Ich habe mir gedacht: Das muß ich einfach mal verbreiten. Ein bisher völlig unbekannter Autor, Verlag BoD, grad erst auf dem Markt. Ich bin von einer Freundin, die mit dem Autor bekannt ist, am 3. Januar dazu gedrängt worden , dieses Buch anzulesen. Dann bin ich 2 Tage daran kleben geblieben und habe die Zeit vergessen... so etwas dicht Erzähltes, so etwas auf jeder Seite neu Überraschendes... bis ich gemerkt habe, auf was das Ganze eigentlich hinausläuft, war ich auf der letzten Seite angelangt.
Ein neuer Autor möchte sein Buch vermarkten, doch einen Verlag findet er nicht. Da setzt er sich die fixe Idee in den Kopf, ganz direkt einen Lektor für sich zu gewinnen. Er wählt sich einen Verlage aus nach der Methode "Schiffe versenken" und steigt dem zuständigen Lektor nach. Doch dabei entdeckt er, daß dieser Mann mehr als eine Identität besitzt. Warum? Ein reputierlicher Beruf, ein harmloses Umfeld, was steckt dahinter? Kaum gesteht ihm der Lektor, daß er sogar noch eine dritte Identität besitzt, wird Lessing (dieser Autor) nach Ägypten entführt und dort peinlichen Befragungen ausgesetzt. Schließlich erfährt er, daß er geschnappt wurde, weil "man" Weilanders (der Lektor) nicht habhaft wurde, ihn aber mit ihm gesehen hatte. Hinter der ganzen Aktion stecken "die Amerikaner", konkret die NASA, die um den weiteren Erfolg ihres Weltraumprogramms fürchten muß, wenn Weilander auspackt. Was hätte denn Weilander zu erzählen? Lessing erfährt nur von einem Betrug, einer Täuschung, bei der Weilander in Verbindung mit Poulenc, einem hochrangigen NASA-Mitarbeiter, beteiligt gewesen sein soll. Es geht um eine gewisse Entdeckung amerikanischer Sonden auf dem Mars...
Weilander selbst ist krank. Traumatische Erlebnisse in seiner Ehe haben ihn veranlaßt, in Fiktionen zu flüchten, die allerdings kein gutes Ende nahmen, sondern darin gipfelten, daß er, der gelernte Ägyptologe, aus dem Wiener institut für Ägyptologie gefeuert wurde. In Ägypten, wo sich immer mal wieder Expeditionskorps der NASA tummeln, gerät er in den Sog Poulencs.
An dieser Stelle kann ich gewisse Pointen nicht vorweg nehmen, ohne das Lesevergnügen zu schmälern.
Fazit: Die Dinge sind nicht so, als wie sie sich darstellen. Und mit jedem Kapitel, mit jeder Seite fast, changieren die Tatsachen in einer neuen Farbe, wie bei einem Chamäleon vor unruhigem Hintergrund. Was ist wahr, was Fiktion? Fragt sich der Leser bis vierzig Seiten vor Schluß. Dann scheint alles durchleuchtet zu sein. Sieben verschiedene Erzählstränge winden sich mit einem Mal immer dichter zusammen. Man fragt sich unwillkürlich, was kann nach dieser atemlosen Offroadfahrt eigentlich noch geboten werden? Das letzte Kapitel, die "Himmelfahrt", läßt nichts an Unklarheit übrig: Der Autor, der Lektor, der Staatsanwalt, der "Freund", Arseniu, der Dunkle aus Rumänien, Poulenc, alle geben ihre Standpunkte, ihre Geschichte, die sie bis hier hin geführt hat, preis. Und dennoch: Es geschieht ein Wunder - alles Banale wird überhöht und einem neuen Sinn untergeordnet. Lessing schließlich hat eine neue Geschichte, er hat Erfolg und er besitzt eine neue Liebe.
Eine spannende Story, atemlos erzählt, zwingend, nervenaufreibend. Aber auch ein Kaleidoskop menschlicher Irrungen und Wirrungen, eine Bestandsaufnahme seelischer Defekte und krampfhafter Lösungsstrategien - je nachdem, wie man es liest.
Ich gestehe, jetzt lese ich gerade den Roman zum zweiten Mal - mit ganz anderen Augen. Die Erzählweise von Wolf Wieland ist fulminant. Man merkt ihm an, daß er wohl keine "Schreibschule" besucht hat. Keine zentnerschweren Bedeutungsgewichte an jedem Satz. Aber ein klarer und geschlossener Satzaufbau, sparsam verwendete Adjektive, plastische Bilder, die jeglichen Wunsch nach deutlicherer Visualisierung gegenstandslos machen, eine Sprache, die je nach Romansituation in Leichtigkeit zwischen zurückhaltend und drastisch wechselt, so daß man es kaum merkt. Man gleitet wie auf Kufen über dem Eis über die Verständlichkeit und Eingängigkeit seiner Schilderungen und freut sich ganz einfach.
Wieso, zum Teufel, erscheint so etwas nicht in einem der renommierten Verlage? Nichtsdestotrotz, wenn man es nicht von der Freundin des Autors bekommt, kann man sicher das 316 seitige Paperback bei http://www.bod.de direkt oder beim Buchhandel (libri.de) oder bei Amazon bestellen. Die Möglichkeiten habe ich zumindest abgechekt. Jemandem, der nicht darüber erschrickt, nach der Leküre eines packenden Romans plötzlich vor einem Buch mit nicht zuvor geahnter Tiefe zu stehen, kann ich "Die Schicksalsmaschine" von Wolf Wieland wirklich ansd Herz legen. Oder hat ihn schon jemand anderes gelesen? Bin gespannt auf eure Urteile!