Einen schönen guten Abend an alle Mitdiskutierenden!
Ein auf dem Postamt hinter ein Regal gerutschter Brief erreicht seine Bestimmung mit einer Verspätung von dreißig Jahren! Sofort habe ich ein Bild im Kopf von einem düsteren, staubigen Büro, in dem man es mit dem Saubermachen weniger als genau nimmt...
Wäre der Brief angekommen, würden alle, für die er bestimmt war, heute wahrscheinlich ein ganz anderes Leben führen als das, in dem sie festsitzen - ob glücklich oder nicht werden wir, so ist anzunehmen, im Laufe der Lektüre erfahren.
Zumindest der Adressat Alain scheint auf eingefahrenen Gleisen müde dahinzurollen. Überlegt er sich, wie sein Leben heute wohl aussehen würde, wenn seine Band den Plattenvertrag, auf den wohl wirklich gute Aussichten bestanden, bekommen hätte? Trauert er möglichen verpassten Chancen nach? Ich bin mir noch nicht so sicher. Jedenfalls versucht er, die Mitglieder von Hologramme aufzustöbern, um ihnen von der Antwort der Plattenfirma zu erzählen.
Eine richtige Entscheidung? Nun, manchmal sollte man schlafende Hunde ruhen lassen...
Werden nun alle Bandmitglieder der Reihe nach vorgestellt? Es sieht so aus. Aber es sind ja nicht nur sie, die wir kennenlernen, sondern, wie im Falle JBMs, der eigentlich nur der Geldgeber war, derjenige, der eine Lokalität für die Aufnahme der vier Lieder zur Verfügung gestellt hat, jemanden der nicht direkt zur Gruppe gehörte - und seine Frau und seine effiziente Sekretärin auch nicht.
Im Moment sehe ich noch nicht wirklich, in welche Richtung sich der Roman bewegt.
JBM - das Wunderkind, dem alles gelingt, der möglicherweise der nächste Präsident der Republik wird, der ein so unglaubliches Gespür für Entwicklungen auf allen Ebenen des Weltmarktes besitzt, dass einem ganz schwindelig wird! Und dabei wird er als komplett bedürfnis- und anspruchslos geschildert.
Das macht ihn mir sympathisch, unterscheidet ihn gravierend von all den Erfolgreichen, all den Reichen und Schönen, von denen man in Hochglanzmagazinen aller Art liest. Ob er immer schon so war? Wie war er denn zu Band-Zeiten? Man liest mal, dass er mit der Sängerin der Gruppe zusammen war...
Noch tappe ich hier in dem Roman herum, sehe noch keine klare Linie, keinen eigentlichen Erzählstrang. Auf jeden Fall aber lässt sich die Geschichte ganz anders an, als ich es mir nach der Lektüre des Klappentextes ausgemalt habe! Charmant und humoristisch finde ich sie noch nicht...
Doch bin ich neugierig auf den Fortgang der noch nicht ersichtlichen Handlung. Schon das Zitat von Henri de Regnier, das dem Buch vorangestellt ist, berührte etwas in mir. Und als Alain sich an die Musik der 80er Jahre, die New Wave und Cold Wave erinnert, kamen auch mir, die ich in den 80ern noch jung genug war, Melodien in den Kopf...
"Le Mots Bleu" von Christophe aus den 70er Jahren sprach aber wohl eher die französischen Teenager an; jedenfalls war es mir, nachdem ich es gleich angehört hatte, unbekannt... Vielmehr kann ich in meiner Generation den Effekt, den Christophe auf Alain hatte, eher Jacques Brel zuschreiben, auch Aznavour und Adamo, um nur bei den französischen Interpreten zu bleiben...