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Da dümpelt er nun vor sich hin, der heruntergekommene Reporter Bruno! Er trinkt zuviel Alkohol, seine langjährige Freundin und Kollegin Hanna hat ihm zwar die Liebe, nicht aber die Freundschaft aufgekündigt. In der Tat kümmert sie sich noch immer rührend um ihn. Es ist anzunehmen, dass er ohne sie, die gelegentlich vorbeischaut, um nach dem Rechten zu sehen und dafür zu sorgen, dass er sich ausreichend ernährt, längst völlig vor die Hunde gegangen wäre!
Der Leser mag sich erstaunt fragen, warum sie ihn nicht längst sich selbst überlassen hat, denn Bruno ist kein netter, kein liebenswerter Zeitgenosse! Er ist großkotzig und unerträglich arrogant, gewiss niemand, dem die Herzen zufliegen. Er freilich sieht das ganz anders, hat ein Bild von sich, das fern jeder Realität ist.
Doch geschehen ihm in letzter Zeit seltsame Dinge, die ihn ängstigen - und den Leser hoffen lassen, dass sie ihn zum Nach- und Umdenken bringen mögen: Bruno hat Visionen! Er sieht unter anderem wiederholt einen offensichtlich erhängten Mann auf einem Handkarren, dessen Füße mit dunkelbraunen Nagelschuhen begleitet sind...
Um den ihn stark beunruhigenden Albträumen auf den Grund zu gehen, beginnt Bruno Nachforschungen anzustellen. Diese führen ihn in ein gottverlassenes Dorf in der Eifel, in dem die Zeit stillzustehen scheint und dessen Bewohner ihm mit Misstrauen, wenn nicht sogar Feindschaft begegnen.
Brunos wenig einnehmendes Wesen trägt auch nichts dazu bei, sich Freunde zu machen, doch kommt er Schritt für Schritt dem Geheimnis auf die Spur, das die Dörfler um jeden Preis im Dunkel der Vergangenheit belassen wollen. Unerwarteterweise entdeckt Bruno dabei, dass es Verbindungen zwischen ihm und dem Dorf gibt, die weit in die Vergangenheit reichen, und dass ausgerechnet er dazu ausersehen ist, dem toten Mann in seinen Visionen eine lang verspätete Gerechtigkeit widerfahren zu lassen!
Nein, die Figur Bruno zu mögen oder gar eine Bindung zu ihm aufzubauen, fällt wirklich nicht leicht! Seine Handlungsweise zu verstehen, ist ebenso nicht möglich. Er ist beileibe kein Sympathieträger - und vielleicht ist das der Grund, warum die Geschichte zwar leicht zu lesen, mir aber nicht tief gegangen ist. Vieles blieb zu sehr an der Oberfläche, wurde kurz angerissen, dann aber nicht weiter verfolgt. Um Bruno wirklich zu verstehen, hätte ich mir mehr Hintergrundinformationen gewünscht, hätte ich gerne gewusst, was ihn zu der Person machte, die er ist. Und dann hätte es tatsächlich eine runde Geschichte werden können. So aber bleibt mir der Protagonist bis zum abrupten Ende, das die Spannung nicht einlösen konnte, die sich während des Lesens durchaus aufbaute, fremd und alles in allem unsympathisch. Nicht einmal lustig kann ich ihn finden.
Gelegentlich lässt die Autorin den Leser einen Sekundenblick hinter die Fassade des ungepflegten Maulhelden werfen, der mutmaßen lässt, dass doch mehr in ihm steckt, als er nach außen zeigt. Das aber war zu wenig, um ihn erfassen zu können.
Nun, die Autorin plant einen Nachfolgeband! Womöglich wird dann meine Meinung über den vorliegenden Roman teilweise revidiert werden? Womöglich finden sich darin die Antworten, die ich hier vermisse?
Was ich als positiv vermerken möchte, ist die Art und Weise, wie Vincie Halen einen Einblick gibt in die innere und äußere Struktur des Haupthandlungsortes und überhaupt das Leben zu der Zeit vor 75 Jahren, auf die Brunos Visionen zurückgehen. Sie sind von großer Bedeutung, um zu verstehen, was damals geschehen ist und warum es geschehen konnte.
Dabei kommt der Verdacht auf, dass die Dorfbewohner die archaischen Strukturen noch nicht ganz abgeschüttelt haben, dass sie sich nie befreien konnten von der vermeintlichen Schuld, die ihre Väter damals auf sich geladen haben und die auch im Roman nicht zufriedenstellend, das heißt nachvollziehbar, geklärt wurde.
Da die Autorin letztend aber darauf verzichtet, eine logische Verbindung zwischen den losen Enden damals und heute herzustellen, kann es nur eine Mutmaßung bleiben! Denn hinter das Gesicht kann man niemandem in diesem Roman blicken, wirklich verstehen und nachempfinden kann man auch nicht.