, um das Buch richtig zu deuten....

    Ich meine selbstverständlich den Titel im original. Warum ein Werk als Übersetung bewerten? Man sollte Mockingbird auch im Original lesen. Und wie kann ich andere Assoziationen als die des Original-Titels meinen? Was kann Harper Lee für Übersetzungsarbeit? Ich nannte das Werk ja auch nie "Wer die Nachtigall stört". Der deutsche Titel ist ein Graus.


    Visionär eben genau deshalb. Eben weil die Bevölkerung seinerzeiz größtenteils unsensibel für solche Themen war, hat Lee etwas Zukunftsträchtiges in die Hand bzw. in die Feder genommen. Das macht Weltliteratur aus. Mir will doch keiner erzählen, dass die Buddenbrooks per se ein brilliantes Werk sind...?


    Im Übrigen ist es nicht mit dem Rassenkonflikt getan. Deshalb deute ich ja auf die Assoziationen. Der "Mockingbird" ist nicht unbedingt ein Farbiger oder sonst ein durch "Rasse" von den anderen Menschen zu unterscheidendes Individuum. Er ist jemand, der Gutes tut. Nur das. Und einen Solchen zu töten, ist unverzeihlich. Darin liegt eine weitere NT-Verbindung.


    Das alles lässt sich endlos vertiefen. Aber darauf muss man sich auch einlassen. Und darin liegt die Tiefe und der Anspruch des Buches.


    Große Literatur lebt nicht davon, Dinge aufzugreifen, die gerade "heiß" sind, sondern Dinge "heiß" zu machen. Deshalb bin ich überzeugt, dass z.B. "Die Habenichtse" nicht lange in Erinnerung bleiben wird. Ein tollees Buch, aber eben nicht visionär und kaum zeitlos. Für wirklich Bleibendes ist die heutige Welt evtl. zu schnelllebig geworden. Das macht es für die zeitgenössischen Autoren schwer...

    Über "Der Funke Leben" lässt sich wahnsinnig viel schreiben. Ich finde das Werk sensationell. Klar, es hat einige heroisierende Elemente. Aber das ändert nichts an der Wirkung. Als ich es las, hab ich mir den Kuchen oder sonstige Leckereien nebenher geschenkt...weil mir der Appetit vergangen ist. Und so soll das Buch ja wirken! Also wenn Neider wie Heinrich Böll (den ich sehr schätze!) meinen, das Buch so kommentieren zu müssen: "Heißes Eisen in lauwarmer Hand", dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Böll hat fein die Finger vom "heißen Eisen" gelassen. Waren die gar klamm?


    Egal...das Werk ist wichtig, um die Greuel nie zu vergessen.


    Ich hab den Großen Gatsby auch letztens gelesen und muss auch sagen, dass er mir sehr gefallen hat.


    Aber irgendwie is mir was komplett anderes eher im Gedächtnis geblieben, als diese unerfüllte Liebe.
    Für mich ist es kein Liebesroman, sondern eher ein Roman über den American Dream. Man muss sich doch mal vorstellen... Der Roman spielt in den 20ern, der Zeit von gesellschaftlichen Exzessen, aber auch der Weltwirtschaftskrise


    Und genauso muss der Roman interpretiert werden. Völlig korrekt...es ist der "American Dream", den Gatsby träumt und den er ja auch realisiert hat. Aber eben abzüglich der glücklichen Liebe. Und damit zeigt Fitzgerald auch, wie der große Traum an seine Grenzen stößt. Die letzten Absätze des Buchs führen wieder zurück zum American Dream. Und dazu, wie groß der Wunsch zur tatsächlichen Erfüllung ist...

    Hmmm...da kann man kaum widersprechen. So ist das wohl mit der Literatur...aber ein Buch lebt auch immer vom Flair. Vielleicht habe ich daher meine Sympathie immer hauptsächlich auf Atticus fokussiert und vielleicht hat mir das nen anderen Zugang gegeben? Wer weiß...?


    Aber anspruchslos ist das Werk sicher nicht...allein die Titel-Assoziationen sind so manigfaltig. Da lässt sich eine komplette Uni-Arbeit zu schreiben. Gerade im Titel liegt ja die Botschaft. Diese Sentimentaltität ist die Stärke von "To Kill a mockingbird".


    Der Zugang ist sicher die Parallele die Lee aufzeigt: Der Mikro-Kosmos der Finch-Familie zum Makro-Kosmos, in dem Rassismus und Feindseligkeit herrschen. Und der ja auch wieder nur ein Mikro-Kosmos ist, verglichen mit der "großen weiten Welt". Diese Parallele muss man übertragen auf andere Kontexte und auf die zu dem Zeitpunkt jüngere Geschichte. Deshalb war das Werk visionär.


    Um es deutlicher zu machen: Lee stellt sozusagen ein arkadisches Kindheits-Universum einer gewaltfähigen Realtität gegenüber. Die Begegnungen, die sie skizziert, zeigen, dass jemand, der noch Kind ist, nicht in dem Sinn gewaltfähig ist...obschon Gewalt auch bei den Kindern herrscht (es sind ja keine "Musterknaben"). Aber Unschuldige attackieren? Undenkbar. Diese Art Kindlichkeit fordert Lee auch von Erwachsenen. Nun denke man an das Neue Testament...und siehe da...


    So funktioniert Weltliteratur...

    Ich halte Capote ja für extern überbewertete. Da hatte die Highh-Society eben ihr Lieblings-Kindchen gefunden, dem sie alles genialische und intellektuelle eindichten wollte. Gegen einen Joyce oder Arno Zweig ist Capote ein geistiger Schwachstromelektriker. Ein Popstar und eine Modeerscheinung. Seine Marotten hat er gepflegt, um weiter als Genie duchzugehen. Naja. Talent hatte er und er war soswhl starker Erzähler als auch ein akribischer Rechercheur. Aber ein großer Literat im Sinne von Stil-Prägung und Tiefgang war er nun wirklich nicht...

    Naja, Ralf, ist es nicht gerade das, was Siddartha zeigt? Die Abkehr, die Überwindung vom Ich im "westlichen Sinn" (wenn es sowas denn geben sollte)? Ich habe mit dem Buch ähnliche Erfahrungen gemacht und glaube, dass es ein Buch für die Jugend ist. Aber wer Hesse ein bisschen tiefer kennt und mehr gelesen hat als Siddartha und den Steppenwolf, der wird schon viel Weises an dieser "Indischen Dichtung" finden...dieser Subtitel ist nicht ganz unwichtig zum Verständnis...

    Auch wenn schon reichlich geamtwortet worden ist: Snow on the Kilimanjaro ist wohl eine perfekte Eingangslektüre. Eine tolle Sammlung von Kurzgeschichten, die jede Menge Terrain abdeckt. Und zeigt, was Hemmingway für ein toller Erzähler ist!

    Gern doch!


    Der Protagonist ist ein cleverer junger Mann (Joe Lampton), der seinem tristen Heimatort Dufton den Rücken kehrt und in Warley als Beamter eine berufliche Laufbahn beginnt. Er ist ein Mordshecht (Boxer, ex-Soldat, witzig, intelligent und sehr gutaussehend) aber weitgehend desillusioniert. Das ändert sich auch nicht, obwohl sich seine Situation deutlich ändert. Das macht das Buch aus, finde ich. Weitab aller Klischees...kein schwarz/weiß-Kontrast, was ich sehr begrüße.


    Lampton lernt die wahrhaft Wichtigen langsam kennen und beginnt ein Verhältnis mit einer Frau Mitte Dreißig, die er aufrichtig liebt...allerdings ist das nun auch wieder etwas hoch gegriffen. Auf jeden Fall fühlt er sich bei ihr wohl und beide funken im Bett auf derselben Wellenlänge. Dennoch zieht es ihn zu einem bildhübschen Dingchen hin, das Tochter des reichsten Mannes in Warley ist - und Joe, der wie ein durchschnittlicher Bürger verdient, hat einen Konkurrenten aus dem Besitzbürgertum, der am Tag etwa halb so viel Geld ausgeben kann, wie Joe im Monat verdient. Alles führt ins Chaos, aber ich will nicht vorgreifen, falls jemand das Buch lesen möchte ;)


    Letztlich kommt in "Room at the Top" nix, wie man es erwartet und die Entwicklung ist so ernüchternd, weil sie eben nicht vorhersehbar und gewöhnlich ist, wie es die kurze Einführung oben versprechen mag...


    Wie gesagt...ein Werk zum Verschlingen. Und deshalb will ich auch unbedingt "Life at the Top" ("The Top" ist ein Edel-Wohnbezirk) zu fassen kriegen...



    Zur Erzählperspektive: Lampton erzählt über sich selbst...mit dem Abstand von mindestens einem Jahrzehnt. Die Gedanken, die dadurch Einzug erhalten, sind das, was am meisten desillusioniert. Ein Grund mehr, "Life at the Top" zu lesen.

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    Ein recht ungewöhnliches Buch. Sehr seltsamer Handlungsverlauf und die Erzählperspektive irritiert auch. Aber dennoch habe ich es verschlungen und sehr genossen. Die Perspektive auf die englische Gesellschaft gefällt mir...vor allem, weil sie frei von Idealismus ist. Und ernüchternd. Wenn ich an die Zustände heute denke, ist "Room at the Top" immer noch absolut aktuell...


    Ich würde so gern den Nachfolger "Life at the Top" lesen, finde es aber nirgends...hat jemand einen Tipp?


    [size=1]EDIT: Deutschen Titel im Betreff ergänzt. LG, Saltanah[/size]


    Hey, Super-Tipp! Das werde ich mir bei Gelegenheit mal besorgen!

    Okay, das stimmt selbstverständlich. Insofern nehme ich alles zurück. Aber es muss trotzdem nich die Klavierspielerin sein, weil eben das Thema und dessen Umsetzung viele abstößt. Also würde ich Clara S. empfeheln oder Totenauberg.


    Der Analogie zu Joyce hat mich auf den Boden der Tatsachen zurückgebeamt. Denn zu Finnegan's Wake bin ich bis heute nicht recht vorgestoßen, kenne es nur auszugsweise. Ulysses und Portrait sind ja absolute Höhepunkte der Literaur. Gibt es hier einen Joyce-Thread? Ich finde fast, dass die Dubliners vielleicht noch einen besseren Einstieg bilden würden...

    An beide meiner Vorredner: Lasst bloß diese beiden "Romane" aus der Hand. Lust und Die Klavierspielerin sind stark, aber inzwischen auch in Sachen Jelinek etwas veraltete. Ich kann nur jedem In den Alpen und Das Werk empfehlen. Oder Ein Sportstück. Das ist schwer zugänglich und ein echtes Stück arbeit. Aber darin finden sich genau die Dinge, die Marlino vermisst: Ironie und, wenn man genau hinschaut, auch eine gewisse "Liebe" zu den Menschen, die Jelinek dort zu Wort kommen lässt. Jelinek hasst Österreich nicht...der böse Blick ist nicht abzustreiten, aber er ist böse wie der einer Mutter, die nicht mag, wie ihr Kind sich entwickelt...

    Also was nun? Es ist zwar unwissenschaftlich anzunehmen, daß Nichtliebhaber der Werke Jelineks diese genau kennen? Aber im nächsten Satz wird dann eben dies bezweifelt?


    Da hast Du offensichtlich den Terminus Makor-Kenntnis nicht so interpretiert, wie ich ihn meinte. Makro-Kenntnis soll heißen: Zumindest einen groben Überblick über Themen und Inhalte der Werke, wenn auch kein absolut fundiertes Wissen.


    Das mit dem Humor vertsehe ich nich ganz....Jelinek lesen kann richtiggehend spaßig sein. Allein die Wortspiele sind sensationell. Das mag diejenigen Wundern, die eben die einschläigen Sachen kennen. Wer Ein Sportstück oder Das Werk gelesen hat, wirds nachvollziehen können.


    Zum Thema Wissenschaft vs. Liebhaberei: Alles schön und gut, ich diskutiere auch viel leiber auf der eher subjektiven Schiene. Wenn die Nummer aber so abläuft, dass Literaturpreiswürdigkeit und Intelligenz einer hochtalentierten Schreiberin in Frage gestellt wird, sollte dies wissenschaftlich zumindest fundiert passieren. Sonst ist es eher albern...

    Ehrlich gesagt mag ich so eine Diskussion nach dem Motto: Du hast ja nicht alles gelesen, Du kannst ja gar nicht mitreden, überhaupt nicht.



    Nur solche Diskussionen sind in der Literaturwissenschaft aber zulässig ;) Und dass die, die Jelinek ablehnen, ihre Werke nicht genau kennen, ist eine Sage....und so eine Art Behauptung, die erstens unwissenschaftlich is und zweitens nich belegt werden kann.


    Im übrigen scheinen einige hier, die Jelineks Talent und Intelligenz bezweifeln, nich mal sowas wie eine Makro-Kenntnis ihres Werks zu haben. Dann würde nämlich auch deutlich, dass die Klavierspielerin und Lust keineswegs repräsentativ sind. Die neueren Werke sind völlig anders konstruiert und die Sprache hat sich deutlich gewandelt. Auch die Thematik umfasst ein breiteres Spektrum, die einzelnen Werke behandeln meist gleich einen ganzen Themenkomplex weitgehend ausgegelich, anstatt sich auf einen bestimmten Schwerpunkt zu stützen.

    Über die Intelligenz von Schriftstellern sage ich lieber nichts mehr, sonst fühlen sich die hiesigen Volontäre wieder herausgefordert. :zwinker:


    oha... :rollen:


    wahrhaft geistreich wäre im Zuge einer Jelinek-Diskussion ja der Gebrauch der Vokabel "heimisch" anstelle von "hiesig" gewesen...aber das wäre dann auch sehr genau gewesen.


    Weiter oben steht etwas, das bedenklich stimmt: Fehlende Genaugigkeit als Kavaliersdelikt? In der Textinterpretation (egal welches Autoren) ist Genauigkeit Grundvoraussetzung...sonst wirds schwammig.


    Den Einwand von xenophanes kann ich in dem Zusammenhang auch nur unterstützen: Erstmal lesen, dann diskutieren. Und vor allem: sehr gründlich lesen.


    Musikalisch ist tatsächlich treffender. Da ist noch nicht mal zuvorderst Rhythmus gemeint sondern tatsächlich Klang und auch Dynamik. Laut und Leise, Tonfall sowie Rhythmus in den Aufführungen Jelineks sind elemantarer Bestandteil ihrer Literatur. Ohnehin darf man Jelineks Texte nicht von den zugehörigen Aufführungen abkoppeln..selbst wenn diese von Christoph Schlingensief inszeniert wurden...

    Also zu Sandhofers Beitrag sei mal eines angemerkt: Da mischt sich Halbwissen mit dem Anstrich vvon Omnipotenz. Gothe als Mittelmaß zu etikettieren...naja..da sollte man jetzt mal müde lächeln. Aber auch sonst: Die Sprache Jelineks als poetisch zu bezeichnen, wenn auch nur im Ansatz, ist einfach zu unbedarft, als dass man es unkommentziert lassen darf. Antipoetisch wäre ein angemessener Begriff, den es aber auch eindringlich zu definieren gegolten hätte. So ist es eben gerade das fragmenarisch belletristische, der Ansatz, der in sich schon scheitert, der die Sprachgewalt Jelineks ausmacht. Wenn andere Autoren erklären, sprich explizieren, dann ist es in ihren Werken das Implizite, das den Leser, wenn er des Lesens denn in dem um Jelinek zu vestehen gebotenenem Maße fähig ist, entweder fesselt oder abschreckt. Letzteres dann aber aus rein ideologischen Beweggründen. Darin von Poesie zu sprechen zeigt, dass Du von den in den genannten Jelinek-Werkentransporteirten Inhalten (Inhalte hier mit Sorgfalt gewählt) nicht viel begriffen hast.


    Es gibt kaum einen zeitgenössischen Autoren, der seine Texte so elegant und exakt strukturiert wie Elfriede Jelinek. Der Nobelpreis war überfällig. Ich rate zu mehr als nur der Lektüre von Werken wie Klavierspielerin und Lust, um Jelinek zu ergründen. Das Werk und Ein Sportstück geben deutlich mehr Preis.