Beiträge von hilde


    Die wichtigsten Neuerscheinungen des Bücher-Herbstes 2010 werden von der FAZ in einem lesenswerten Artikel beleuchtet:


    http://www.faz.net/s/Rub1DA1FB…Tpl~Ecommon~Scontent.html


    Schöne Grüße,
    Thomas


    Vielen Dank für diesen Thread im Allgemeinen und den Link im Besonderen. Ein schön geschriebener, interessanter Artikel. Die Neuerscheinungen von McEwan und Franzen sind sofort auf meiner Wunschliste gelandet.


    LG
    hilde


    Jenseits von Wurst und Käse - Dürfen wir Tiere essen?
    Mittlerweile ernähre ich mich meist vegetarisch, aber wenn mein Freund und ich zusammen essen, dann esse ich aus Bequemlichkeit Fleisch mit.
    Dieses Kapitel hat mein schlechtes Gewissen mal wieder zum Vorschein gebracht. Nun werde ich mich mal wieder mehr bemühen, weniger Fleisch und Wurst zu essen und vorallem auch wieder mehr darauf achten, wo die Sachen herkommen.


    Ein Kapitel, das mir ziemlich gut gefallen hat, weil differenziert argumentiert wird. Wie auch in deinem Beitrag zu sehen ist, foenig: Es gibt kein einfaches Richtig oder Falsch. Ich muss gestehen, dass ich auf bisher den schlichten Standpunkt vertrat: Der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen, es ist etwas ganz Natürliches. Da hat mich Precht zum Nachdenken angeregt, indem er schreibt, dass wir heute durchaus eine Wahl haben: Im Gegensatz zum Höhlenmenschen oder zum Löwen in freier Wildbahn müssen wir nicht verhungern, wenn wir auf Fleisch verzichten, und wir müssen auch keine gesundheitlichen Nachteile in Kauf nehmen.

    foenig


    Auch ich fand das Kapitel interessant zu lesen, und es regt zum Nachdenken an. Ich bin der gleichen Meinung, dass die Argumentationen für - wider Abtreibung sehr schnell in eine ungute Richtung gehen können und in eine unschöne Debatte über lebenswertes und lebensunwertes Leben abdriften.
    Deswegen: Wäre es nicht wünschenswert, dass eine ungewollte Schwangerschaft überhaupt nicht zu einem moralischen Dilemma wird, sondern dass auch "ungeplante" Kinder und ihre Mütter durch die Gesellschaft aufgefangen werden? Der Gedanke ist natürlich idealistisch und utopisch, aber m. M. n. gehört er in die Auseinandersetzung mit dieser Frage.


    LG
    hilde


    Da die direkte Schadensstelle noch nicht lokalisiert werden konnte, kann ich auch noch nicht garantieren, dass ich morgen wieder an die Außenwelt angeschlossen bin.


    Das verschafft Dir Zeit zum Lesen :zwinker:



    Der Mann auf der Brücke - Ist Moral angeboren?

    Gut fand ich, dass Precht den Unterschied zwischen einer mutwilligen und einer unterlassenen Handlung vertieft hat. Ich gehe davon aus, dass dieser Unterschied noch wichtig wird bei moralischen Fragen.


    Dieses Kapitel ist für mich eines der entscheidenden für den weiteren Verlauf des Buches. Hier werden grundsätzliche moralische Überlegungen angestellt, die auf die praxisnahen Beispiele der folgenden Kapitel angewandt werden. Das ist meiner Meinung nach gut gelungen.
    Entscheidend finde ich die Feststellung, dass intuitive Moral als Kategorie angeboren ist. Wie diese Kategorie dann mit Inhalt gefüllt wird, ist kultur- und erziehungsabhängig. Moral als Gegenstand der Intuition ist damit affektiv, wie Precht herausstellt. Nun hat sich die Philosophie jahrtausendelang bemüht, die Vernunft als Maßstab des Handelns zu deklarieren und komplizierteste Gedankengebäude konstruiert – aber mit reiner Vernunft und Logik sind viele Probleme der Menschheit nicht zu lösen. Das arbeitet Precht ganz gut heraus, finde ich. Auch die Beispiele, die er in späteren Kapiteln bringt, sind immer wieder auf diesen Gedanken zurückzuführen.


    Die Geburt der Würde - Ist Abtreibung moralisch


    Rein vernünftig, in diesem Beispiel utilitaristisch argumentiert, beginnt der Lebenwert eines Kleinkindes mit dem 2. Lebensjahr, weil es dann ein Ich-Bewusstsein hat. Was daraus folgen könnte, sollte man sich lieber nicht ausmalen, denn diese Betrachtungsweise ist natürlich zynisch. Ein schönes Beispiel für die Grenzen reiner Vernunft.

    Lucy in the Sky - Woher kommen wir?
    Nietzsche kritisiert zu Recht die Vorstellung, dass der Mensch das "Ziel der Evolution" sei, denn alles in allem sind das doch sehr menschliche Klassifizierungen.


    Precht hat zum Thema Krone der Schoepfung einige ganz interessante Ansaetze, wie ich finde. Im Kapitel Die Qual der Wale... Der Mensch, als Teil der Natur, koennte als weitere Naturkatastrophe aufgefasst werden, aehnlich Meteoriteneinschlaegen vergangener Zeiten. Betrachtet man den Menschen konsequent unter der Perspektive des Naturschutzes, so koennte man das Verhungern von Millionen von Menschen als etwas Positives betrachten...
    Hier gefaellt mir vor allem, dass Precht diesen Gedanken zurueckweist und klar macht, dass solche Gedankengaenge uns nicht weiterbringen. Fazit ... Reine Logik greift zu kurz.


    Momentan vermute ich, dass mir der zweite Teil des Buches am besten gefallen wird. Ich bin schon gespannt, was Precht zu Ethik und Moral zu sagen hat!


    Der zweite Teil des Buches, „Was soll ich tun?“ gefällt mir tatsächlich besser als der erste.


    Rousseaus Irrtum – Brauchen wir andere Menschen?


    Rousseau lastete der Zivilisation an, die wahre Natur des Menschen zu verderben und für unmoralische Handlungen verantwortlich zu sein. In der Einsamkeit sei der Mensch von Natur aus gut. Seine Theorie wurde später durch die Psychologie widerlegt, die herausfand, dass die Fähigkeit, Liebe und Mitgefühl zu schenken, ein wichtiger Baustein für Lebensglück ist.
    Soweit, so einleuchtend. Das Kapitel dient wohl als Einleitung in diesen zweiten Teil des Buches, da es mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Was heißt überhaupt „gut“ sein? In den Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, geht es um die Frage, was den Menschen dazu bringt, moralisch zu handeln. Aber wer bestimmt, was gut und böse ist? Das sind doch Wertungen. Eine Auseinandersetzung mit solchen Begriffen hätte für mich in die Einleitung gehört.




    Das Schwert des Drachentöters – Warum sollen wir anderen helfen?


    Die Primatenforschung belegt, dass selbst Affen altruistische Verhaltensweisen praktizieren. Der Mensch gilt als grundsätzlich moralfähig.
    Andere Erkenntnisse liefert mir das Kapitel nicht, aber diese Einsicht finde ich schon mal ganz interessant.




    Das Gesetz in mir – Warum soll ich gut sein?


    Immanuel Kant entdeckt den kategorischen Imperativ. Damit verlässt er die Diskussion, ob der Mensch von Natur aus gut sei und beschäftigt sich mit der Theorie, warum der Mensch sich für „gutes“ Handeln entscheidet. Kant geht vom Gut-sein-wollen des Menschen aus, das dessen Handlungen leitet. Voraussetzung für sein Gedanken-Konstrukt ist der freie Wille.
    Ich finde es faszinierend, wie im 18. Jahrhundert, ohne die heutigen Methoden der Hirnforschung, Gedankenkonstrukte aufgebaut werden, deren Fragestellungen auch heute noch handlungsleitend sein können. Die Hirnforschung hat, wie Precht im nächsten Kapitel zeigt, berechtigte Zweifel an der Willensfreiheit des Menschen angemeldet. Aber die Gedankenwelt, die solche Forschungen inspiriert, geht auf Kant zurück.



    Das Libet-Experiment – Kann ich wollen, was ich will?


    Zwischen der Entscheidung, eine Handlung auszuführen, und ihrer tatsächlichen Durchführung, liegt eine halbe Sekunde. Man entscheidend sich also für eine Handlung, bevor diese einem bewusst ist.
    Damit wird die Vernunft, die jahrtausendelang in der Philosophie der Maßstab war, zur Spitze eines Eisbergs reduziert; eines Eisbergs, dessen riesiger, nicht-sichtbarer Bereich Vorbewusstsein, Unterbewusstsein oder das Unbewusste genannt wird. Gibt es Instinkte, die den Menschen zu „gutem“ Handeln antreiben?

    Hallo!


    Ich bin jetzt ungefähr auf Seite 120. Euphorisch bin ich nicht gerade. Mein Eindruck: Eine Aneinanderreihung von Fakten, die zwar interessant, aber zu einem großen Teil auch allgemein bekannt sind, ohne tiefere Einsichten. Wenn man denkt: Jetzt wird`s spannend, dann kommt ein neues Kapitel.
    Gut gefallen haben mir die biografischen Einblicke über verschiedenste Wissenschaftler, da war auch einiges neu für mich.
    Vielleicht wird`s noch besser.


    LG
    hilde

    Lange schlich ich um dieses Buch herum und hatte Vorurteile: Ich erwartete einen jener über-intellektuellen Vertreter deutscher Gegenwartsliteratur, einen Roman ohne Biss, ohne Leben. Und ich wurde sehr positiv überrascht.
    Der Roman spiegelt auf erschreckend deutliche Weise das gesellschaftliche Leben der DDR. Tellkamp lässt nichts aus: Stasi innerhalb der eigenen Familie, NVA, Militärgefängnis – diese Themen haben mich beim Lesen sehr mitgenommen.
    Gleichzeitig gelingt es ihm, diese großen, gesellschaftlichen Themen mit dem Alltagsleben der Protagonisten zu verweben. So staunt der unbedarfte Westleser über den florierenden Tauschhandel, der fehlende Einkaufsmöglichkeiten ersetzte, über Finesse und Ausdauer, mit der begehrte Waren aufgespürt und in Besitz gebracht werden; und wird sich beim Lesen schmerzhaft bewusst, welch große Rolle die Vielfalt an Konsumgütern in Industrieländern spielt und wie schnell man vergisst, dass Überfluss nichts Selbstverständliches, vielleicht sogar nichts Erstrebenswertes ist.
    Die bedrückende Atmosphäre in einem Unrechtsstaat, der kritische und abweichende Meinungen nicht duldet: meisterhaft dargestellt. Beim Lesen fiebert man auf die Erlösung, den Herbst 1989, hin und wird durch Tellkamps Erzählung darin gehindert, allzu euphorisch auf den Untergang des Staates DDR zu warten. Die Wirtschaft ist marode, das Land braucht dringend Devisen, und so macht sich neben der Erleichterung auch Ernüchterung breit.
    Bei so viel glänzender Unterhaltung stören auch gelegentlich auftauchende Klischees wenig (der Champagner moussiert in den Gläsern und Ähnliches). Einziges echtes Manko ist meiner Meinung nach die ausschließlich männliche Erzählperspektive. Das Frauenleben in der DDR hätte mehr Beachtung verdient.
    Dieses Buch hat den Deutschen Buchpreis meines Erachtens zu Recht erhalten. Ich würde mir viel mehr an Romanen wünschen, die die neuere deutsche Zeitgeschichte thematisieren und dabei so in die Tiefe gehen wie Tellkamp.
    4ratten


    Meine Meinung:
    Ich glaube es hat vor allem auch damit zu tun das Lisbeth Salander hier sehr passiv agiert und etwas in den Hintergrund tritt. Da ich diese Figur lieber mag als Blomquist fand ich dies natürlich schade.


    Dem kann ich mich nur anschließen!
    Spannend ist der Roman, keine Frage. Und weil Mikael und Lisbeth so sympathisch sind, macht es auch Spaß, das Buch zu lesen.
    Trotzdem hat mir der erste Band mit Abstand am besten gefallen. Im dritten Band wird mit der Verschwörungstheorie innerhalb der Sicherheitspolizei doch etwas dick aufgetragen. Die Gewaltdarstellungen sind mir zu krass. Wenn so etwas in einem Film vorkommt, kann ich wegschauen. Aber beim Lesen liebe ich es, wenn mein eigenes Kopfkino entsteht. Aber Gewaltphantasien möchte ich in meinem Kopf nicht entstehen lassen. Deswegen war ich beim Lesen immer wieder „gezwungen“, mich nicht wirklich in die Geschichte zu versetzen und mich so von der Handlung zu distanzieren. Schade.
    Stellenweise enttäuscht auch die Erzählform: „Er achtete sorgfältig darauf, dass er nicht beschattet wurde, als er zum Arlanda-Express rannte“ (S. 460, Heyne Taschenbuch). „>>Unser Plan sieht so aus: In fünf Minuten habe ich ein Auto vor Ort.<<“ (S. 560). Sorry, aber erinnert das nicht irgendwie an TKKG oder an Blytons fünf Freunde?


    LG
    hilde

    @ Seychella:
    Auf das Buch bin ich durch dieses Forum aufmerksam geworden, vielen Dank!


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    Klappentext:
    Die Sioux-Frau Mary Crow Dog, geboren 1955 in South Dakota und Mitkämpferin bei „Wounded Knee“ 1972, zeigt sich in ihrer außergewöhnlichen und kraftvollen Autobiographie als geborene Rebellin, die sich von Kind auf gegen die desolaten Lebendbedingungen heutiger Indianer in Nordamerika behauptet hat: als Mädchen gegen katholische Missionare, später mit Hilfe von Whiskey und Diebstählen gegen Hunger, schließlich gegen die Dominanz der Weißen.


    Meine Meinung:
    Das Buch besticht durch eine karge, schlichte Sprache, die dem Inhalt angemessen ist. Dieser Tonfall verstärkt für mich den authentischen Eindruck. Inhaltlich konnte es mich mehr als fesseln; die dramatische Situation der nordamerikanischen Amerikaner noch vor wenigen Jahrzehnten war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst. Faszinierend fand ich auch den tiefgehenden Einblick in die indianische Religion, die hier ohne Beschönigung oder Naivität dargestellt wird.
    Einziges Manko: Mary Crow Dog erwähnt zwar an mehreren Stellen ihre spezifischen Probleme, die sie als indianische Frau hat, aber im Vordergrund steht doch immer wieder ihr Mann, der Medizinmann Leonard Crow Dog. Sein Leben und seine Persönlichkeit sind sehr interessant, aber ich hätte mir eine stärkere Fokussierung auf die Mary als Mensch und als Frau gewünscht.
    4ratten

    Vielen Dank für die interessanten, teilweise kontroversen Rezensionen. Das Buch ist gleich auf meinem Wunschzettel gelandet. Von Tim Parks kenne ich bisher noch nichts und bin daher sehr gespannt.


    LG
    hilde