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Hallo,
aus einem anderen Forum kenne ich jemanden, der sich vor Pynchons Fabulierkunst und Wortschatz verneigt, sogar daran denkt, sein eigenes Schreiben aufzugeben, weil er "Gegen den Tag" gelesen hat. Das ist so ähnlich wie bei Brahms, der sagte, nach Beethoven könne man keine Symphonie mehr schreiben.
Gibt es also was zu sagen zu Pynchons Fabulierkunst und Wortschatz? Was meint ihr?
Liebe Grüße
mombour
Lieber mombour,
deine Einlassung begreife ich als (positive) Provokation, auf die ich mit einer Provokation reagieren möchte.
Der Teilnehmer in dem anderen Forum gibt sich natürlich eine prätentiöse Haltung mit seiner Äußerung. Warum soll er seine Kunst, seinen Broterwerb (oder beides) mit dieser Begründung aufgeben? Dieser Argumentation folgend, könnten die meisten Menschen ihre Arbeitsverhältnisse kündigen und ihre Hobbys einstellen. Ich kann eh nicht komponieren, also schließe ich mich Brahms an.
Die Argumentation des Teilnehmers erscheint mithin ebenso wenig zielführend wie ein Buch ohne Absicht, oder anders: ohne Absicht jenseits der der Markenreproduktion und/oder der materiellen Reproduktion. Selbstzweck oder Selbstdarstellung.
Der Wortschatz des Schriftstellers als Kriterium für die qualitative (nicht eher: quantitative?) Bewertung von Literatur? Fabulierkunst als Selbstzweck? Gleichsam inhaltsfreie Diskurse generieren? Der immense Wortschatz liest sich in Verbindung mit Fabulierkunst natürlich angenehmer als der Duden.
Ist nicht die grundlegende Frage: Warum lese ich? Derivate lassen sich beliebig finden: Was will ich lesen, was nicht? Wer gibt vor, was warum zu lesen sei?
Rückkehr zum inhaltsfreien Diskurs, zur Markenbildung: Würde Gegen den Tag gelesen, wenn nicht der Name der Luxusmarke „Pynchon“ draufstünde, sondern lediglich „Du darfst“ oder „Danke“? Oder gar für sehr gut befunden? Womit keine Qualitätsaussage über das Werk verbunden ist.
Du siehst, mir gefällt Pynchon nicht. Aber Denis Scheck und Elke Heidenreich hassen mein heimliches Lieblingsbuch auch.
Liebe Grüße,
mohan