Hallo, Historiker!
Zitat von "Historiker"
Punkto Kritik muß man immer vorsichtig sein.
Mondfeuer und sein Nachfolger Mondschatten sind sauber erzählte, tw. sehr langatmige Fantasy-Romane, die historische Eckdaten als "Rahmen" nutzen. Das Ganze steht in der Tradition der historic fantasy à la Marion Zimmer Bradley und Diana Paxson.
Diese AutorInnen sind sehr stark religiös und weltanschaulich motiviert -- die Intention ist, für eine konstruierte Religion (Wicca), die sich auf archäologische Zeugnisse beruft, für die abseits jeder wissenschaftlichen Überprüfung eine feministische Deutung vehement verfochten wird. Diana Paxson ist allerdings keine Wicca, sondern Asatrú, speziell eine Anhängerin des Seidhr (an. seiðr), das ebenfalls ein modernes Gemisch aus Bachofens Theorie von einer "Großen Mutter" und feministischen Ideen à la Elizabeth Gould Davis (Am Anfang war die Frau).
Auch Donna Gillespie hängt solchen Vorstellungen an, wie ihre Quellenangaben auf ihrer Website bereits zeigen. Gillespie kostruiert eine mächtige weibliche Priesterschaft, für die wir weder literarisch noch archäologisch noch in den oral traditions irgendeinen Beleg haben, und behauptet, das sei historisch.
Auch ihre Beschreibungen des römischen Stadtlebens zeugen leider von wenig Kenntnissen der antiken Materialkultur. Pergament und Papyros wurden nicht als Briefmaterial verwendet. Das Patriziat war zu Zeiten der flavischen Kaiser politisch längst völlig bedeutungslos, was zählte, war, ob eine Familie in männlicher Linie (incl. Adoption) senatorische Vorfahren vorweisen konnte. Stahl ist eine metallurgische Weiterentwicklung der Damaszener Schmiedetechnik - nicht vor dem Hochmittelalter nachweisbar! Historisch hätte die Herkunft des Erzes eine Rolle spielen können d.h. die Verhüttung von echtem Eisenerz aus dem Tagebau z.B. im Noricum und Illyricum anstelle von einheimischem Rasenerz --- bloß dass diese Erzvorkommen sich schon damals in römischem Herrschaftsgebiet befanden. Außerdem kann rechtsrheinisch nur für wenigen Regionen die Verhüttung von Eisenerz anstelle von Rasenerz nachgewiesen werden, und dann auch nur Jahrhunderte jünger.
Römische Schwerter sind keine Hieb-, sondern Stichwaffen, Kampftechniken und -taktiken sind völlig falsch beschrieben. Irgendwo kommt mal ein Steigbügel vor (erst seit den Hunnen nachweisbar, erste umfangreiche Darstellung auf dem Teppich von Bayeux), und was die Verantwortlichkeiten militärischer Ränge angeht --- gut, da mag die Übersetzung ein übriges getan haben: Bei Gladiator wurde ja auch aus einem neutralen general, der typischen englischen Ersetzung für lat. legatus, ein "Tribun", der rangmäßig unter diesem steht und eher einem Oberst oder Stabsfeldwebel entspricht.
Hinzukommt, dass die in vielen Rezensionen so gelobten "Weltanschauungen" und "Denkungsweisen" mit der damaligen Zeit absolut überhaupt nichts zu tun haben -- es sind völlig überholte moderne Vorstellungen von "antiker Geisteshaltung" bzw. der "Geisteshaltung des frühen (= prähistorischen) Menschen". Das alles stammt im Falle von Zimmer Bradley, Pxson und GIllespie weitgehend aus Edward Gibbons Decline of the Roman Empire, dessen über eine Anekdotensammlung hinausgehender historischer Wert längst widerlegt ist. Auch Gibbons hatte vor allem anderen eine weltanschauliche Intention: zu zeigen, dass der Sieg des Christentums und sein langer Opfergang Teil eines göttlichen Plans zur Überwindung des Bösen (= des Heidentums!) sei. Bei Gillespie - wie bei Zimmer Bradley und Paxson, soll eine solche weltanschauliche Unterfütterung beweisen, dass es eine von Frauen dominierte friedfertige, stolze, freiheitliche, individualistisch Weltanschauung gegeben habe, die von grausamen patriarchalischen Gesellschaften unterdrückt und beseitigt worden seien.
Sorry, aber das ist eine feministische Urgeschichts-Wahnvorstellung, die sich aus einer ziemlich undifferenzierten Rezeption von J.J. Bachofens Mutterrecht speist (btw: Bachofen war selbst ein ziemlicher "Chauvi" ). Ich habe dem selbst lange nachgeforscht: Es gibt definitiv keine Zeugnisse, nur einen Berg moderner Theorien und Sachbücher (!) ohne jeglichen wissenschaftlichen Beleg! Und das Fehlen solcher Belege liegt längst nicht mehr daran, dass die Männer - böse, grausam und feige - sämtliche Zeugnisse vernichtet oder versteckt hätten, sondern daran, dass es sie schlicht und einfach nicht gibt. Einer der Gründe ist z.B., dass heute nicht mehr jeder Gegenstand, dessen mögliche Funktion auf den ersten Blick nicht erkennbar erscheint, sofort als "kultisch" gedeutet wird -- wie z.B. das römische strigulum, von dem man längst weiß, dass es kein heiliger Haken zur Aufhängung von geweihten Lampen oder Opfertieren ist, sondern ein Gerät, um das Fett-Schweiß-Gemisch vor dem Baden vom Körper zu schaben ...
Nichtsdestotrotz sind Gillespies Romane ordentlich erzählte Fantasy-Romane, an denen man durchaus seinen Spaß haben kann und die ebenso durchaus zu Interesse am Mitteleuropa der Römerzeit wecken kann. Aber für bare Münze nehmen sollte man darin bitte möglichst gar nichts!
Herzliche Grüße,
Iris