Ludwig Laher - Herzfleischentartung
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In Oberösterreich, in Innviertel, existierte zur NS-Zeit ein Arbeits-und Erziehungslager für sogenannte asoziale, arbeitsunwillige Menschen. Diese sollten dort von ihren schändlichen Eigenschaften geheilt werden. In Wirklichkeit jedoch litten sie unter den gewalttätigen SA-Erziehern. Sie mussten hart arbeiten und waren der Willkür und den extremen Gewaltexzessen der Aufseher ausgesetzt. Nicht wenige starben während ihres Daseins als Häftling unter den Schlägen. Der hinzugezogene Arzt aus einer nahegelegenen Ortschaft stellte zudem meist harmlose Todesursachen für die Akten fest. Als bekannt wurde, dass im Lager illegalerweise auch Minderjährige inhaftiert waren, wurden die Häftlinge in ein naheliegendes KZ geliefert, das Lager wurde aufgelöst. Wenig später entstand an derselben Stelle ein Zigeunerlager, um der dem Lager angehörenden Arbeitsstelle neue Arbeitskräfte bereitstellen zu können. Auch die Insassen dieses Lagers litten unter den menschenunwürdigen Bedingungen, allerdings werden diese Zustände zur NS-Zeit gebilligt und befürwortet.
Die Verantwortlichen des Erziehungslagers - die SA-Besatzung, sowie der zuständige Bürgermeister und höherstehende Autoritäten - müssen sich nun im folgenden in langwierigen Gerichtsprozessen ihren Taten stellen. Die Ergebnisse sind jedoch in keinster Weise zufriedenstellend. Die Vorgänge im Zigeunerlager, welche in ihrem Härtegrad im Mindesten denen im Erziehungslager entsprachen, kommen in den Prozessen nicht zur Rede, hierfür muss sich niemand verantworten.
Hauptsächlich beschäftigt sich Laher in "Herzfleischentartung" mit dem Umgang mit den Ereignissen im Lager "Weyer" in Oberösterreich in der NS-Zeit. Die folgende Verdrängung der Bevölkerung nach dem Niedergang des Dritten Reiches und die niedrigen Strafen, welche die Verantwortlichen für ihre Taten bekommen, spielen hierbei eine große Rolle. Mich überraschte, dass die Zigeuner selbst nach der NS-Zeit als niedere Wesen angesehen wurden und ihr Leiden im Lager missachtet wurde. Laut Laher wurden sie erst 1988 anderer Opfergruppen rechtlich gleichgestellt. Die Geschehnisse im Lager wurden mir persönlich allerdings viel zu kurz abgefasst. Seitenweise konfrontiert Laher den Leser mit aneinandergereihten Schilderungen von Schicksalen der Häftlinge des Erziehungslagers, welche zu knapp zur Sprache kamen. Insgesamt wirkt das Buch sehr sachlich gehalten - fast schon zu sachlich, da Laher die Geschehnisse weitgehend chronologisch abhandelt, ohne erzählerisch tätig zu sein. Jedoch weist er in einer Art Nachwort darauf hin, dass sein Buch keineswegs ein Sachbuch, sondern ein Roman ist. Er änderte die Namen der beteiligten Personen geringfügig ab, um eventuelle Nachkommen nicht in den Mittelpunkt zu rücken. Dies ist für mich allerdings kein treffender Punkt einer Ablehnung des Sachbuch-Charakters.
Positiv fällt seine feine Ironie auf, mit welcher er bestimmte Ereignisse und Ergebnisse der Verurteilungen kommentiert. Als Leser fühle ich mich aber ein wenig belehrt, da dieser Ironie teilweise sehr erklärend nachgesetzt wird, bzw. sogar einmal in den angefügten Quellen herausragend Ironisches unterstrichen wurde.
Demzufolge kann ich mich den lobenden Bewertungen bei Amazon, welche anscheinend hauptsächlich auf die Eindringlichkeit des Themas und die Wichtigkeit des Erinnerns eingingen, nicht anschließen:
(Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Buch thematisch in diesem Unterforum richtig ist. Falls nicht, bitte verschieben.)