Jean-Marie Gustave Le Clézio - Der Afrikaner

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 3.081 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bine1970.

  • Jean-Marie Gustave Le Clézio: Der Afrikaner"


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    „Der Afrikaner“ ist eine liebevoll Annäherung an seinen Vater, dem es nach einem Aufenthalt in British – Guyana im Jahre 1928 mit einer kleinen medizinischen Ausrüstung in einem „Streifen Land – Ostnigeria und Westkamerun -“, verschlägt, um dort als Arzt tätig zu sein. „Streifen Land“, sehr bescheiden ausgedrückt, dieser Streifen war riesengroß, teilweise kartographisch noch nicht erschlossen, sodass der Mediziner selber Karten aufzeichnet.


    Zitat von "Le Clezio"

    „Auf der Karte, die mein Vater selbst erstellt hat, trug er die Entfernungen nicht in Kilometern, sondern in Wegstunden oder Tagesmärschen ein.“


    Es hat vielleicht noch niemanden gegeben, so schreibt Le Clézio, der dieses Land so intensiv bereist und kennengelernt hat, wie er, sein Vater. In dieser Gegend kennt er praktisch jeden, er kennt die äußersten Winkel, in denen nicht mal die Kolonialherren hinkommen.

    Zitat von "Le CLezio"


    „Er entdeckte die Landschaften Äquatorialafrikas , die André Gide in seiner Kongoreise (inetwa zeitgleich mit der Ankunft meines Vaters in Nigeria) beschrieben hat:...“


    Seit seiner Flucht aus Mauritius pflegt er einen Hass gegen Kolonialherrschaften und geht, bevor sein abenteuerliche Leben beginnt, nach London. Dort beendet sein Medizinstudium im Saint Joseph's Hospital in Elephant & Castle. Hier stoßen wir auf Parallelen zu Le Clézios Roman „Revolutionen“. Auch dort muss die Familie Mauritius verlassen, und Jean Marro wohnt und studiert in diesem Londoner Stadtteil.


    Zitat von "Le Clezio"

    „Wenn ich diese körperliche Erfahrung Afrikas nicht gemacht, dieses Erbe meines Lebens nicht vor meiner Geburt erhalten hätte, was wäre aus mir geworden?“


    Etwas von der Abenteuerlust seines Vaters ist dem weltreisenden Autor dieses Büchleins sicher übertragen worden. Das afrikanische Abenteuer hat aber auch einen Preis. Der zweite Welkrieg hat die Familie über Jahre auseinandergerissen und als Le Clézio 1948 erstmals seinen Vater gegenübersteht, erscheint er ihn als Fremder.


    Herrlich zartfühlend in einem ruhig enspannten Erzählton geschrieben, kann ich mir den Text auch als Hörbuch gut vorstellen.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • J.M.G. Le Clézio: Der Afrikaner. Hanser Verlag, 133 Seiten.


    Im Alter von 8 Jahren kommt der Autor zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Afrika und begegnet dort zum ersten Mal seinem Vater. Der Vater ist viele Jahre Tropenarzt in Kamerun und Nigeria gewesen, während die Mutter mit den kleinen Söhnen während des Krieges in Nizza blieb.


    In diesem kleinen poetischen Buch nähert sich Le Clézio seinem Vater und dem Lebensgefühl in Afrika. Diese ganz andere Kinderwelt, wie sie wohl niemand von uns in der westlichen Zivilisation Aufgewachsenen erfahren hat, wird anschaulich und sehr gefühlvoll beschrieben.


    Zitat:
    Als Kind verfügt man noch über wenige Worte (und die Worte sind noch nicht abgenutzt). Adjektive und Substantive standen mir damals noch nicht zur Verfügung. Worte wie [i]wunderbar, unermesslich, machtvoll[/i] konnte ich noch nicht formulieren, nicht einmal denken. Aber ich war imstande, etwas Entsprechendes zu empfinden. Zu empfinden, wie hoch die Bäume mit ihrem kerzengeraden Stamm in den nächtlichen Himmel aufragten, [...], ich konnte die nackten, schweißglänzenden Körper auf den Lichtungen der Dörfer spüren, die massigen Silhouetten der Frauen, die auf dem Rücken festgeschnürten Kinder [...]


    Der Autor beobachtet sehr genau und erzählt mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Es ist mit SW-Fotos illustriert, die aus dem Archiv des Autors stammen und so die beschriebenen Szenen punktuell unterstreichen.


    Es ist ein autobiografisches Büchlein, mit einem hohen Selbstanspruch an die gewählte Sprache. Auch wenn es kein belletristisches Werk im eigentlichen Sinne ist, wäre eine Einordnung als Sachbuch ebenso falsch. Großartige Erkenntnisse über Afrika sollen hier aber auch nicht vermittelt werden, dazu bleibt Le Clézio zu persönlich. Dennoch liest man ein solches Buch gerne.


    4ratten


    Gruß, Thomas

  • Le Clézio unternimmt in diesem Text zum einen eine Annäherung an den fremden Vater, den er erst im Alter von acht Jahren kennenlernt, als er mit seiner Mutter seinem Bruder Frankreich verläßt, um nach Nigeria zu fahren, wo der Vater im Dienst des Colonial Office als Arzt arbeitet. Er ist zum anderen aber auch eine Suche nach den Spuren, die diese Zeit in ihm selbst hinterlassen hat. Die konträren Wahrnehmungen, die er als Kind und sein Vater als diensttuender Arzt in dieser Zeit und dieser Region nicht nur altersbedingt machen, sind wunderbar zu verfolgen, besonders auch in sprachlichen Genauigkeit und Eindringlichkeit. Zwar ist mir mehr als einmal die Chronologie durcheinander geraten, aber es geht ja schließlich nicht um eine Dokumentation, daher habe ich mich gerne von den Bildern forttragen lassen.



    Großartige Erkenntnisse über Afrika sollen hier aber auch nicht vermittelt werden, dazu bleibt Le Clézio zu persönlich.


    Vermittelt werden sollen sie sicher nicht, dazu ist es nicht nur zu persönlich, sondern auch angesichts der zeitlichen, geographischen und gedanklichen Weite entschieden zu kurz. Aber wenn man sich mit dem Kontinent, seiner neueren Geschichte und der Gegenwart intensiver beschäftigt hat, dann gibt es eine Vielzahl kleiner Bemerkungen, die es ermöglichen, Le Clézio diesbezüglich zu positionieren – auch noch jenseits eines recht grundsätzlichen Anti-Kolonialismus. Für mich war dies ganz ohne Frage ein zusätzlicher Reiz an dieser Lektüre.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Ich lese das Buch ja gerade und bin total begeistert.


    Es ist sehr gut geschrieben und es flutscht nur so dahin.


    Wenn ich nicht zwischendurch immer mal was anderes machen würde wäre das Buch schon längst beendet.


    Ich war vom Titel "Der Afrikaner" dann doch etwas irre geleitet, denn ich dachte Le Clézio sei Afrikaner, aber da wurde ich ja etwa besseren belehrt.
    Dann fragte ich mich ist er nun Franzose oder Brite? Denn auch da wurde ich wieder in die Irre geführt, dadurch das Le Clézio's Vater in England studiert hat, was aber nicht gleichzeitig heißt das er Engländer ist...
    ich weiß es immer noch nicht :rollen:
    Ihr seht verwirrend, verwirrend.


    Allerdings kann ich sehr gut verstehen, das er seinen Vater als Fremden, fast noch als Feind an sah, denn er kannte ihn ja nicht. Und dann kommt er als kleiner Junge nach Afrika, aus der westlichen Zivilisation, ist also ein ganz anderes Leben gewohnt. Das muß ja erst mal ein Schock gewesen sein.



    Bin zwar noch nicht ganz durch aber das Buch bekommt von mir 4ratten


    Die fünfte fehlt, weil ich gerne noch mehr gelesen hätte und mir 134 Seite definitiv zu kurz waren

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


    Einmal editiert, zuletzt von Bine1970 ()