H. A. DeRosso „.44“
„If they move, kill’em“
(Pike Bishop am Ende des Vorspanns von „The Wild Bunch“ von Sam Peckinpah
Eine Lanze für den Western
Eine etwa längere Auslassung über den Western als literarische Gattung, als Film und als auf dem Buchmarkt in der BRD fehlender am Beispiel von H. A. DeRossos Roman „.44“ von 1953 (das Buch aus dem Ramsch bei Lehmanns in Hannover, es gibt noch keine deutsche Übersetzung. Es lässt sich aber leicht im Original lesen.)
Zunächst, gleichsam zur Einführung, einen längeren Text aus alten Notizen, den ich in einem früheren Sommer in den Ferien an der Irischen See bei Bettystown, südlich von Drogheda, geschrieben habe unter Beihilfe eines Buches über Handfeuerwaffen von einem ehemaligen englischen Major. (Jeder, der mal was in Richtung Krimi oder Western schreiben wollte, wird meine irischen Recherchen zu schätzen wissen)
Die wichtigste Entwicklung in der Geschichte der Handfeuerwaffe war 1835 die Patentierung eines Revolvers von Samuel Colt of Hartford, Connecticut. Rechtzeitig zum Beginn der Massenproduktion entwickelte Colt eine tödlich demokratische Waffe. Nennen wir ihn zunächst den Colt Navy Revolver. Der Krieg in Mexico von 1846 ließ Colts schon arg ramponierte Geschäftstätigkeit wieder eifrig nach oben schnellen. Der Colt mit dem Single Action Lock war natürlich noch recht langsam.
In der großen Ausstellung 1851 in London zog Samuel Colt zum ersten Mal größere Aufmerksamkeit auf sich. Dann kamen neue Kriege, die für die Produktion von Waffen immer anregend wirken: Der Krim-Krieg von 1854-56 und der indische Aufstand von 1857-58. Es kam Adams Dragoon Revolver. Damit konntest du zwar schneller schießen, aber die Zielgenauigkeit gegenüber einem Colt war schlechter. Außerdem schoss er nur 5mal. Das war die britische Antwort auf den Colt. Mit ihm versuchten die Briten den Markt für sich zurück zu erobern.
Der amerikanische Bürgerkrieg brachte die Praxisprobe für den Colt. Colts Revolver war relativ billig, die Teile waren nachzukaufen, er wurde gewissermaßen die Thin Lizzy und der VW unter den Handfeuerwaffen. Dann kam der Double-Action-Schloß Revolver von William Tranter. Damit konnte man zunächst mit dem Mittelfinger den Hahn spannen und dann mit dem Zeigefinger den Hahn loslassen und den Schuss auslösen.
(Exkurs im Exkurs über das, was meine Kinder in Irland glotzten, guckst du: Und zwischendrin der neueste Hit aus dem Tellie: Bananas in Pyjamas, was sofort weiterentwickelt wird zu Sukkinis in Bikinis, Apfelsinen in Vitrinen, Himbeeren mit Gewehren, Pampelmusen, die schmusen --Matschbirnis in den Hirnis. Der Song kommt mit in das Buch, in das Waffenbuch, in Papas Buch - na in das Buch. Der Iren Schwarm entfuhr in Richtung Drogheda - nach Pizza in Backofen, Kaffee und Tee und Kuchen und Eis und Strand und und Bananas in Pyjamas. Andauernd singen sie mir dieses bescheuerte Lied vor. Kontrollieren, dass es auch ja mit dem Text stimmt. Ich muss es ihnen auf dem alten Acer-Laptop zeigen. Sie zwingen mich zu Verbesserungen, Veränderungen. Hier geht es um die Wahrheit und um nichts anderes. Und dass das ja drin bleibt. Versprochen.)
1858 präsentierte Adams einen neuen Revolver mit einem Schloss, das Leutnant Frederick Beaumont von den Royal Engineers entworfen hatte. Mit dem Teil, Beaumont-Adams genannt, kannst du den Hahn auch mit dem Daumen oder dem Handballen zurückziehen. (Ja, das kennt man aus einigen Western) Damit verbindest du die Vorteile des Tranter Revolvers mit denen des Colts.
Die Amerikaner aber standen weiterhin auf Single-Action-Revolver. Das Kaliber spielte auch eine Rolle. In den Western handelt es sich ja meistens um 45in(11,43mm) oder 44in(11mm). Aber das Nachladen dauerte länger als in den Filmen. Und dann, na es wurde auch langsam Zeit, wurden die Patronen erfunden (Cartridges). Damit kommt der Name Smith&Wesson ins Spiel.
1857 kam ein Teil, das mit Kupferpatronen geladen werden konnte auf den Markt. (Kaliber aber nur 32in(8.13mm)
Mit dem Webley Mark 1 Revolver konnten alle verschossenen Patronen auf einen Schlag ausgestoßen werden. Das sind die Teile, die sich aufklappen lassen. Aber Smith and Wesson ließen sich auf einen Riesendeal mit den Russen ein, weswegen andere den wilden Westen übernahmen. Hergestellt wurde "the most famous weapon, firing centre-fire cartridges of 45in(11mm)“. Dabei handelte es sich um das Armeemodell von 1873, bekannt als Peacemaker oder Frontier-Model. Er wird heute noch hergestellt!
Und dann gab es den berühmten Royal Irish Constabulary Revolver von 1867 in verschiedenen Ausführungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Webleys belieferte die britische Armee bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Browning P 35 eingeführt wurde.
Die modernen Colts haben seitlich herausschwingbare Magazine. Ein schönes Modell, herrlich ausbalanciert, war das Modell Nr. 3 von Smith&Wesson, die damit in den europäischen Markt einstiegen.
Die Amerikaner bevorzugten einen soliden Rahmen (solid-frame-revolver) gegenüber einem hingend-frame-revolver zum Wegklappen. Schöne Teile hingegen nach wie vor: Der Enfield Revolver Mark II von 1881, Saland and Somerville Revolver und der Thomas Revolver. Damit könnte das Gebiet des Revolvers abgeschlossen werden und der Übergang eingeleitet werden zu den selbstladenden Pistolen. Bei diesen galt es vor allem, die Energie, die beim Rückstoß erfahrbar wurde, zu nutzen, um die Pistole wieder schussfertig zu machen. 1884 tauchten die ersten Selbstlader auf dem Markt auf. Aus der Borchardt wurde die Luger. Bergmanns Knarren und Mausers. Die Deutschen stiegen ins Waffengeschäft ein. 1898 trug Winston Churchill im Sudan eine Mauser vom Modell 1896, das Teil mit dem anschraubbaren Schaft aus "Leichen pflastern seinen Weg" von Corbucci. Mit der Roth-Steyr aus Österreich tauchten die ersten "automatischen" Pistolen auf.
So haben wir denn heute die unfriedliche Koexistenz von Revolvern und automatischen Pistolen, wobei die Amerikaner mehr den Revolvern, die Europäer mehr den automatischen Pistolen zuneigen.
Mit Doctor Richard John Gatlings Produkt wollen wir uns hier nicht mehr ausführlicher beschäftigen. Das blieb Corbucci überlassen, der es aus dem Sarg von Django wiedererweckte und dann Peckinpah, der den Wild Bunch, jedem von ihnen, ein furioses Ende mit der Gatlin-Gan ermöglichte, deep south in bloody mexico. Dazu passt als Musik Silvestre Revueltas „La Noche de los Mayas“ oder die Filmmusik von John Fielding mit der schönen Fassung von La Golondrina.
Eine Menge Erfindergeist ist in die Planung und den Bau dieser Tötungsmaschinen investiert worden - und hat sich wohl auch gut ausbezahlt. Waffen sind geil, und was geil ist, wird auch geil verkauft. So einfach ist das. Da lassen sich der amerikanische Mann und Charlton Heston nicht lumpen.
Warum diese ausführlichere Recherche über Waffen? Weil sie eine der Voraussetzungen für einen (hardboiled) Krimi oder Western ist. Im Krimi von Männern - und von Western für Frauen habe ich noch nichts gehört - geht es immer auch um Waffen, weite offene Landschaften, Zonen der Gesetzlosigkeit und Freiheit und Pferde und Indianer und Gesetzlose und Revolvermänner….. (Allerdings hat mein alter Kumpel aus der hiesigen Übersetzerliga von Schundromanen, W.C., einen guten sogenannten erotischen Western für eine Bastei-Heftromanserie geschrieben, der unter uns nur als „Fickwestern“ noch Erwähnung findet. Letztlich gehören Frauen in den Western ins Bordell, ins Farmhaus oder als toughe Ladies (Johnny Guitar) auf die Veranda oder die Mainstreet (Schneller als der Tod) zum Showdown). Und deswegen sollte ein zukünftiger Krimi- oder Western Autor sich in dieser Materie (der der Waffen) etwas auskennen.
Ein Auftragskiller wäre ein Knotenpunkt sozialer Sehnsüchte und Ängste. Ein breakthrough? Ein Killer braucht ein Schema, an das er sich hält. In der Methode kann er durchaus unkonventionell und spontan vorgehen wie Henry. Sein Schema besteht darin, dass er souverän killt. Das fasziniert an ihm, deswegen fühlen feige Typen, die sich nicht getrauen, sich über ihre Situation klar zu werden, sich von Killern angezogen. Das sind noch toughe Typen. Ein Mann muss auch mal......... (A man has to do what a man has to do)
Letztlich fängt es an wie die "Ein Mann sieht rot"- Masche. Oder dieser amerikanische Film mit Michael Douglas, der seltsam zensurgedämpft daherkam (Falling Down). Dem Bürger reißt's vom spitzen Kopf den Hut, In allen Lüften hallt es wie Geschrei. Aber das muss dann nicht versöhnend abgehappyendet werden, das muss bis in den widerlichen Exzess durchgeführt werden wie bei Henry. Es gibt kein Entkommen. Die moralischen Werte sind fiktive Konstrukte, die nur solange überleben können, wie sie konsensfähig sind. Wenn jeder sich an Django orientiert, wirklich souverän und frei und autonom sein will, dann braucht er Waffen und Möglichkeiten, ohne schwere Kettung ans System zu Geld zu kommen. Das System ist vom Übel. Dahinter gehen wir nicht zurück. Das falsche Leben bleibt ein falsches.
Soweit der irische Handfeuerwaffenexkurs, bevor wir uns „.44“ langsam, gaaaaanz langsam und auf Umwegen zuwenden
Benutzte Literatur zum Thema für Interessierte:
Programm Roloff und Seeßlen, Western Kino, Geschichte und Mythologie des Western-Films, Grundlagen des populären Films 1, rororo Sachbuch 1979
John H. Lenihan, Showdown, Confronting Modern America In The Western Film, University Of Illinois Press, Urbana and Chicago 1985
Frank Arnold, Ulrich von Berg, Sam Peckinpah, Ein Outlaw in Hollywood, Ullstein Sachbuch, Reihe populäre Kultur 1987
Der Western gehört zur Sozialisation meiner Generation und kann und sollte von daher hinreichend legitimiert sein, um als Gegenstand einer Untersuchung sich genauer betrachtet zu werden. Dies besonders heute (2007), da es keine Western in Form von Büchern mehr auf dem deutschen Buchmarkt gibt, und auch Hollywood nur noch gelegentlich sich aufmacht an die Grenzen der Zivilisation.
Die Tatort-Mentalität muss den Leuten hier doch langsam zum Halse raushängen. Wen öden denn nicht mählich diese krisengeschüttelten, beziehungsverletzten übersensiblen Kommissarinnen in den problemüberfrachteten Krimis an, in denen alle wichtigen sozialen Themen pflichtschuldigst abgearbeitet werden, wobei alle möglichen Helden für eine wunscherfüllende Phantasie auf der Strecke bleiben. Verschont uns mit dem pilcherisierten Realismus der Lady-Krimis, die ans Deckchensticken erinnern. Oder den Krimis um die Leichenwühler, dieser ganze morbide Pathologen-Kram, der jedem, der länger im Krankenhaus lag, zuwider ist. Oder diese CSI-Fuzzelbrüder mit ihren Lupen und DNA- Tests. Ach wo bleiben die unendlichen Weiten des Weltraum, der Wilde Westen und das Land der Zombies?
In den Buchläden gibt es für die sonderbarsten Gattungen von Büchern Regale: für Krimis, für historische Romane, für Frauenliteratur, für Esoterisches, für Lustiges, für Fantasy und Science-Fiction, für Erotisches – aber nicht für Western. Die Taschenbuchverlage haben inzwischen alle ihre Westernreihen eingestellt. Vorbei die Zeiten, als es noch Romane von Louis L’Amour, Wayne D. Overholster und anderen bei Heyne gab. Nur im Heftromansektor bei Bastei wird noch mit Colts geschossen. Warum die Idiosynkratie des deutschen Buchmarkts gegenüber dem Western? In den USA, da genügt ein Blick ins Internet (http://www.fantasticfiction.co.uk/) gibt es nach wie vor jede Menge Taschenbuchreihen für Western und Autoren, die Western schreiben.
Anders sieht es hier beim Vertrieb von DVDs aus. Allein die Vermarktung von John Wayne Filmen (The John Wayne Collection) in diesem Jahr, von ausgezeichneten Editionen wie etwa der von „Man nannte ihn Hondo“ (Special Collector’s Edition) zeigen, dass an Western ein nicht nachlassendes Interesse besteht.
Nur neu gedrehte Western sind Mangelware. Es freut den alten Westernfan nicht unbedingt, dass es jetzt schon einen Western über schwule Cowboys gibt. Bald wohl noch welche mit Migrationshintergrund oder mit Helden mit maximaler Hautpigmentierung, um dem Stil der Ausländerbehörden zu genügen oder mit Lesben und Veganerinnen. Männerphantasien mit homoerotischem Hintergrund gibt’s schon bei Herman Melville (Moby Dick, Billy Budd – wo bleibt der wundervolle Film von Peter Ustinov mit Robert Ryan und Terence Stamp auf DVD?), das sind aber keine Geschichten von Schwulen, auch wenn Ismael gleich am Anfang mit Quiquec ins Bett hupft. Wer mit Berufsschwulen zu tun hatte, der weiß, dass sie sich manchmal kaum noch von militanten Emanzen oder Lesben in ihrem missionarischen Eifer unterscheiden. Das muss nicht sein. Das nervt.
Der Westen ist, so scheint es, tot. Und so beendeten schon Roloff und Seeßlen ihr Buch über den Western mit den düsteren Worten: „…... und Don Siegel unterzog in „The Shootist“ (1976) den Mythos einer distanzierenden Würdigung, die noch einmal dem Western zurückgab, was ihm in den letzten Jahren abhanden gekommen war: Ruhe. Und vielleicht exakt diese Botschaft ist es, die endgültig dem Genre ein friedvolles Ende beschert, nämlich die, daß der Western tot, die Grenze verschlossen, die Gesellschaft korrupt ist und daß man sich darüber nicht besonders aufregen muß.“ (s.o. Seite 202)
Da die Beurteilung von historischen und kulturellen Verschiebungen nur durch die subjektive Achse/Perspektive hindurch sinnvoll ist, versetzte ich mich zurück in die 50er Jahre. Nach einer aufregenden Zeit in Buenos Aires, in Encarnacion und Asuncion (Paraguay) am Rio Parana unter dem Kreuz des Südens, verschlug es mich 1955 zurück in ein verregnetes novemberliches Deutschland in eine schäbige Kleingartenkolonie (Abendfrieden) am Mittellandkanal in Hannover sowie in eine triste Schulrealität, der ich mich nur noch durch exzessive Lektüre zu entziehen vermochte. Wobei ich jede Art von Literatur las: Silber Western von G. F. Unger und G. F. Waco oder G. F. Buckett, Hauptsache G.F.) Science-Fiction Heftromanserien (außer Perry Rhodan, wo damals noch K.H.Scheer aktiv war) Marcel Proust, Dostojewski, Rimbaud und Lautréamont und auch Akim, Fulgur, Tarzan- und Micky Maus-Hefte. Die Welt war bunt und ließ sich vielfältig wiedergeben.
Jeden Sonntag, das war der Highlight der Woche, ging ich dann mit meinem Bruder und einigen Knilchen aus der Kolonie am Kanal entlang in Richtung Friedenau bis nach Vinnhorst in ein altes verrottetes rotes Gemäuer mit dem vielversprechenden Namen „Walhalla“, wo wir zum Preise von 55 Pfennigen mit Western konfrontiert wurden, in denen sich das Elend eines Lebens am Mittellandkanal in einem engen Gartenhäuschen (mit 5 Personen in einer Laube leben zu müssen, mindert die Romantik einer Laube erheblich) öffnete in die unendlichen Weiten der Prairie, durch die einsame Kerle mit schweren Eisen an den Hüften ritten und heldenhafte Abenteuer erlebten, mit denen sich eigenes Schulversagen wunderbar kompensieren ließ. Der Western ist eine Männerdomäne und kaum jemand in meiner Generation wird sich als Jugendlicher den faszinierenden Männerphantasien der Hollywood-Western mit markanten Gestalten wie Kirk Douglas, Burt Lancaster, Gary Cooper, Audie Murphy etwas weniger, Randolf Scott, Robert Ryan und John Wayne entzogen haben können. In einer Welt, die dich von Morgens bis Abends wie ein „geficktes Eichhörnchen“ behandelt, werden Träume vom einsamen Revolvermann, der nur auf sich und seine 45er oder 44er, seine Winchester und sein Pferd gestellt in eine Stadt einreitet, mit stahlgrauen Augen, so dass nach G. F. Unger fast jede Frau „barfuß für ihn betteln gehen würde“ (was ein übler Spruch) und letztlich allein gegen alle die Stadt aufräumt und weiterreitet unvermeidbar.(Später würden wir singen: Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all!)
Diese Einer-gegen-Alle-Story gab es bereits Ende der 30er im Hardboiled Krimi (Rote Ernte, Red Harvest ) von Dashiell Hammett und als Film später mit Bruce Willis als „Last Man Standing“.
In den 50er Jahren kam es in den USA zu einem Aufschwung des Western, der bis heute nicht wieder erreicht wurde. Der Western verlor seine Naivität (die der Fuzzy Filme etwa).
Im Unterschied zur BRD, die in dumpfer Restauration unter einem greisen Adenauer dahinwurstelte, überall stank es noch nach alten Nazis, die frech das Sagen hatten, kam es in den USA zu einer reiferen Form des Western: „With the success of High Noon and especially the decline of McCartyism by 1954 as a major influence on Hollywood’s depiction of America, Western became increasingly critical oft he settled frontier community.“ Im Western verwandelte sich die spießige Kleingartenkoloniewelt mit ihren Laubenfesten in eine Welt, in der einsame Rebellen es den Spießern zeigten. Wenn Gary Cooper am Schluss mit dem Stiefelabsatz verächtlich den Sheriffstern zermalmt, dann haben wir das damals sofort verstanden: Aufs Gesetz ist auch geschissen, wenn es nur noch den Besitzenden dient. Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein Western, der nach wie vor zu meinen Favoriten zählt: „No Name on the Bullet“ von Jack Arnold (1958) mit Audie Murphy. Murphy kommt als angeheuerter Killer in eine Spießerstadt und sofort greift dort die Angst um sich, weil jeder sich bedroht wähnt von dem Killer, der zynisch und fast sogar amüsiert beobachtet, was in den braven Bürgern alles hoch kommt. „His presence triggers desperate responses that take the form of a drunken challenge or ugly mob violence.” (s.o. Lenihan, S. 135)
Eine ähnliche Geschichte erzählt auch H. A. DeRossos Roman von 1953 „.44“.
Dan Harland, ein Berufskiller (a hired gun) mit einem .44 Frontier Colt an der rechten Hüfte jagt einen gewissen Lancaster, stellt ihn und im Showdown stellt sich heraus, dass Lancaster schneller zieht, aber nicht abdrückt, so dass er von Harland erschossen wird, den durch diesen Vorfall das Gewissen etwas zu zwicken beginnt. Er reitet zurück in die Stadt und nimmt sich denjenigen vor, der ihm den Auftrag gegeben hat. Dieser Elliott ist ein windiger Geselle. Da Harland weiß, dass Lancaster aus Edenville kam, fragt er Elliott, wer ihm den Auftag gegeben habe, bekommt aber nichts aus ihm heraus. Im Gegenteil, Elliott warnt ihn „Stay away from Edenville“.
Als Harland geht, will Elliott ihn von hinten erschießen, was aber misslingt, da Harland damit gerechnet hatte und Elliott umlegt.
H.A.DeRossa hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Er baut eine Spannung auf, die bis zur letzten Seite anhält. Die Dialoge sind kurz und knapp, die Kommentare präzise und lakonisch, beschrieben wird nur das, was für die Handlungsführung unbedingt nötig ist.
Harland reitet nach Edenville wo er, bei wem er sich auch immer nach Lancaster erkundigt, auf Ablehnung und Hass stößt. Er bemerkt bald, dass er alle gegen sich hat: den Besitzer des Saloons mit seinem öligen Revolvermann, die Stadtbewohner, die jungen reichen Erben einer Ranch und die Witwe von Lancaster, die auf einer verfallenen Ranch lebt und zu der er sich erotisch hingezogen fühlt. Alle wollen von ihm wissen, ob Lancaster tot ist, aber Harland versteht es, einer klaren Antwort systematisch auszuweichen. Er bringt in Erfahrung, dass Lancaster mit anderen zusammen einen Bahnüberfall durchgezogen hat, wird von einem Detektiv grausam gefoltert, der wissen will, wo die Beute versteckt wurde und gerät von einer üblen Situation in die nächste. Elemente einer Krimihandlung deuten sich an, man will als Leser wissen, was hinter dem ablehnenden Verhalten gegenüber Harland steht und geht und reitet mit ihm auf die Suche nach einer Wahrheit, die immer neue Fassetten annimmt, durch die Landschaft. Es tauchen neue Verdächtige auf und Harland legt einiges an Leuten um, bis das Buch ein heftiges Ende nimmt.
Sonderbar ist an dem Buch, dass Harlands Verhältnis zu Frauen immer in Gewaltszenen zu enden scheint. Das erinnert ein wenig an die Rolle von Frauen bei Raymond Chandler und, wenn auch nicht ganz so heftig, bei Mickey Spillane. Obwohl Harland sich bemüht, sich korrekt zu verhalten, behandeln ihn alle als den gewissenlosen Revolvermann der er auch ist, der aber auch seinen Stolz hat (er hat nie jemanden in den Rücken geschossen) und er will rausbekommen, warum sich Lancaster von ihm erschießen ließ.
Der Roman wird angenehm kurz und präzise erzählt. Und genau dieser Kürze, diese lakonische Art macht den Reiz dieses Buches aus. Wir befinden uns fast schon in der Welt des Italo-Western und Harland wirkt wie eine der Figuren, die später Clint Eastwood verkörpern wird.
In Deutsch, außer einigen schon längst vergriffenen Heften und Büchern in wohl eher schlichter Übersetzung, gibt es nichts von H.A.DeRosso, aber auch seine englischen TBs sind nur schwer zu erhalten. „.44“ gibt es billig bei amazon, aber das war‘s dann auch schon.
In einer Kurzbeschreibung wird im Netz auf einen vorbildlichen Storyband hingewiesen: gibt:
Of all the amazing writers published in the popular fiction magazines of the 1940s and '50s, one of the greatest was H.A. DeRosso. Within twenty years he published nearly two hundred Western short stories, all noted for their brilliant style, their realism and their compelling vision of the dark side of the Old West. Now, finally, for the first time in paperback, we have a collection of the best work of this true master of the Western story. “Under the Sun” This collection, edited by Bill Pronzini, presents a cross-section of DeRosso's Western fiction, spanning his entire career. Here are eleven of his best stories and his riveting short novel, "The Bounty Hunter", all powerful and spellbinding, and all filled with the excitement, the passion, and the poetry of Western writing at its peak.
Mal abgesehen von den ausgelutschten Euphemismen des Waschzettelgeschreibsels der Werbefuzzis, es ist unmöglich (mir zumindest) bisher mehr über die Person dieses Autors zu erfahren.
Western, gute Western gibt es in amerikanischen Taschenbüchern jede Menge von Loren D. Estleman (ausgezeichnet seine Studie über den Kampf im OK-Coral, aus der man erfährt, was für ein fieser Typ dieser Wyatt Earp war - gab‘s bei Heyne) , Bill Pronzini, Elmore Leonhard (ausgezeichnete Western), Max Brand, Elmar Kenton, Wayne D. Overholser, Larry McMurtry, Cormac Mac Carthy und viele viele andere, die sich in der oben bereits erwähnten web-site finden lassen.
Was wächst hier bei uns für eine Generation von Jünglingen heran, die nie mehr die Weiten der Prairie oder die der hupfenden Meere (etwa in der ausgezeichneten Aubrey-und-Maturin-Serie von Patrick O’Brian) in den Wunschphantasien eroberten. Auch das Weltall hat als „location“ (was eine üble Worthülse im Neudeutschen) nicht mehr den Reiz der frühen Hohen Zeiten der „Space Operas“. Es wird Zeit, in die sterilen, fern jeder historischen Bezüge dahin dümpelnden Fantasyfluchtwelten neue Elemente einzuführen.
Das Beste, was in den letzten Jahren im Bereich erweiterter Crap-Art geschrieben wurde ist meines Erachtens Stephen Kings Mammutwerk vom Dunklen Turm. Dessen Hauptfigur ist, das kann King, dem King, nicht hoch genug angerechnet werden, ein Revolvermann, ein gunslinger.
If they move, kill’em
© geronemo 07