Beiträge von Ulrike Günkel-Kohl

    Eva Ibbotson also! Kaum jemand hat mich so berührt wie sie...
    Ich bin ganz überrascht, dass sie noch gelesen wird - und freue mich darüber!
    "Ein Hauch von Jasmin" habe ich vor mehr als zwanzig Jahren gelesen - und es hat alte, schöne Erinnerungen geweckt...
    Dank der Rezension werde ich es nun wieder hervorkramen und nochmals lesen! :smile:


    Schöne Grüße
    Ulrike


    Oh ja mit den Ängsten und Phobien hast du absolut Recht. Ich habe eine schreckliche Spinnenphobie, ich sollte sogar schon eine Therapie machen. Mein Mann muss bevor ich ins Bett gehe, erst mal das Schlafzimmer absuchen. Ich springe auch auf den Tisch wenn ich nur einen Schatten irgendwo huschen sehen. Und was soll ich dir sagen, unsere Tochter ist genauso, unser Sohn hat es zum Glück nicht , so konnte er uns immer erlösen.


    Ja, ich "erlöse" auch, - indem ich, sobald ich lautes Gekreische höre, die Spinnen vorsichtig mit Hilfe eines Glases einfange und in den Garten bringe ( möglichst tief in den Garten, von ängstlichen Augen verfolgt, damit ich sie bloß nicht wieder mit zurück bringe! :zwinker: )
    Mal ganz davon abgesehen - die Spinnen halten mir Stechmücken vom Leib und sorgen ganz allgemein für ein angenehmes Raumklima...

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    Schwarze Krimigroteske mit Tiefgang


    Ein ehemaliger Pfarrer wird ermordet. Kurz vor seinem Tod hatte er sich mit einigen hohen Kirchenvertretern in Verbindung gesetzt, weil ihm Informationen zu Ohren gekommen waren, die einen bislang vertuschten Fall von Kindesmissbrauch aufzudecken drohten, der sich vor rund dreißig Jahren in einem Augsburger Jungeninternat zugetragen hatte und im Zuge dessen zwei als Selbstmorde getarnte Morde verübt wurden.
    Der Mord an dem ehemaligen Geistlichen ruft Kommissar Steinböck auf den Plan, einen recht ungewöhnlichen Ermittler, der von seiner Katze mit dem schönen Namen Frau Merkel begleitet wird, mit der er regen Gedankenaustausch pflegt.
    Zusammen mit seinen bewährten und nicht minder ungewöhnlichen Mitarbeitern Ilona Hassleitner und Emil Mayer jr. und der ewig dazwischenfunkenden Reporterin Sabine Husup kommt Steinböck einer ungeheuerlichen Sache auf die Spur, bei der er mehr als einmal in dem üblichen Sumpf von Klüngel- und Vetternwirtschaft steckenbleibt, bis es ihm dennoch gelingt, Licht in diesen scheinbar unauflöslichen Wirrwarr zu bringen...


    Für seinen zweiten Krimi um das Ermittlergespann Steinböck und dessen schwarze Katze mit dem sprechenden Namen Frau Merkel hat sich Kaspar Panizza eine Thematik ausgesucht, die auch harte Gemüter zum Schaudern bringen kann: sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, dessen Aufdeckung durch eine Reihe von Morden verhindert werden soll. Ein Thema, das per se abstößt und vielleicht nur so zu ertragen ist, wie der Autor es uns darbietet: verpackt nämlich in eine aberwitzige, oftmals surreale Rahmenhandlung, in der Klamauk eine wichtige Rolle spielt, die vor Wortwitz nur so sprüht und bei der man aus dem Lachen kaum herauskommt.


    Da folgen wir einem Kommissar, der zwar das Herz auf dem rechten Fleck hat, aber eine Anzahl von Marotten sein eigen nennt, unter denen die verbale Kommunikation mit seiner respektlosen, spöttischen und schlagfertigen schwarzen Katze die vielleicht seltsamste ist. Desweiteren begegnen wir Menschen, die mit Nudelsieben auf dem Kopf herumlaufen und sich so äußerlich zum Kult der Pastafari, der Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters bekennen. Und den es, so erfährt man durch Google, sofern man es nicht schon wusste, tatsächlich gibt und der in dem Krimi für slapstickreiche Szenen sorgt. Wir lernen darüberhinaus einen Polizeipsychologen kennen, der reif für seine eigene Couch ist, mordlustige Erbschleicher, undurchsichtige, zwielichtige oder halbdemente Kirchenvertreter, schleimige Politiker, originelle Münchner Typen, denen der Kommissar auf der Straße begegnet und, um das Maß vollzumachen, eine Gruppe von japanischen Kriminalisten, die sämtliche Stereotypen erfüllen und dennoch, oder gerade deswegen, die Lachmuskeln strapazieren.


    Funktioniert das, habe ich mich während des Lesens immer wieder gefragt? Wie geht das - Klamauk und bierernstes Thema in einem?
    Wie auch immer Kaspar Panizza es geschafft haben mag - es funktioniert hervorragend! Nie verliert er das Verbrechen aus den Augen, das er durch die unkonventionellen, aber dennoch überaus cleveren Ermittler aufdecken lässt. Immer auch gelingt es ihm, den Leser zu erschüttern - um ihn dann, quasi als Ausgleich für so viel Böses, mit einer weiteren skurrilen Einlage zu erfreuen, die Lust auf mehr macht, auf viel mehr aus der Feder von Kaspar Panizza!


    Und so kann ich natürlich nicht umhin, jedem Krimileser mit viel Sinn für Humor die Teufelskatz aufs Wärmste zu empfehlen!


    5ratten


    Dass die Eltern da Druck machten und die Kinder zu solch einer Entscheidung gezwungen haben, war wohl so. Aber hätte Anna jemand zwingen können? Ihre Stiefmutter? Doch ich vermute, dass Anna so von der Rolle war, dass sie alles mit sich hat machen lassen. Allerdings hätte ich Friedrich anders eingeschätzt. Von ihm hatte ich erwartet, dass er seinen Kopf durchsetzt.


    Zu ersterem Punkt habe ich gerade etwas im Rahmen des ersten Abschnitts geschrieben. Und hinzufügend: ich vermute, wie du auch, dass man Anna die Ehe als unumgänglich verkauft hat - uns sie hat sich einfach gefügt.
    Und Friedrich? Wie gesagt, es ging darum, eine Vergewaltigung zu vertuschen. So einerlei wird dem Friedrich die Meinung der Leute über ihn nicht gewesen sein. Gewiss, er hätte das Dorf verlassen können! Aber wollte er das auch? Er ist sein Leben lang nicht weggegangen, genausowenig wie Anna.
    Da fragt man sich doch, was sie eigentlich an diesem Ort hielt!


    Was kostet aber mehr Kraft: solch eine Ehe oder das Gerede der Leute zu ignorieren?


    Stimmt zweifellos! Zumal die Leute sich auch weiterhin die Mäuler zerreißen, von wegen Muß-Heirat.
    Was aber Anna betrifft - ich vermute, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung schon in tiefe Hoffnungslosigkeit verfallen war. Da war's eh egal, wie man anhand dessen, was man über ihr Leben erfährt, ziemlich sicher mutmaßen kann....

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    Heiner Hölzle, der schwäbische Kommissar, den es nach Bremen verschlagen hat, ermittelt wieder - sehr zur Freude seiner Fangemeinde!


    Diesmal bekommt er es mit einem verzwickten Mordfall zu tun, der ihm einen unwillkommenen Einblick in von außen scheinbar heile, im Innern jedoch verrottete Familienstrukturen vermittelt. Und das in der besinnlichen Adventszeit!
    So müssen Hölzle und seine bewährten Mitarbeiter nicht nur den Mord an einem nicht ganz so rechtschaffenen Bäckermeister, für den eine Reihe Verdächtiger ohne Alibi in Frage kommen, lösen, sondern sie werden auch konfrontiert mit dem Fall eines ausgesetzten Neugeborenen und schließlich gar noch mit einem zweiten Mord.
    Als am Ende eine junge Frau brutal zusammengeschlagen wird, bringt dies Hölzle auf eine heiße Spur, dank derer es ihm gelingt, einen skrupellosen und zu allem entschlossenen Mörder dingfest zu machen...


    Wieder war es ein Vergnügen, dem sympathischen Kommissar aus dem Schwabenland mit seiner Vorliebe für gutes Essen bei der Lösung eines Mordfalles zuzuschauen!
    Die Geschichte, die sich die beiden Autorinnen diesmal für ihn ausgedacht haben, ist spannend und läd zum Miträtseln ein.
    Denn im Grunde ist der Leser den Ermittlern um Hölzle immer einen Schritt voraus! Liliane Skalecki und Biggi Rist haben sich dafür entschieden, undatierte Rückblenden in ihre Handlung einzubauen, die allesamt Puzzlestücke der Geschichte sind und den Leser mit Informationen über vergangene Geschehnisse und, ebenso wichtig, über deren Charaktere versorgt.


    Bis zum Schluss gelingt es dem Autorengespann, die Spannung aufrechtzuerhalten und sogar kontinuierlich zu steigern.
    Nein, vorhersehbar war die Auflösung nicht, - und wie die Kommissare, so tappen auch die Leser lange Zeit im Dunkeln, folgen Spuren, die ins Nichts führen, machen die Bekanntschaft von ehrlichen und weniger ehrlichen Zeitgenossen und nehmen von einem Verdächtigen nach dem anderen Abschied, die allesamt Grund genug hatten, dem ehrenwerten Bäckermeister das Lebenslicht auszublasen.
    Wie es Hölzle allmählich gelingt, den Tathintergrund zu erhellen, ist nachvollziehbar-logisch und unterhaltsam zur gleichen Zeit.


    Denn tatsächlich - amüsant ist dieser Kriminalroman durchaus auch, dann nämlich, wenn Hölzle und seine Kollegen und Freunde ihre Auftritte haben, wenn sie privat werden, auf dem Bremer Weihnachtsmarkt, einem der schönsten in Deutschland, wie man hier erfahren kann, bummeln und ein wenig zu heftig den Gaumengenüssen zusprechen, den dieser zu bieten hat.
    Auch Einzelheiten aus dem Liebesleben Hölzles liest man immer wieder gerne...


    Doch verlieren die beiden Autorinnen niemals den roten Faden, verlieren niemals das Ziel vor Augen - um am Ende den Faden zur Befriedigung des Lesers aufrollen zu können!
    Und so ist auch dieser Hölzle-Fall sehr empfehlenswert, - und nicht nur zur frostkalten Weihnachtszeit....


    5ratten

    Gewissenlose Forscher und ihr Ehrgeiz


    Die Hotelangestellte Sandra hat soeben die Affäre mit ihrem Chef beendet und fährt aufgewühlt über die nächtlichen, eisglatten Straßen in den Schweizer Bergen nach Hause, als ihr ein Wagen entgegenkommt. Sie hat Glück und kann ausweichen, doch der Wagen auf der Gegenfahrbahn stürzt ab, der Fahrer stirbt, noch während Sandra hinzueilt, und sie nimmt sich des kleinen, verängstigten Mädchens an, das auf dem Rücksicht gesessen hatte. Nachdem die kleine Mia schließlich wohlbehalten bei ihrer eigenartig kalten, distanzierten Adoptivmutter abgegeben worden ist, beginnen sich seltsame Vorfälle in Sandras Umfeld zu häufen: das Haus ihres Nachbarn, dem sie von dem Unfall erzählt hatte, brennt plötzlich bis auf die Grundmauern nieder, eine Leiche wird gefunden, bei der alles darauf hindeutet, dass es die des hilfreichen Nachbarn ist. Sandra wird von schwarzen Autos verfolgt, sie erhält verschlüsselte Warnungen, - und als sie Mia, das Kind, das ihr in jener Schneenacht ans Herz gewachsen ist, besuchen möchte, sagt man ihr, dass die Kleine wegen ihres Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus gebracht wurde, das sich sehr bald als Forschungsinstitut herausstellt. Sandras Misstrauen ist geweckt und sie beschließt, auf eigene Faust der rätselhaften Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Ein gefährliches Unterfangen...


    Der Thriller lässt sich zugegebenermaßen spannend an und scheint meine aufgrund des Klappentextes in ihn gesetzten Erwartungen in jeder Beziehung zu erfüllen.
    Doch in dem Maße, wie sich die Spannung bis zur Hälfte des Buches steigert, häufen sich auch die Unklarheiten und Verwirrungen, die bald überhand nehmen und eine durchaus realistische Geschichte um größenwahnsinnige Forscher, die Gott spielen und denen, um ihr Ziel zu erreichen, nichts heilig und kein Menschenleben achtenswert ist, immer mehr abflachen lassen bis zu einem abrupten, überstürzten und allzu glatten, beschönigenden Ende, bei dem nicht nur viele Fragen, die sich im Laufe der Handlung auftun, unbeantwortet bleiben, sondern das gleichzeitig neue aufwirft und insgesamt wenig befriedigen kann.


    Das Thema an sich, Eingriffe in das menschliche Erbgut von einer Art, die zumindest in Deutschland nicht zulässig ist, ist interessant und aktuell, und bis zu einem gewissen Punkt gelingt es den Autoren auch, diese Aktualität und auch Unerhörtheit zu vermitteln. Leider bleiben sie an der Oberfläche, gehen nicht tief genug, um den auf dem Gebiet der Genforschung wenig bewanderten Durchschnittsleser mit den nötigen Informationen zu versorgen, die das Rätsel um die kleine Hauptperson Mia, die bedauernswerterweise nach dem fulminanten Beginn nur noch einmal kurz zum Schluss auftaucht, wirklich zu erhellen.


    Die zweite Protagonistin, Sandra, hingegen, begleitet den Leser kontinuierlich. Und dennoch will es mir nicht gelingen, mich ihr anzunähern, mich mit ihr anzufreunden, so blass und unbedeutend, unbedarft und naiv erscheint sie mir während der gesamten Handlung.
    Das kann man von ihrer patenten, unkonventionellen Mutter Heide, der sich Sandra schließlich anvertraut, nicht behaupten! Sie ist diejenige Figur in dem Thriller, die diesem ein wenig Spritzigkeit und auch Witz verleiht und die einzige, die nicht so stereotyp gezeichnet ist wie ausnahmslos alle anderen handelnden Personen, die bösen wie die guten. Die einzige auch, die nach dem Lesen noch eine Weile im Gedächtnis des Lesers bleiben mag, während die anderen, sogar das allzu abwesende Schneekind Mia, sich schon bald in immer schwächer werdende graue Schatten verwandelt haben.
    Alles in allem kommt mir der Thriller wie der bloße Entwurf für etwas Größeres, Bedeutenderes, Stimmigeres vor, das hier aber leider nur zu ahnen ist. Schade!


    3ratten


    Anna wurde also auf diesen Dachboden vergewaltigt, Erich hat die Schreie gehört aber nichts unternommen. Und über alles wird ein Tuch des Schweigens geworfen.


    Im Zweifel für den Angeklagten.... In jener Nacht war wohl niemand ganz nüchtern, - und Erich mag womöglich ernsthaft geglaubt haben, falls er sich überhaupt Gedanken machte, dass die Schreie von rolligen Katzen kamen ( die hören sich auch fürchterlich an! ). Vielleicht aber auch nicht...
    Sowieso kommen mir die meisten Dorfbewohner sehr konfliktscheu und feige vor. Ohne Zivilcourage, - wie die meisten Menschen eben, schon gar nach dieser bösen braunen Zeit, in der es oft überlebensnotwendig war, Augen und Mund zu verschließen.
    Wie auch immer - die allgemeine Furcht vor Dachböden ist natürlich verständlich. Und Kinder lernen von ihren Eltern ( meine Enkeltochter hat von ihrer Mutter, meiner Tochter, deren Spinnenphobie übernommen - aber nur, weil letztere immer markerschütternd schreit, wenn sie einer Spinne gewahr wird....)


    Na ich weiß nicht so Recht was ich von dem letzten Abschnitt halten soll.


    Sabine schreibt immer wieder ......ich stelle mir vor....., dann schreibt sie so als wäre es real und ganz authentisch. Aber dann kommt, das die Mutter und die Geschwister nicht viel wissen. Ich will nicht unhöflich sein, aber für mich ist es sehr undurchsichtig was davon nun Wahrheiten oder nur Vermutungen sind.


    Ich bin davon ausgegangen das alles authentisch ist und nicht wie oft in den Textstellen erwähnt.......ich stelle mir vor...


    Am Ende des Buches samt Nachwort bin ich mir sicher, dass Sabine Rennefanz ganz authentisch erzählt. Und gerade auf den letzten zwanzig Seiten etwa werden die meisten meiner Fragen beantwortet und ich ziehe meine gewachsenen Zweifel an der Echtheit der Schilderung zurück! Auf besagten Seiten wird klar, dass Anna sehr wohl gesprochen hat! Sie hat Monikas Frage da in der Küche, als sie schon ziemlich gebrechlich war, wahrheitsgemäß beantwortet, - wobei sie seltsamerweise den Mann, für den sie zeit seines Lebens nur Verachtung und Geringschätzung übrig hatte, in Schutz nahm. ( S.216/17 )
    Auch die Polenreise hat sie verwandelt, die darauffolgenden Schlaganfälle erst recht, - und dann hat sie zu erzählen begonnen... Danach brauchte sich die Enkelin auch nichts mehr vorzustellen! Aber bevor dieser Punkt in ihrem Roman erreicht war und als noch niemand wusste, was eigentlich geschehen war, hat sie die allgemeinen Vermutungen mit dem häufig wiederholten Satz, wie du schon sagst, "ich stelle mir vor..." begleitet. Das ist wohl ein stilistisches Mittel, dessen sie sich gerne bedient....

    Die Fragen, die sich während des Lesens aufgetan haben, werden in dem letzten Abschnitt weitgehend beantwortet!
    Anna ist von dem Mann, den sie später zu heiraten gezwungen war oder wurde - denn so klar wird es nie, von wem der Druck ausging oder ob Anna einfach nur "Vorschlägen" zugestimmt hat -, vergewaltigt worden. Egal, ob der betrunken war oder nicht - das ist schlimm! Punktum!
    Und dass daraus eine Schwangerschaft wurde, ist beinahe noch schlimmer, denn so war es Anna unmöglich, den Vorfall zu verarbeiten oder irgendwann Gras drüber wachsen zu lassen. Tochter Monika erinnerte sie immer wieder aufs Neue daran.
    Niemandem hat sich Anna anvertraut, obwohl sie bei den Wendlers vielleicht doch ein offenes Ohr gefunden hätte. Aber, traumatisiert und ohnehin verschlossen, wie sie nach den Kriegs- und Fluchterlebnissen war, schwieg sie und versuchte stattdessen, sich das Leben zu nehmen, was ihr im Nachhinein als Schuldgeständnis ausgelegt wurde. Wie verzweifelt muss sie gewesen sein!


    Dass diese Verzweiflung, das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, der Unausweichlichkeit sie zu der Frau gemacht hat, die sie sechzig Jahre ihres Lebens war, ist verständlich. Welch eine Tragödie!


    Und - die Frage, die wir uns in der Runde stellen und die die Enkelin sich stellt, nämlich warum Anna damals nicht zur Polizei gegangen ist, ist schnell beantwortet: "Warum bist du nicht zur Polizei gegangen? Das fragt sich leichter in einer Zeit, in der sexuelle Selbstbestimmung im Gesetz festgeschrieben ist." ( S.186 ) Genau das ist unsre Antwort...


    Als Anna dann verschwindet, flicht die Autorin Informationen ein über die damalige Situation, darüber, dass viele Frauen vergewaltigt wurden ( wofür ihnen selbst dann auch noch die Schuld gegeben wurde, wegen eines oft an den Haaren herbeigezogenen liederlichen Lebenswandels ), dass sie verschwanden oder ermordet wurden. Dass ihre Peiniger oder Mörder nie gefunden, nie festgenommen wurden, weil die Ermittlungen entweder behindert oder aus Angst vor Repressalien ( seitens der Besatzungsmacht oder des Regimes? ) gar nicht erst aufgenommen wurden.
    Erschütternd! und erneut bin ich für die Gnade der späten Geburt dankbar!


    Monika und Anna hatten, was nicht unbedingt zu vermuten gewesen war, tatsächlich ein enges Verhältnis. So eng, wie es bei einer Frau wie Anna eben möglich war. Obwohl Monika später daran zweifelte, nachdem sie das Geheimnis erfuhr, in das sie nie eingeweiht war. Nur die Nachbarin, Tante Hildchen, wusste etwas, - aber ganz bestimmt nicht alles.
    Letztendlich, mit Monikas Wissen konfrontiert, spricht Anna aber doch. Und damit ist erklärt, woher die Autorin all die Details hatte, die sie in ihrem Buch niederschreibt.
    Zumal Anna nach ihrem Besuch in Polen, der alten Heimat, der mich ziemlich seltsam, beinahe surreal anmutet, für Anna aber heilsam war, einen Gutteil ihrer Zurückhaltung und Härte aufgab - und erst recht nach den Schlaganfällen! Da redete sie wie ein Wasserfall, solange es ihr Zustand noch zuließ.
    Ein ganz wichtiger Satz findet sich auf der Seite 217. Er ist für mich Antwort auf vieles: "Sie deckte den Täter, um die Töchter zu schützen."


    Wir mögen sie vielleicht nicht wirklich verstehen, aber auf ihre Art und für die Töchter hat Anna ihr Möglichstes getan, um weiterzuleben nach dem, was ihr angetan wurde. Dafür hat sie ein auf ein Minimum reduziertes Leben in Kauf genommen. Doch am Ende versteht sie auch, nachdem sie sich die Zahl ihrer Nachkommen vor Augen führt, dass schließlich sie, die das alles noch erleben darf, "gewonnen" hat, nicht ihr Mann, der sich zumindest als Vater und Großvater nichts hat zuschulden kommen lassen - und mit dem sie in ein und demselben Grab bestattet sein wird....


    Dann ist er mit Anna verheiratet, ja nicht ganz freiwillig. Warum haben sie sich zu dieser Ehe drängen lassen? Oder hat sich ihr Verhältnis während der Ehe so massiv verschlechtert? Auch in diesem Leseabschnitt bin ich noch nicht viel schlauer geworden.


    Wie das eben so war in jenen Jahren: wenn man außerehelich schwanger wurde, heiratete man! Ich glaube nicht, dass viele von diesen Paaren das unbedingt gewollt haben. Doch kaum jemand entzog sich dem Erwartungsdruck, der auf ihnen lastete, kaum jemand wehrte sich gegen das, was sich "gehörte", denn man wusste, dass man im Falle einer Weigerung nichts mehr zu lachen hatte ( und das das tatsächlich so war, habe ich ganz gut mitbekommen in meiner Kindheit in den 60er Jahren! Uneheliche Kinder wurden bei uns auf dem Dorf mehr als nur schief angeguckt... ).
    Außerdem ging es auch darum, eine Vergewaltigung zu vertuschen!


    Das kann natürlich auch sein,dass sie die Abneigung Friedrich gegenüber auch an die Töchter weiter gibt. Aber ist so etwas nicht schlimm, wo doch die Kinder am wenigsten dafür können?


    Und ob! Furchtbar ist das, da stimme ich dir sofort zu! Aber Anna konnte nicht aus ihrer Haut heraus, nicht einmal den unschuldigen Kindern gegenüber. Ob sie insgeheim wohl, später wenigstens, ein schlechtes Gewissen deshalb gehabt hat?


    Ich habe nochmal auf den Klappentext geschaut. Dann erklärt sich dieses mehr als distanzierte Verhältnis der Großeltern. Es war bestimmt von Anfang an keine liebevolle Beziehung.


    Wie sollte sie das auch sein!? Es war wohl so, dass sie ihn nicht freiwillig geehelicht hat - und er sie auch nicht. Sie war schwanger oder vielleicht war Monika schon geboren... Und in einem Dorf in der Mitte des 20. Jahrhunderts musste man sich wohl den Zwängen fügen, um nicht für den Rest seines Lebens zum Außenseiter zu werden. Nur wenige hatten die Kraft, sich darüber hinwegzusetzen.


    Ich finde auch schlimm was Anna erlebt hat, aber das macht sie auch mir nicht sympathisch. Gerade nach all dem Erlebten hätte ich gedacht das sie ihre Töchter mit Liebe überschüttet. Und was tut sie, sie verbietet alles mögliche, nicht mal schwimmen dürfen die Kinder .


    Obwohl ich das Buch nicht mag ( was erstmal gar nichts über seine Qualitäten aussagt! ), spukt es mir dauernd im Kopf herum. Noch habe ich mich nicht an den letzten Abschnitt herangewagt, weil die Düsternis, die von der Geschichte ausgeht, sich in meine Gedanken schleicht...
    Aber eines muss ich mir immer wieder klarmachen: Menschen reagieren auf schlimme Erfahrungen auf ganz unterschiedliche Weise! Anna scheint mir zu denjenigen zu gehören, die aufgeben, - zwar weiterleben, aber ohne Freude, ohne Hoffnung. Schlimm ist, dass das auf die gesamte Umgebung abfärbt, was auf ihre Töchter, das heißt, auf Monika, denn die beiden anderen kamen nur marginär vor bis jetzt, Auswirkungen hat. Monika wenigstens scheint auch nicht der Fröhlichsten eine zu sein...
    Und - alle drei Töchter haben denselben Vater! Kann es sein, dass Anna ihre immense Abneigung ihrem Mann gegenüber auf die Töchter überträgt? Die zweite, Marion kommt, wie erwähnt wurde, ganz nach ihm....

    Ich habe mir nun fast eine Woche Zeit gelassen, um über den Roman zu reflektieren - schließlich soll da noch eine Rezension folgen.
    Ich habe von dem Autor bisher nur dieses eine, vorliegende Buch gelesen, kenne also seine übliche Art des Schreibens und Erzählens nicht. Aber aus dem einen mir bekannten Werk schließe ich, dass er eigentlich nichts von dem, was er da schreibt, ernst meint. Vielleicht persifliert er die - französische - Welt als solche!? Womöglich macht er sich sogar über sie und die Menschen im allgemeinen lustig? Denn im Grunde übertreibt er ja stark - sowohl in der Schilderung seiner Personen als auch der Ereignisse. Nichts ist real. Seitenhiebe teilt er auch aus, wenn man genauer hinsieht - auf alles und jeden.
    So habe ich nun beschlossen, den Roman als eine Mischung aus Persiflage und Sartire einzustufen, - ansonsten wüsste ich nicht, wie ich dazu ( obwohl mir der zweite Teil gefallen hat! ) eine aussagekräftige Rezension schreiben sollte...


    Auch das es unter den Töchtern keine Harmonie gab wundert mich, ich hätte gedacht, dass gerade das Verhalten der Mutter die drei zusammen geschweißt hätte.


    Monika, die älteste, war sowieso immer lieber bei den Wendlers nebenan und somit nicht oft anwesend. Die anderen Schwestern werden gespürt haben, dass Monika eine gewisse Bevorzugung genoss. Das hat sie ihnen sicherlich nicht eben näher gebracht. Außerdem - sie hatten ja keinen Vergleich mit anderen Familien, wussten nicht, dass es anderswo freundlicher und wärmer zuging.




    Fragen über Fragen spuken mir im Kopf, ich finde Sabines Geschichte sehr berührend, das muss nicht leicht für sie gewesen sein sie zur Papier zu bringen.


    Wieviel ist, wie ich mich schon in meinen Eindrücken gefragt habe, Wahrheit und wieviel Erfindung? Zumindest die vielen Details halte ich für letzteres...

    Noch stärker als im ersten staune ich im zweiten Abschnitt über die sehr detaillierten Kenntnisse der Autorin über das Vorleben ihrer Großeltern!
    Wenig deutet darauf hin, dass ihre Großmutter der Mutter gegenüber früher offener war, wie ich gemutmaßt hatte. Im Gegenteil, - Monika hielt sich immer mehr und lieber bei den Wendlers auf als in ihrem eigenen Zuhause. Wann hat sie denn all das Wissen über ihre Mutter und den Vater erworben? Die Wendlers werden ihr vielleicht einiges erzählt haben, obwohl sie soviel auch nicht wissen konnten, gerade die Einzelheiten über Annas Kindheit und die doch sehr privaten Dinge über Friedrich. Die waren bestimmt kein Allgemeingut!
    Da frage ich mich unwillkürlich, wieviel an diesem Buch Realität und wieviel Fiktion ist. Ich stelle mir vor, dass die Autorin zwar ein Gerüst hatte, ansonsten aber viel Spielraum für ihre Phantasie hatte.


    Realität ist sicherlich der Hintergrund, ist die Zeit, in der sich diese Geschichte zugetragen hat!
    Der Kriegsheimkehrer kommt in die neu gegründete DDR - und versteht die Welt nicht mehr: der Feind, gegen den Krieg geführt wurde und in dessen Gefangenschaft er vier Jahre verbracht hat, ist über Nacht zum Freund geworden! Das ist schon ein Grund, den Boden unter den Füßen zu verlieren.


    Auch der Einblick in das Land der "Freien" ist höchst aufschlussreich und die Autorin äußert sich das eine oder andere Mal recht kritisch.
    Am Beispiel von Monika wird sehr deutlich, dass man sich sehr genau seine Worte und Handlungen überlegen musste. Schon harmlose Bemerkungen, die nichts als die eigene Meinung wiederspiegelten, konnten gefährlich, auf jeden Fall aber nachteilig sein. Und nur ein einziges Vertun konnte dazu führen, dass einem, wie bei Monika, die Zukunft verbaut oder doch sehr erschwert wurde. Monika hatte nicht die Kraft, sich innerlich oder äußerlich zu widersetzen.


    Seit Beginn der Geschichte schon versuche ich, Anna zu mögen. Es will mir nicht gelingen! Ich gestehe ihr zu, dass der Krieg und die Zeit danach sie verändert haben, wie sie so viele verändert haben, die das erlebten, was Anna durchgemacht hat.
    Doch sie, die Hauptperson hier, wird immer sperriger, immer weniger verständlich.
    Das "Unaussprechliche", das ihr durch ihren Mann angetan wurde und das immer noch nicht angesprochen wurde, hat ihr wohl einen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt.
    Sehr bezeichnend ( und ich empfand es als überaus hart und grausam ) war die Art und Weise, wie sie sich der persönlichen Besitztümer ihres Mannes nach dessen Tod entledigte. Sie hat nichts vergeben und nichts vergessen - und jetzt löscht sie ihn, der all die Jahre ihrer Ehe bemüht war, so gewinnt man den Eindruck, seine wie auch immer geartete schlimme Tat gutzumachen.
    Man sollte nicht vergessen, dass er es war, der für die Familie sorgte, dass er seinen Töchtern ein guter Vater und der Autorin ein guter und geliebter Großvater war. Im Gegensatz zur Großmutter.


    Aber für Anna war er anscheinend der Teufel in Person! Mit ihrem Hass vergiftete sie aber nicht nur ihr eigenes Leben. Die Enkelin läuft zum jetzigen Punkt der Geschichte ziemlich verwirrt und ratlos umher. Ihre Welt wurde auf den Kopf gestellt.
    Und die Töchter? Monika heiratete, wie ihre Mutter, einen Mann, aus dem sie sich nichts machte. Sie hatte ihre eigenen Eltern als Beispiel vor Augen. Ihrer Tochter wiederum empfiehlt sie, bloß nicht zu heiraten! Damit sich die Reihe von unglücklichen Ehen nicht fortsetzt....
    Alles ist sehr freudlos, düster - wie das Wohnzimmer Monikas, wie Monika selbst. Und wie Anna immer war.

    Mir ist auch nicht klar, was der Autor im Endeffekt mit diesem Buch sagen wollte! Einfach nur eine kleine Geschichte über Träume und die seltsamen Irrungen und Wirrungen des Lebens? Sei offen für die vielen ungeplanten Wendungen, die man so mitmacht? So eine "positiv-denken"-Message? Ich weiß nicht...


    Sehr schön ausgedrückt: "eine kleine Geschichte über Träume und Irrungen und Wirrungen des Lebens"! Ich finde, genau das trifft es. Ohne große Botschaft. Warum meinen wir immer, ein Autor möchte uns etwas sagen!? Vielleicht will er einfach nur eine hübsche, fröhliche Geschichte erzählen? Ein bisschen Sonne und Leichtigkeit bringen, ohne großen Realitätsanspruch. Unter letzter Prämisse finde ich den Roman wohl gelungen.

    Obwohl ich lange nicht geglaubt habe, dass mir dieser Roman doch noch gefallen würde, ist es genau so gekommen! Und der letzte Abschnitt war der schönste: alles fügt sich irgendwie, löst sich auf wie "Bubble" schließlich auch im Weltraum...


    Diese "Bubble"-Geschichte war seltsam, skurril und schön zugleich. Sie half Lepelle, seine Träume von damals endgültig in der Vergangenheit zu lassen. Und kaum entscheidet er sich dafür, fällt die jahrzehntelange Verbitterung von ihm ab. Ich finde, das hat der Autor wunderbar vermittelt!


    Auch Alain, der so langweilig daherkommt, dennoch aber unter der Hülle sehr lebendig und voller Empfindungen ist, findet seinen Frieden. Einen schönen Frieden, der ihm zu gönnen ist. Das Lied der Hologrammes, die nur durch den mutwilligen Streich der enttäuschten Sekretärin zu Plattenaufnahmen geladen wurden ( das war eine faustdicke Überraschung, mit der ich zuallerletzt gerechnet hätte! ), das von Ivana zu Alain geschmuggelt und dann von Alain ins Netz gestellt wurde, tritt einen kleinen Triumphzug um den Globus an! Und keiner macht Gewinn daraus!
    Das ist für mich ein schönes, befriedigendes Ende des Romans, der recht spät erst in Gang gekommen ist, mich dann aber immer mehr entzückt hat!


    Über die Mängel möchte ich mal großzügig hinwegsehen - aber vielleicht gibt es gar keine Mängel!? Der Roman ist eben anders, ja, wie französische Romane und Unterhaltungsfilme halt sind. Vielleicht können wir hier, die wir die französische Mentalität nicht besitzen, den Roman auch nicht so verstehen, wie ihn die Franzosen verstehen würden. Und so ihn auch nicht schätzen!? Ich glaube, uns fehlt der Sinn für sowas, die Leichtigkeit, mit der viele Franzosen immer noch durchs Leben flanieren.
    Auf jeden Fall werde ich die Geschichte noch einmal lesen - und schauen, was sie dann mit mir macht...

    Liebe Valentine,


    zufällig sah ich deine Rezension zu diesem Buch, das mir vor Jahren mal geschenkt aber nie gelesen wurde und das bis jetzt irgendwo in den Tiefen meiner Regale schlummerte. Ich fand es nach einigem Suchen und da ich gerade ein wenig Muse hatte, las ich es gleich.... Und bin nicht von ihm losgekommen. :leserin: Denn es ist einfach wunderschön!
    Danke für den Tipp, ohne den es weiterschlummern würde!


    Liebe Grüße
    Ulrike