Hallo,
nach zwei Jahren ist es mir gelungen, das oben stehende Werk zur Gänze zu bewältigen.
Daher folgende Besprechung:
Inhalt:
Schwanitz gibt in seinem ca. 700-Seiten Buch einen Einblick in grundlegende Themen des abendländischen Bildungskanons, dabei beschränkt er sich - bis auf marginale Ausnahmen wie die Relativitätstheorie, die ja nun auch für die Philosophie ungemein wichtig ist - auf geistes- und sozialwissenschaftliche Inhalte.
Er bietet einen gut geschriebenen Abriss der Geschichte Europas, eine Überblick über die Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte sowie über philosophische Klassiker und moderne Theorien und Ideologien.
Im zweiten Teil des Buches beschäftigt er sich damit, wie sich der gebildete Mensch seiner Ansicht nach zu verhalten habe: welche Themen sich für ihn schicken und welche nicht. Das Buch endet mit einer Zeittafel zur vorwiegend europäischen Geschichte und einer Liste und kurzen Darstellung von Werken, die die europäische Geistesgeschichte maßgebend beeinflusst haben.
Meine Meinung:
Mit Genuss und viel Erinnerungsauffrischung und Wissenszuwachs habe ich den ersten Teil gelesen. Schwanitz besitzt die Gabe, auch komplizierte Zusammenhänge anschaulich und unterhaltsam zu erklären. Man muss seinen eigenen Hintergrund, den des - sowie ich es herauslese - Konservativ-Liberalen dabei einkalkulieren und kann sich je nach eigener Einstellung zu einigen seiner Thesen positiv oder kritisch verhalten: Er lässt z.B an der Linken auf den ersten Blick wenig Gutes, aber wenn man ein wenig zwischen den Zeilen liest, sieht man, dass er das heutige Weltbild entstanden sieht aus der fruchtbaren Auseinandersetzung mit den Theorien des Marxismus und der Frankfurter Schule.
Es ist allerdings fraglich, ob an der Auffassung des Bildungsbegriffs, der sich ausschließlich an geistes- und sozialwissenschaftlichen Inhalten orientiert, festgehalten werden sollte. Obwohl ich selbst - wie wohl viele von uns Leseratten - mich in diesen Zusammenhängen wohlfühle, finde ich eine hochnäsige Wegschau über wichtige naturwissenschaftliche und auch technische Grundkenntnisse - wie sie Schwanitz ausdrücklich artikuliert - borniert. Ich kann daher auch die Kritik - z.B. Ernst Peter Fischers ("Die andere Bildung") - gut nachvollziehen.
Ein wenig geärgert habe ich mich über den zweiten Teil und kann nur hoffen, dass er ihn im Wesentlichen ironisch gemeint hat: Hier stellt er plötzlich Regeln für die Frau/ den Mann von Welt auf, die sich auf dem Niveau eines Hochglanzmagazins für die Bourgeoisie befinden: Das ist über weite Strecken überaus lächerlich und beleidigt den Leser.
Schade, dass er es nicht beim ersten Teil und den Listen belassen hat!
Dennoch: Die ersten 500 Seiten sind eine sehr lohnende Lektüre und auch noch unterhaltsam.
HG
finsbury