Luigi Pirandello : Mattia Pascal

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.933 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Saltanah.

  • Luigi Pirandello - Mattia Pascal
    (OT: Il fu Mattia Pascal)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Luigi Pirandello, Sizilianer, Nobelpreisträger 1934, bekannter Dramatiker schrieb mit "Mattia Pascal" einen Entwicklungsroman der besonderen Art. Der Originaltitel verrät es ein wenig: "Il fu" heißt "der verblichene". Die Hauptperson ein Toter? Ja und nein:
    Mattia, aufgewachsen in vermögenden Verhältnissen, durch Misswirftschaft des Verwalters arm geworden, in einer unglücklich Ehe steckend ergreift die Flucht: weg aus dem heimatlichen sizilianischen Dörfchen, nach Monte Carlo, wo er eine Menge Geld gewinnt. Wieder auf dem Nachhauseweg fällt ihm eine Zeitung mit einem Bericht über einen Selbstmord in die Hand: seinem eigenen. Und er entscheidet sich diesen fatalen Fehler auszunutzen; ein neues Leben auf Wanderschaft zu beginnen, ohne Geldsorgen, ohne die Frau und die verhasste Schwiegermutter.
    Doch schon bald muss er feststellen, dass ein Dasein als lebender Toter gar nicht so einfach ist, auch in Italien gibt es eine Meldepflicht und in Rom, wo er schließlich lebt, sich verliebt, diskutiert, nachdenkt, an Seancen teilnimmt, überwältigt ihn dieses Gefühl irgendwann. Er will zurück in sein Leben, wieder Mattia Pascal sein! Zurück auf Sizilien warten nicht nur auf seine Familie, die ihn tot glaubt, eine Überraschung, sondern auch auf Mattia.


    Ich hatte diesen Roman als "Nachlektüre" für meine Sizilienaufenthalt letztes Jahr gekauft. Dafür taugt er überhaupt nicht - lieber "Il Gattopardo" lesen ;-), er spielt kaum auf Sizilien und wenn atmet er kein sizilianisches Flair.
    Nicht Pirandellos Fehler, sonder meiner, und ich bin auch in keiner Weise enttäuscht, dass diese Erwartung nicht eintraf. Belohnt wurde ich stattdessen mit einem intelligenten Roman mit einer ungewöhnlichen Handlung. Ein Roman, der sich mit Fragen der Identität, gesellschaftlichen Konventionen und philosophischen Fragestellungen beschäftigt. Nachdenklich-Besinnliches wechselt sich mit komischen Szenen ab, bedingt auch durch einige Charakterköpfe wie dem theosophischen Vermieter Anselmo, der "klassischen" Schwiegermutter und Tante Scholastica, die immer durchgreift, wenn nötig.


    Den Dramatiker spürt man hinter der etwas episodenhaften Erzählweise, was mir es manchmal etwas schwer macht "am Ball zu bleiben". Um ein Fazit zu ziehen: eine lohnende, nachdenklich-stimmende Lektüre mit italienischem Temperament!


    4ratten (und eine halbe Zusatzratte)


    Katia

  • Ich hab auch gerade Mattia Pascal gelesen und muss sagen, dass ich hellauf begeistert bin.


    Für mich stand neben dem Identitätsthema vor allem die Frage nach der Freiheit im Vordergrund: Die anonymen Gegenstände, die Mattia umgeben, kann er nicht lieben. Er kann sich keinen Hund zulegen, da er so Steuern zahlen müsste. Er ist zur Einsamkeit verdammt, weil Freundschaften auf Aufrichtigkeit beruhen müssen, die er in seiner Situation nicht aufbringen kann. Und schließlich, als er begreift, dass auch die Liebe nicht mit seinem Leben vereinbar ist, merkt er, dass sein „freies“ Leben alles andere als frei ist.


    Doch neben der Melancholie, die hier den Ton angibt, ist auch ganz viel (Selbst-)Ironie und Witz vorhanden. So z.B. als das Mädchen, das sich in Mattia Pascal verliebt, ihm Weihwasser aus der Kirche holt, in dem er nichtsahnend seine Zigarette ausdämpft.
    Ich schließe mich also Katia an: ein Buch, das zum schmunzelnden Nachdenken anregt.


    5ratten


    Übrigens Katja: Weißt du, dass Miragno auf Sizilien ist? Ich hab es mir nämlich eher als (fiktives?) Dorf irgendwo an der Ligurischen Küste vorgestellt. Sonst würde Mattia nicht einfach so spontan nach Monte Carlo fahren (vor 100 Jahren wäre das von Sizilien aus ja eine kleine Weltreise gewesen und den Eindruck hatte ich eigentlich nicht). Außerdem legt er ja nach seinem Rom-Aufenthalt eine Zwischenstation in Pisa ein – da könnte ich mir auch logischere Routen vorstellen, wenn ich nach Sizilien wollte. :zwinker:


    LG, kat

  • kat: Ja, von dem Eindruck, den ich im Roman bekam, muss das wohl so sein - explizit erwähnt wird es nirgends. Allerdings kommt man auf dem Weg von Rom nach Sizilien nun wirklich nicht nach Pisa.
    Reingefallen bin ich auf den Klappentext der Manesse-Ausgabe: "Sein meistgelesener Roman (1904) fängt in Sizilien an..."! Während des Lesens habe ich mich immer wieder gewundert - beim Rezi schreiben es aber wieder verdrängt.
    Ligurien klingt sehr plausibel!


    Katia

  • He, das klingt ja sehr vielversprechend! Mir ist dieses Buch (in englischer Übersetzung) vor ein paar Wochen in die Hände gefallen und wenn ich euch trauen kann (bzw. einen ähnlichen Lesegeschmack habe), dürfte ich meinen Kauf nicht bereuen.

    Wir sind irre, also lesen wir!