Beiträge von NinaB

    Ja, wenn vorgelesen wird, ist das wirklich toll. Ich glaube, für Kinder ist es auch noch einmal etwas anderes, ob sie ein Märchen auf der Bühne oder im Kino sehen (wie bei der Hexe im explodierenden Ofen, aua). Gerade im Kindesalter ist man den Bildern und Vorgaben sehr unmittelbar und noch recht „filterlos“ ausgesetzt. Wird ein Märchen dagegen erzählt, dann ist es ja immer ein Dialog. Es geht im Tempo des Kindes voran, Bilder kommen innerlich an die Oberfläche und knallen nicht von außen ungefiltert ins Bewusstsein. Ein Psychologe schrieb mal, dass Kinder sich beim Vorlesen die Bilder im Kopf so ausschmücken, wie sie es aushalten können. Und wenn es zu sehr ins Gruselige geht, dann ist es völlig legitim, als Märchenerzähler am Ende eine erweiterte Sichtweise anzubieten, abzumildern – oder eben zu erklären.


    Ich glaube aber auch, dass diese „erwachseneren“ und oft tragischen Kunstmärchen (wie das Mädchen mit den Schwefelhölzern) auch noch eine andere Nummer sind. Sie sind oft viel detaillierter und näher dran an konkretem Leid, manchmal sind es regelrechte Märtyrergeschichten mit religiöser oder gesellschaftskritischer Moral. Ich hatte als Kind ganz schwer an „Klingt meine Linde“ zu knabbern, an den Zuständen im Armenhaus, der Trostlosigkeit und Ungerechtigkeit und dem Ende von Malin, die sich opfert. (Und Mailín in Rabenherz und Eismund heißt nicht zufällig so ähnlich wie die Malin in Lindgrens Geschichte, und sie sucht ja auch nach klingenden Bäumen bzw. Ranken – vermutlich ist das eine späte Form von Bewältigung der durchheulten Märchenstunde damals … ;)



    Faszinierend finde ich afrikanische, russische, japanische Märchen und auch Märchen und Göttersagen der Inuit und anderer Urvölker. In den Achtzigern wurde ja viel nach den Urformen von Märchen geforscht – im Hinblick darauf, dass auch die Brüder Grimm einige Glättungen und der damaligen Gesellschaftsordnung entsprechende Anpassungen vorgenommen haben. Deshalb finde ich es so spannend, Märchen aus ganz verschiedenen Kulturen und Zeiten zu lesen und nach gemeinsamen Linien und Ursprüngen zu suchen – dort entdeckt man dann Versionen einer bestimmten Geschichte in verschiedensten Ausprägungen und auch mit verschiedenen Auflösungen.


    Aschenbrödel-Motive gibt es in allen Kulturen, nicht jeder Frosch wird zum Prinzen und dieses Dauerheiraten findet eher in den von der Romantik geprägten und angepassten Grimmschen Märchen statt. Was ich total spannend finde: Manche Motive sind so alt, dass man sie bis in die Steinzeit zurückverfolgen kann – so zum Beispiel die Symbolik der kultischen Farben Rot-Schwarz-Weiß:


    Rot als Blut für Leben und auch für Tod. Rötelfarbe ist die erste nachgewiesene Verwendung von Farbe in einem Kultisch-symbolischen Kontext, Rötelpigment wurde schon in der Steinzeit als Grabbeigabe verwendet, mehr dazu kann man in dem großartigen Museum für Frühgeschichte in Blaubeuren erfahren). Ebenso verwendet: Schwarz und Weiß. Das spinnt sich in den Märchen als Symbolik weiter und oft in den Aspekten von Gottheiten, die als junge, mädchenhafte Frau in Weiß dargestellt werden (Neues, Aufbruch), als erwachsene Frau in Rot (Reife, Fülle, Lebenskraft) und als weise Alte dann in Schwarz (Alter, Weisheit, die Nähe zur Totenwelt und ihren Geheimnissen). In Rabenherz spiele ich natürlich auch mit diesen Farbfacetten und Aspekten bei den Mädchen. Ob das bei Charlies Engeln auch anwendbar ist, wäre natürlich zu überlegen. :/:D

    Ich kenne Andersen, aber mal ehrlich, seine Märchen deprimieren total.

    Ich kannte als Kind nur wenige Märchen von ihm - Die kleine Meerjungfrau (traurig am Ende, aber faszinierend), Das hässliche Entlein (fand ich schön und hoffnungsvoll), die Schneekönigin (klar, ich glaube, die kennt jeder) und Däumelinchen (war ich froh, dass sie den Maulwurf nicht heiraten musste. ;)) Viele seiner Kunstmärchen sind aber, glaube ich, eher für Erwachsene nachvollziehbar. Dennoch liebe ich seine Märchen und spiele gerne mit diesen Motiven. In Lillesang hatte ich der kleinen Meerjungfrau deshalb auch einen versöhnlichen "Biographiedreh" verpasst - natürlich mit Hinweis im Nachwort.

    Ach, es macht so Spaß, eure Beiträge mitzulesen! :D

    Bin schon sehr gespannt, wie euch manche Auflösung gefallen wird (Stichworte Nixen und Andersen zum Beispiel ...). Und ich freue mich sehr, dass euch der Winter aus den Seiten anweht, das ist natürlich für eine Autorin das schönste Kompliment. Und ich bin sehr begeistert darüber, wie genau und differenziert ihr lest.

    Dieser Abschnitt war ganz anders als der vorhergehende. Eigentlich stagniert die Story ein bisschen, denn erst mal muss Mailin sich erholen und die vier müssen einen Plan schmieden. Aber dafür ist es zwischenmenschlich kein Stillstand

    Ich glaube, für diese ruhigere Passage wird das Buch sicher auch Punktabzüge von manchen Lesern bekommen, aber mir kam es tatsächlich darauf an, die Dynamik zwischen den Personen zu entwickeln, was ich persönlich auch immer in Büchern sehr spannend finde. Beziehungen sind so fragile und sich ständig verändernde und entwickelnde Gebilde, dass ich mich manchmal wundere, was sie manchmal so alles aushalten können. ;)

    Zitat

    Ich musste ja auch herrlich lachen, als du Biss zum Morgengrauen erwähnt hast. Hab ich zwar damals auch gern gelesen, aber wenn ich mal so zurückblicke, hast du vollkommen Recht mit deiner "Einteilung"


    War ja auch eine tolle Reihe und manchmal sind die Romantasy-Geschichten genau das Richtige, aber die Menge inzwischen, die Menge ... ;)


    Zitat

    Und wer brauch schon einen Prinzen? Ich nehm lieber den Gaul!

    ... oder den Elch :D

    nanu?!

    Ich hätte auch kein Problem damit, wenn es mal einfach keine Liebesgeschichte geben würde. Ich finde es langsam ehrlich gesagt etwas ermüdend, das die Hauptfiguren immer irgendwann einen Loveinterest vor die Nase gesetzt bekommen.

    Allerdings ist das ganze hier ja doch sehr wie ein Märchen, daher würde ich mir zumindest wünschen, das es jemand ist, mit dem sie auf Augenhöhe agiert

    Ich finde Liebesgeschichten auch nicht zwingend notwendig in Jugendbüchern, aber inzwischen ist es tatsächlich so, dass man als Autor kaum noch reine Abenteuerromane an den Verlag bringen könnte. Wenn ich so zurückblicke, scheint es da die Zeit vor "Biss zum Morgengrauen" und die Zeit danach zu geben, in der ein Love Interest plötzlich als Standardelement dazugehörte. Deshalb schreibe ich auch sehr gerne immer wieder mal Fantasy für Leser ab 10 Jahren, da darf man sich dann ganz auf Abenteuer konzentrieren. ;) Im Jugendbuch lasse natürlich auch gerne eine Liebesgeschichte "mitlaufen", aber meistens sind mir die Freundschafts- und Handlungselemente im Buch genauso wichtig. Und ich persönlich lese sehr gerne Bücher, die einen Fokus auf starke Freundschaften legen, gerade zwischen Mädchen und Frauen, also nicht im Standard-Drama-Dreieck à la "Wer kriegt am Ende den Prinzen", sondern für sich stehend.

    nanu?!

    Zu den Raben :err: hier rotten sich gerne am Rhein zusammen und beäugen die Jogger*innen und Spaziergänger*innen misstrauisch. Ich hab immer den Eindruck sie diskutieren wie sie Menscheit versklaven und die Weltherrschaft an sich reißen können :lachen:

    Ooooh ja, das tun sie. Das tun sie! :verschwoerung:

    In einer Doku habe ich mal gesehen, dass sie sich sogar Gesichter von Menschen merken, wiedererkennen und Infos zu diesen Personen auch an die anderen Raben weitergeben. Wenn also ein Mensch durch den Park läuft, der einem Raben mal zu nahe kam oder ihn verscheucht hat, dann meiden ihn auch die anderen Raben und warnen sich mit Rufen. Umgekehrt ebenso: Wer nett zu ihnen ist und ihnen zum Beispiel Erdnüsse dalässt, wird manchmal sogar im Gegenzug mit kleinen Geschenken bedacht. Peter Wohlleben hat das mal in einem seiner Bücher schön beschrieben. Er und seine Frau hatten die Gartenkrähe immer wieder mal gefüttert - und bekamen im Gegenzug dann kleine Gegengeschenke wie kleine glänzende Metallfundstücke oder ähnliches. Bei mir in der Gegend gibt es auf dem Parkfriedhof, auf dem ich oft spazieren gehe, auch eine Gruppe von Rabenkrähen - und die kennen mich auch genau, weil ich oft Nüsse für die Eichhörnchen und Vögel dalasse. Ist faszinierend zu beobachten, wie die Meute sich gegenseitig sofort ruft und einen umrundet. Aber Meise möchte ich in deren Nähe auch nicht sein ... ;)

    Liebe Nina, du hast wieder einmal so viele märchenhafte Details in die Geschichte gewoben, dass man aus dieser magischen Welt gar nicht mehr auftauchen möchte!

    Wie schön, danke! <3


    Und der Name Falún hat mir einfach sehr gut gefallen - auch der Bezug zum Nordischen, den man dadurch gleich hat, auch wenn Mailíns Stadt mit dem schwedischen Falun keine Ähnlichkeit hat.


    Liebe Grüße :schmetterling:

    Nina

    Hallo liebe Leserunde!


    Ach, wie schön, ihr seid schon ganz in der Geschichte und am Spekulieren. :) Freut mich sehr, dass euch die nordische Welt gefällt und dass ihr Mailín ins Herz geschlossen habt. Ja, sie ist sicher kein ganz einfacher Charakter mit den vielen Schichten von Verpflichtungen, Falúner Glaubenssätzen und Schutzmauern, hinter denen sie ihr eigentliches Wesen verbirgt. Aber euch kann sie offenbar damit nicht täuschen. ;)


    Und ja, die Schneekönigin von Hans Christian Andersen spielt in diesem Buch mit hinein - ebenso wie andere Wintermärchen und Mythen. So wird zum Beispiel auch die Legende der Inuit-Göttin Sedna eine Rolle spielen, aber auch die eine oder andere Facette von Frau Holle und die Schicksalsfrauen, die wir aus der germanischen, römischen und griechischen Mythologie kennen (die den Lebensfaden spinnen, bemessen und abschneiden). In diesem Roman habe ich einige Märchen- und Mythenmotive verwoben, denn ich wollte ganz bewusst ein Buch schreiben, das selbst wie ein Märchen ist. Das zeigt sich im Rückblick sicher auch an den Figuren und Konstellationen, den Aufgaben und den typischen Märchenelementen, die sich durch die Handlung ziehen.

    Aber das nur als kleines "Foreshadowing". ;) Es hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht, beim Schreiben ganz tief zu den Grundmotiven klassischer und poetischer Märchen zu tauchen und daraus etwas Neues zu spinnen.


    Liebe Grüße

    Nina