Beiträge von Papyrus

    Endlich mal wieder ein Abschnitt über Nur, die gefallen mir am besten. Scheint ja bei euch anderen nicht unbedingt der Fall zu sein :breitgrins:



    Diese Zeitsprünge empfinde ich ebenfalls als ziemlich ruckartig, denn ich habe immer das Gefühl, das hier ein sehr wichtiger Teil fehlt. Gerade in der Jugend, im Studium, wenn man eben beginnt seinen Platz in dieser Welt zu finden, dann ist es doch hochinteressant, was einen Menschen zu dem macht, was er dann letztendlich wird. Was einen beeinflusst, beeindruckt und welche Werte man entwickelt. Dies alles fällt komplett weg und Nur bekommt auf diese Weise keine Charakter, der irgendwie fassbar ist. Ich bin ihr gegenüber nach wie vor sehr neutral eingestellt, weil ich keine Beziehung zu dieser Person aufbauen kann. Ich finde sie nett, aber da hört es dann auch schon auf, weil ich einfach nichts von ihr weiß.


    Genau das sehe ich hier anders. Die Kindheit hat sie zudem gemacht was sie ist, da passiert in der Jugend nicht mehr viel. Nach Missbrauch und Schieberei von einer Pflegefamilie zur nächsten ist soviel geschehen, da kann keine Jugend mehr richtungsweisend einspringen.



    Die kursiv geschriebenen Stellen, sind ja seine Gedanken und anscheinend kann er sich an Mariam erinnern, ist tatsächlich der Khaled von damals, und lebt mehr bei den Toten in einer Geisterwelt, anstatt der realen. Das ist schon ziemlich mystisch. Eigentlich müsste das ganze ja ein Paradoxon auslösen, aber ich lasse es jetzt einfach mal so stehen. In einem Science-Fiction Roman wäre es bestimmt interessant, aber hier passt es nicht. Das hat schon nichts mehr mit Aberglauben zu tun, denke ich, aber ich weiß es nicht. Was sagst du, Papyrus dazu?


    Ich lasse es auch einfach stehen und nehme es als erzählerisches Stilmittel.



    Das hat mich ja ganz besonders erstaunt. Ich dachte immer, ein verheirateter Mann sei ein absolutes no go, aber anscheinend denke ich wieder zu modern. Es sind ja nur die Frauen, die dann die Schlampen sind, Männer können viele Frauen haben und sind tolle Hechte. Bei ihnen ist es natürlich auch keine Sünde, sich zu verlieben, wenn man schon verheiratet ist. :rollen: Da könnte ich echt brechen. Eine Frau wird beschimpft, angespuckt und erniedrigt und derselbe Fakt bei einem Mann ist absolut in Ordnung.
    Natürlich kann man sich verlieben, wenn man verheiratet ist, denn man hat drauf keinen Einfluss, aber dieses mit zweierlei Mass messen, das macht mich richtig sauer.


    Im arabischen Raum ist es nun mal normal, dass ein muslimischer Mann vier Frauen heiraten kann, eine Frau natürlich nur einen Mann. Von daher ist Jamal kein no go. Das merkt man im Verhalten von Haja Nazmiyya und Alwan ganz deutlich.
    Jamal, seine Frau und Nuri zeigen eher westliche Verhaltensweisen. Es sind unterschiedliche Prägungen.



    Nur ist also Psychotherapeutin geworden, um Frauen und Mädchen zu helfen, denen dasselbe passiert ist wir ihr. Ist das nicht etwas zu klischeebehaftet?


    Nein.



    Dass Nur auch noch mit Bulimie zu kämpfen hat, war mir mal wieder zu viel des Guten.


    Mir nicht, ich finde das passt aufgrund ihrer Vergangenheit. Man gönnt sich was (Junkfood) und man bestraft sich und entzieht es dem Körper direkt wieder.
    Es ist Selbsthass und totale Kontrolle. Mißbrauchte und Vergewaltigte haben gerne die totale Kontrolle, es gab schließlich mal einen Moment da hatten sie diese nicht. Es ist ja auch bezeichnend, dass sie sich in Gaza nicht einmal die Finger in den Hals gesteckt hat.


    [size=7pt]Zitat repariert, Dani[/size]

    Ich fand es faszinierend, dass Abdel das so lange mitgemacht hat und sich keine Zweitfrau gesucht hat. Andere hätten Alwan wohl schon längst aufgegeben.


    Nun ja, Abdel vermutete, dass er nicht ganz so fruchtbar sei. Dies vielleicht über eine andere Frau bestätigt zu bekommen wollte er wohl nicht unbedingt.


    Khaled scheint Epileptiker zu sein. Welche bedeutende Rolle Alwan vielleicht noch zu spielen hat, konnte man bisher auch nicht erfahren. Was ist an dieser Frau so besonders, dass ihre Mutter erst 12 Söhne in die Welt gesetzt hat bevor sie kam? Dass sie Khaled bekommen hat?


    Etwas befremdlich fand ich die Hebamme, die aus der Plazenta Medizin macht und diese weiter verkauft…


    Och, Aberglaube und Geld finden schon zusammen :zwinker:


    Lilli33 und TochterAlice


    Tatsächlich? Die Sprache ist euch zu überzogen? Gut, vielleicht habe ich mich schon daran gewöhnt. Es wird drumherum geredet und blumigst gesprochen.
    Statt "Guten Morgen" gibt es einen "erleuchteten Morgen", einen "rosigen Morgen" usw.
    Man sagt nicht "Gute Nacht", sondern "wach gut auf" und vieles mehr.
    Lasst euch von der Sprache treiben, so direkt auf den Punkt wie bei uns kommt man im arabischen Raum einfach nicht.

    Puh bei aller Liebe zu vielen Kindern. 12 sind aber doch schon eine ganze Menge, ich glaube selbst im arabischen Raum. Welche Laune da wohl im Spiel war, dass Nazmiyya erst 11 Jungen bekommen musste, bevor das ersehnte Mädchen endlich kommt.
    Nur scheint die Hauptfigur in dem Roman zu sein. Teil 2 + 3 sind ausschließlich ihr gewidmet. Ein Mädchen mit europäisch - arabischen Wurzeln, aufgewachsen in Amerika. Mehr Multikulti geht nicht. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich ihr Schicksal zu dick aufgetragen finde, es ist auf jeden Fall erstaunlich was ein Mensch alles ertragen kann.
    Die Art wie die Autorin Gefühle beschreibt finde ich unglaublich. Bei dem Tod von Jiddy "fielen ihr im Inneren alle Teile durcheinander wie die Perlen einer Halskette deren Schnur reißt". Oder nach dem Missbrauch durch Sam, als sie das Krankenhaus verlassen konnte und in ihrem Körper "unzählige ungeweinte Tränen verkrustet waren".
    Mich berühren diese Beschreibungen sehr.

    Setzt die Autorin nun einiges an Wissen voraus, oder das Lektorat?
    Man hätte Fußnoten setzten können.


    Ich werde mein Bestes geben und Erklärungen einfließen lassen wenn mir etwas auffällt. Schön, dass ich auch mal was beitragen kann :smile:


    Was glaubt ihr hat es mit der kursiven Schrift am Anfang eines jeden Kapitels zu tun? Ist das ein entfernter Verwandter, der die Geschichte erzählt?



    Ich vermute, dass es Khaled, der Urenkel von Umm Mamduh (die mit dem Dshinn) ist.


    Umm Mamduh heißt übrigens "Mutter von Mamduh" es ist in der arabischen Welt üblich, dass man eine Frau mit Kindern nur noch mit "Mutter von ..." anspricht. Perfekt natürlich wenn die Mutter einen Sohn hat, ansonsten nennt man sie auch (bis der männliche Sprössling kommt) und sie nur Töchter hat "Mutter von (und dann den Namen der ersten Tochter)

    Hallo Zusammen,


    für mich ist es das zweite Buch von der Autorin, der Stil unterscheidet sich m.E. nicht sehr von dem anderen Buch, aber mir gefällt die Art wie sie schreibt.
    Ich denke alles was jetzt unlogisch und wirr erscheint wird sich noch klären. Hart wird es sicherlich noch bleiben, bzw. werden.


    Tina,
    die Autorin schreibt einen Roman aus Sicht der Palästinenser und kein Sachbuch. Dass da schon mal ein wenig verallgemeinert wird gehört wohl dazu, um die Sicht der Probanten besser zu beschreiben. Ich würde das jetzt nicht überbewerten.



    Mich stören diese "mystischen" bzw. "magischen" Einschübe auch sehr, gerade bei diesem doch sehr ernsten Thema. Die Mutter ist angeblich von einem Dschinn besessen, die kleine Mariam hat einen imaginären Freund, der ihr lesen und schreiben bei bringt und auf Bildern auf einmal zu sehen ist? Also irgendwie finde ich diese Inhalte auch sehr störend. Auch hat es mich zuerst die ganze Zeit verwirrt, dass aus Sicht vom Enkel Nazmiyya geschrieben wird, der angeblich schon als unsichtbarer Freund sich mit seiner Großtante Mariam ausgetauscht hat. :rollen:


    Ich bin des Öfteren in Ägypten und nehme dies mal stellvertretend für die arabischen Länder (und hoffe das stimmt auch so): Man ist in dieser Region noch heute sehr abergläubisch und glaubt an Geister und Dämonen mit roten Augen und den bösen Blick. Der Teil der Geschichte geht circa 70 Jahre zurück, da wird der Aberglaube noch weiter verbreitet gewesen sein als heute.
    Mir kommt die Art wie die Autorin die Geschichte erzählt eher sehr authentisch vor, man erhält einen Einblick wie dieser Teil der Welt tatsächlich denkt und fühlt.
    Ein kleines Gimik hat sie übrigens eingebaut. Der Familienname Baraka ist arabisch und bedeutet übersetzt "Segen".

    dubh hat mich nett zur Teilnahme an dieser Leserunde eingeladen. Ich weiß nicht was mich nach 2 Wochen Urlaub morgen im Büro erwartet, aber ich bin sehr gerne dabei. Den Erstling habe ich sehr gerne gelesen und dieses Buch hatte ich auch schon in der Hand.
    Falls es noch möglich ist würde ich gerne verspätet in den Lostopf hüpfen.


    :winken:

    Susan Abulhawa, selber ein Kind palästinensischer Flüchtlinge, hat einen Familienroman über den Nah-Ost-Konflikt geschrieben. Ein Romanen aus palästinensischer Perspektive, ohne antisemitische Tiefschläge, im Gegenteil.
    Der Leser taucht ein in 60 Jahre Geschichte Palästinas und begleitet die Familie um das Mädchen Amal von 1941 bis 2002.

    Zitat

    "So entstand im Schatten des europäischen Nazismus und trotz der wachsenden Kluft zwischen Arabern und Juden in Palästina eine Freundschaft, die sich dank jugendlicher Unschuld, dank des Rückzugs in die Literatur und eines Desinteresses an Politik vertiefte."


    Die Geschichte beginnt leicht, spielerisch und orientalisch angehaucht um dann regelrecht ungemütlich zu werden. Das sorglose Leben wird plötzlich bestimmt von Vertreibung und Enteignung und der immerwährenden Hoffnung alles möge wieder gut werden.


    Die Autorin hat der Familie viele Schicksalsschläge zugetraut. Ob eine Familie in dieser Region tatsächlich so viel Elend erleidet vermag ich nicht zu beurteilen, soll aber in diesem Zusammenhang gar nicht zur Debatte stehen. Es scheint mir vielmehr ein Versuch verschiedene Konstellationen von Unglück eines Palästinensers zu beschreiben, bzw. in den Fokus zu rücken.

    Zitat

    "Aber das Herz muss trauern. Manchmal verwandelte sich der Schmerz in Freude. Und manchmal konnte man den Unterschied nicht erkennen. Für die Generationen, die in den Flüchtlingslagern geboren wurden, war die Sehnsucht nach dem Tod der einzige Ausweg aus dem Schmerz. Der Tod war das Leben, das Leben war der Tod. Als Amal jung war, wollte sie eine Märtyrerin werden."


    Zitat

    "Huda wollte für ihr Leben gerne am Strand sitzen. "Bloss sitzen," sagte sie, ..."weil ich doch nicht schwimmen kann." Diese Worte habe ich niemals vergessen. Die Bescheidenheit ihres größten Wunsches bringt mich noch heute zum Weinen."


    Es geht aber nicht nur um äußeres Unglück, hervorgebracht durch die israelische Siedlungspolitik und das Verhalten des Westens, es geht ebenso um das kleine, das familiäre Unglück.
    Dalia, die Mutter Amals, kann ihrer Tochter ihre Liebe nicht zeigen. Zu groß ist ihr eigenes Trauma, zu groß ihre eigenen Verluste. Ihr jüngster Sohn kommt ihr bei der Vertreibung aus ihrem Dorf abhanden. Wie der Leser später erfährt, wächst er als Sohn in einer israelischen Familie auf. Ein Palästinenser, aufgewachsen als israelischer Jude. Geschickt stellt Susan Abulhawa in dieser Sequenz die ewige Frage "was wäre wenn".

    Zitat

    "Wir alle werden mit den größten Schätzen geboren, die wir im Leben haben können. Einer dieser Schätze ist dein Verstand, ein anderer dein Herz."


    Ein Buch welches einen anderen Blick auf den immer noch aktuellen Konflikt im Nahen Osten wirft und die Rollen von Tätern und Opfern gehörig durcheinander wirbelt. Nicht unbedingt eine Wohlfühllektüre, aber meines Erachtens sehr lesenswert.


    5ratten

    Im Gegensatz zu Aldawen hat mir der Roman ausgesprochen gut gefallen. Mag es daran liegen, dass mir so manches schon bekannt ist? Ich weiß es nicht, ist auch egal.


    Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise in die Oase Siwa am Ende des 19. Jahrhunderts, in eine Zeit als Ägypten unter britischer Herrschaft stand.
    Die Oase Siwa liegt westlich, an der Grenze zur libyschen Wüste und ihre Geschichte lässt sich bis auf 1500 Jahre v.Chr. zurückverfolgen, zudem war sie eine Orakelstätte, das Orakel von Siwa, auch bekannt als Orakel von Amun.


    Durch ihre Lage ist die Oase ein kleiner Kosmos für sich, bewohnt wird sie hauptsächlich von Berbern, die "Amtssprache" ist Siwi, ein paar wenige sprechen ägyptisch-arabisch.
    So scheint es fast selbstverständlich, dass Sitten und Gebräuche sich an der Vergangenheit orientieren. Traditionen und Aberglauben wiegen schwer, eine Orientierung in Richtung Zukunft scheint aussichtslos. Eine Fehde, an deren Ursprung man sich kaum noch erinnern kann, spaltet zudem die Bewohner der sogenannten Westsippe und Ostsippe. Man beäugt sich misstrauisch, kriegerische Auseinandersetzungen keimen immer wieder auf.
    Und doch wird dieser Flecken Erde von den Engländern nicht vergessen, das britische Weltreich braucht Geld, die Oase wird besteuert. Die Steuern sind hoch, vielleicht ein Grund, dass die Vorgänger von Machmud Abdel Sahir ermordet wurden?
    Zu Beginn scheint es noch, als würde sich alles zum Guten wenden. Machmud ist freundlich und zurückhaltend. Anders als seine Vorgänger versucht er nicht mit Macht und Gewalt die Steuern einzutreiben. Allerdings wurde Machmud von seiner Frau Catherine auf diesen Posten begleitet. Sie ist klug, intelligent und getrieben von dem Wunsch das Grab von Alexander den Großen in der Oase zu finden, hatte er wohl zu Lebzeiten den Wunsch geäußert in dieser Oase beerdigt zu werden.
    Ihre offene und moderne Art wird in der Oase nicht gerne gesehen. Nicht nur die Männer wenden sich ab -was noch zu verstehen wäre- auch die Frauen der Oase verweigern ihr jede Sympathie. Im Gegenteil, man ängstigt sich vor ihr. Bis auf Malika, eine junge Frau aus der Westsippe, die versucht Kontakt mit Catherine aufzunehmen und damit den Stein des Verderbens ins Rollen bringt.


    Geschickt erzählt der Autor die Geschichte aus der Sicht von fünf Ich-Erzählern, so dass alle Elemente, wie Tradition und Moderne, für den Leser erschlossen werden. Selbst Alexander der Große kommt zu Wort.


    Überaus spannend, weiß Baha Taher zu fesseln und die Geschehnisse voran zu treiben. Ein historischer Glitzerroman in ausufernder orientalischer Erzählmanier ist dieses Buch nicht. Jedoch eine gelungene Zeitreise an einen wenig bekannten Ort in Ägypten, hervorragend übersetzt von Regina Karachouli.


    Für diesen Roman erhielt Baha Taher 2008 den, in dem Jahr erstmalig verliehenen, International Prize for Arabic Fiction.


    5ratten

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    Frankreich ist nicht meine Heimat, von daher kenne ich die innerpolitischen Probleme des Landes nicht im Detail. Der Islam ist nicht meine Religion, auch hier bin ich als Außenstehende unterwegs.
    Trotzdem ist dieser nur 143 Seiten starke Roman gut verständlich und sehr lesenswert. Die Originalausgabe erschien 2009 in Frankreich, gerade aktuell das Attentat in Paris macht deutlich wie aktuell und wichtig die Auseinandersetzung von und mit Migranten ist.


    Zitat

    ""Hast du diesen Schweinehund gesehen, der unseren Propheten - Gottes Segen sei mit ihm - mit einem mit Bomben gepickten Turban gezeichnet hat?" [...] Mohammed hätte gerne darauf geantwortet [...] dass es Idioten wie er sind, die den Dschihad herbeiloben und von Paradies und Märtyertum schwafeln."


    Mohammad, ein junger Marokkaner, kommt 1962 mit seiner Frau als Gastarbeiter nach Frankreich. 40 Jahre arbeitet er am Fließband bei Renault. Integration ist nicht seine Stärke, Fanatismus ebenfalls nicht.
    Das Buch beginnt mit Mohammeds Erinnerungen an seine Pilgerreise nach Mekka. Die Heiligkeit des Islam erblasst angesichts der Brutalität und Verrohung der Gläubigen auf der Suche nach Segen und Heimsuchung.


    Zitat

    "Die Schwächeren starben, lagen am Boden, in Staub und Blut, nicht eines Blickes, eines letzten Gebetes würdig. Solche Szenen waren unvermeidlich an diesem Ort, der in wenigen Tagen von mehr als zwei Millionen Gläubigen heimgesucht wurde; sie wuschen sich dort von ihren Sünden rein und fuhren danach zufrieden und erfüllt von den Tugenden ihres Glaubens nach Hause. Das war kein schöner Anblick."
    "[...] "keine Zeit zum Nachdenken, hier ist es sowieso nicht ratsam zu denken, hier gibt man sich Gott hin, kein Zögern, kein Zweifeln, man gehört Gott und er tut mit einem, was er will, verstehst du mein Freund?" Mohammed fand es übertrieben und sogar babarisch [...]"


    Mohammad ist ein einfacher Mann, der weder lesen noch schreiben kann, ganz in seiner Arbeit aufgeht und nun vor der Rente steht. Diese Einfachheit ist zugleich seine Stärke und seine Schwäche. Sie hilft ihm nicht fundamental zu werden, hindert ihn aber gleichzeitig an einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Glauben und einer Annäherung an Frankreich, seiner neuen Heimat.
    Er und seine Frau haben vier Kinder, zwei Söhne, zwei Töchter, die er alle an Frankreich verloren hat, wie Mohammad es ausdrückt. Er verkennt, dass seine Kinder eben nicht Fremde in ihrer neuen Heimat sind, sie haben sich integriert. Frankreich ist ihr Zuhause. Sie haben Berufe, verheiraten sich mit anderen Europäern.,Ob Christentum oder Islam, es spielt in ihrem Leben keine Rolle.
    Nur sein Neffe Nabile, welcher als Kind mit Downsyndrom als sein Sohn ebenfalls in Frankreich aufwächst, bereitet ihm Freude.
    Genau an Nabile zeigt sich die Schwäche in seinem Denken. Marokko, seine Liebe, seine Heimat, in welcher jeder Urlaub verbracht wird, lässt solche Menschen verkommen. Für Behinderte gibt es keine Hilfen, keine Schulen, keine Sonderpädagogik. Auch hier, keine Reflektion und kritische Auseinandersetzung.


    Als Rentner schmiedet er nun Pläne. Zurück in seinem Heimatdorf wird er ein Haus bauen, welches die gesamte Familie, gemäß alter Tradition, wieder einen wird. Er bespricht seine Pläne weder mit seiner Frau, noch mit seinen Kindern. Ist dies nun tatsächlich seiner Tradition und dem Glauben, oder dem Altersstarrsinn geschuldet?
    Es ist wohl eine Mischung aus allem, mit einem klaren Ausgang. Das Haus, eine architektonische Sünde in der Landschaft, ohne Strom und Wasser, ist fertig, seine Kinder jedoch werden nicht kommen.



    Tahar Ben Jelloun, in Markokko geboren und nach Frankreich emigriert, ist wohl zurecht ein Wanderer zwischen den Welten. Er kennt beide Sichten auf die Welt und macht sie in seinen Romanen verständlich. Seine Bücher werden in zahlreiche Sprachen übersetzt, zudem erhielt er einige Literaturpreise.


    4ratten

    Man darf den Klappentext nicht allzu ernst nehmen, geht es zwar wie darin beschrieben auch um die Liebe, aber sie ist meines Erachtens nicht der Schwerpunkt der Geschichte.
    „Leonore und ihre Töchter“, ein Familienroman. Anhand von 4 Generationen Frauen einer bürgerlichen Familie führt die Autorin die Leser-innen durch knapp einhundert Jahre Geschichte. Ein Roman aus Sicht von Frauen, ohne den Stempel „Frauenroman“ zu verdienen. Dafür schreibt Gina Mayer zu bodenständig und realitätsnah, fernab jeglicher Klischees.


    Mit einem Blick auf die Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 (wo es den Eifelturm schon gab und dieser orange gestrichen wurde), geht es weiter zurück bis in das Jahr 1813. In die Welt der Tuche und Stoffe, in die furchtbare Welt der Kinderarbeit. Aber gerade Kinder kennen keine Grenzen, keine Vorurteile. Sie knüpfen Freundschaften aus Zuneigung und Sympathie. Nichts, was den gesellschaftlichen Regeln standhält. Im Gegenteil, eine Kinderfreundschaft legt den Grundstein für die teilweise Entwicklungen in den Lebensläufen der Figuren dieser Geschichte.
    Gut recherchiert, und atmosphärisch dicht erzählt, werden die Frauen auf ihrem Weg, den das Schicksal für sie bereit hält, begleitet.


    Führen einige Teile der Geschichte den Leser bis nach Paris, ist Düsseldorf, wie in den anderen Erwachsenenbüchern der Autorin, der gewohnte Handlungsort des Geschehens. Man kann die Geschichte auch lesen ohne die Stadt zu kennen, ist aber der Handlungsort eine schöne Nebensächlichkeit für Leser aus dieser Umgebung.


    Wohl eher unbeabsichtigt nimmt die Geschichte viel Bezug auf aktuelle Ereignisse. Kinderarbeit ist in weiten Teilen der Welt immer noch an der Tagesordnung. Die Emanzipation, befeuert durch die im Buch vorgestellten Suffragetten, hat in vielen Ländern bisher keinen Einzug erhalten. Ein historischer Roman, aktueller denn je.


    5ratten