Beiträge von riff-raff

    Ich fand es verrückt, dass mir in erst in den letzten Kapiteln bewußt wurde, worum es in diesem Buch grundsätzlich geht. Ich erkannte es durch Lewin. Es geht um die Wurzeln, die jeder Mensch braucht um existieren zu können. Anna hatte ihre Wurzeln verloren, nämlich ihre familiären, wie auch ihre gesellschaftlichen. Ohne diese Wurzeln konnte sie keine Nahrung für ihr Leben finden. Lewin hatte sein Leben lang nach seinen ursprünglichen Wuzeln gesucht und sie wage in einer "Art" Religion oder auch Philosophie gefunden, darum konnte er, im Gegensatz zu Anna, weiterleben.


    Wirklich sehr gut erfasst und auf den Punkt gebracht :klatschen: Bin jetzt ebenfalls durch mit dem Buch, denke aber, dass es mich noch einige Zeit weiterbeschäftigen wird.

    Apropo Essen: Ist euch aufgefallen, dass die erst am Abend Mittagessen und das Abendessen mitten in der Nacht stattfindet. Hat man das damals wirklich so gemacht?


    In der Übersetzung von Rosemarie Tietze findet sich diesbezüglich folgende Anmerkung:


    "Die Essenszeiten in der damaligen vornehmen Gesellschaft unterscheiden sich von heutigen Gepflogenheiten. Nach einem kargen Frühstück, oft nur einer Tasse Kaffee oder Tee mit Brot und Butter (z. B. einem Kalatsch), folgt um die Mittagszeit ein leichtes Dejeuner. Die Hauptmahlzeit, das aus mehreren Gängen bestehende Diner, findet um 17 oder 18 Uhr statt. Später, nach 21 Uhr, nimmt man noch eine Tasse Tee zu sich, dazu Kuchen oder Süsses. Nach Bällen oder ähnlichen Anlässen gibt es spät in der Nacht noch ein Souper."

    Tolstois Beschreibungen vom Heuen und dem Leben auf dem Lande finde ich sehr schön [...]


    Ich sah diese Landschaften geradzu vor mir und ich hörte beinahe das Geräusch der Sensen, wenn sie das Gras schneiden.


    Beim Lesen dieser Romanpassagen ist mir auch klar geworden, warum die Übersetzerin Rosemarie Tietze, als sie sich in ihrem Buch bei den verschiedenen Helfern und Ratgebern bedankt, besonders die Allgäuer Landwirte Alfons und Petra Schad hervorhebt ... Ausdrücke wie "Schwaden", "Bart" (bei der Sense) oder "Mahdstreifen" gehören ja nicht unbedingt zu jedermanns Wortschatz. Aber dies zeigt deutlich, wie genau sich Tolstoi in seiner Materie auskannte. Ich bewundere, wie er von einem Kapitel zum nächsten so souverän zwischen Stadt und Land hin und her wechselt und dabei sowohl das grossstädische Gesellschaftsleben der Metropolen als auch die harte Landarbeit so authentisch darzustellen vermag. Man merkt, dass er beides aus eigener Anschauung kannte: Highsociety und das einfache Leben der Bauern.


    Apropos Bauern - in meinen Anmerkungen steht, das Graf Tolstoi auf seinem Landgut durchaus auch mal selbst zur Sense griff oder sonstwie Hand anlegte, wenn Not am Mann war. Im Internet habe ich dazu folgendes Bild gefunden:


    tolstoi.jpg
    Lew N. Tolstoi (links) und der Bauer P. Wlassow beim Mähen auf dem Landgut Jasnaja Poljana, um 1890. (Bild: PD / Tolstoj-Museum Moskau)

    Jedoch wird auch hier erwähnt, dass es in der Gesellschaft in Ordnung ist, wenn ein Mann versucht, eine verheiratete Frau zu verführen, es jedoch inakzeptabel ist, wenn eine Frau sich darauf einlässt. Wie bitte? :gruebel:


    Habe ich auch immer seltsam gefunden, dass in solchen Fällen der Spott hauptsächlich der 'gefallenen' Ehefrau gilt und dem Ehemann, der sich hat Hörner aufsetzen lassen, während der 'Verführer' meist ungeschoren davonkommt, ja, sogar so etwas wie Anerkennung erfährt ...

    Lewin ist vielleicht ein Mädchen! :breitgrins:


    Hallo :winken:


    Ich denke, Lewin ist hauptsächlich Frauen gegenüber schüchtern und linkisch - in seiner Zurückgezogenheit fehlt ihm wohl der nötige Umgang mit dem anderen Geschlecht ... Aber - wie du später sehen wirst - er kann, wenn es um Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinem Landgut geht, auch recht zupackend und entschlossen sein. Ihm geht halt völlig dieses Grossstädtische und Weltmännische ab, das z. B. einen Wronski auszeichnet. Er hasst es, sich zu verstellen und eine Rolle zu spielen.


    Ich finde es sehr bezeichnend für ihn - und hier greife ich weit in den zweiten Teil des Buches voraus, sorry :breitgrins: - wenn er erklärt, dass er nie darüber nachgedacht hat, was er sei: "Ich bin Konstantin Lewin, sonst nichts."


    Gruss


    riff-raff


    Ausserdem habe ich immer noch so meine Probleme damit, genau zu verstehen, womit sich eigentlich, die bisher geannnten ihren Lebensunterhalt verdienen. Stepan scheint eine Art Beamter zu sein [...]


    Ja, nach Schwerstarbeit sieht das nicht gerade aus. Aber vor allem die Frauen - verfügen über Kindermädchen, Köchinnen, Diener, Gouvernantinnen ... Ihre Hauptarbeit scheint darin zu bestehen sich schön herauszuputzen, Gesellschaften zu veranstalten und auf Bälle zu gehen. Die Glücklichen ... :smile:

    Hallo zusammen :winken:


    Endlich komme ich auch zum Schreiben ...


    Ich lese die Übersetzung von Rosemarie Tietze (2009) und dabei ist mir aufgefallen, dass Anna Karenina bei ihrer ersten Begegnung mit Wronski (Erster Teil, Kapitel XVII) folgendermassen beschrieben wird:


    Sie [Anna] ging hinaus mit raschem Gang, der so merkwürdig leich ihren recht fülligen Körper trug.


    "Recht fülliger Körper" - das heisst doch wohl, dass sie eher dicklich ist ... Mir soll's recht sein, finde ich sogar sympathisch, dass sie über keine Modelmasse verfügt.


    Ich lese die russische Originalausgabe [...]


    Wie ich dich beneide ...