Nach dem Lesen bin ich ein wenig geteilter Meinung. Ich hab das Buch eigentlich nur "zwischendurch", immer mal ein paar Seiten, gelesen. Allerdings merke ich, dass durch das nur schrittweise Lesen des Buches mir der Anfang der Novelle schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist.
Der Schreibstil Schnitzer's gefiel mir sehr gut, mir wurden die Szenen vor Augen regelrecht lebendig. Besonders die Beschreibung des Balles in der Villa und der Begegnung mit der geheimnisvollen, nackten Frau stachen für mich als recht beeindruckend heraus.
Der Traum Albertine's und die erlebte Realität Fridolin's, die so traumähnlich verschwommen und ungreifbar wirkte, scheinen die Alltäglichkeit ihres Ehelebens allerdings nicht vordergründig beeinflusst zu haben. Am Ende wird der Bogen zum Anfang wieder geschlossen, das tägliche Klopfen des Dienstmädchens weckt sie und damit beginnt ein neuer Tag, der den die Erlebnisse beider vorangegangenen Alltag wieder herstellt. Für mich wird nicht deutlich, ob Albertine und Fridolin nun tatsächlich in ihren angestammten Rhythmus mit der alten, sich auflösenden Liebe verfallen oder die Erkenntnisse von Traum und Wirklichkeit nutzen, um einen neuen Anfang wagen zu können. Nach ihren Erlebnissen in Traum und Realität sollten sie sich ihrer Liebe näher bewusst geworden sein, allerdings lässt das Ende nicht auf eine langfristige Erneuerung ihrer Liebe hoffen. Beide haben einander betrogen, Albertine unbewusst während ihres Traumes, womit sie vielleicht das eintönige Eheleben verarbeitet, welches sie nicht befriedigt. Fridolin hingegen betrügt sie mit dem Herzen, nicht sexuell. Er sehnt sich nach all diesen anderen Frauen, die ihm im Laufe der Nacht begegnet sind. Der geheimnisvollen Unbekannten forscht er sogar wie in einem Wahn nach. An Albertine denkt er währenddessen fast gar nicht mehr. Er wird sich erst der Vergeblichkeit seiner Suche nach der Unbekannten bewusst, als er den toten Leichnam der Frau sieht und erkennt, dass sein Nachforschen keinen Sinn mehr hat. Das Höchste an Erregung, an Spannung und an sexueller Gier scheint er während des Tanzes mit der nackten Frau erlebt zu haben, sodass eine Steigerung hiermit unmöglich wäre. Diese Erkenntnis treffend kehrt er zu seiner Frau und seinem alten, gewohnheitsgetreuen, eintönigen Leben zurück.
Für dieses nachdenklich machende Werk, bei dem mir jedoch irgendetwas fehlt - vielleicht ein eindeutigeres Ende, vielleicht eine bessere Zukunft für Albertine und Fridolin - gebe ich: