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Dies ist mal wieder einer der seltenen Fälle, wo ich für den Inhalt auf den Klappentext zurückgreifen muß: „Eben noch war der Herr Doktor die rechte Hand des Diktators Salazar, Besitzer eines üppigen Landgutes in Palmela, ein wichtiger und mächtiger Mann, der von sich sagen konnte, er nehme vor niemandem den Hut ab. Ein Mann, dem nicht nur das Land gehörte, sondern auch die Leiber der Dienstmädchen, der er regelmäßig beschlief. Nun liegt er im Altenheim, inkontinent, zahnlos und ohne Hut, den er abnehmen könnte, und ein paar Betten entfernt dämmert sein Komplize, der Major, ehemals Chef der gefürchteten Geheimpolizei Pide, dem Tod entgegen.
Daß seine Frau ihn einst wegen eines anderen politischen Günstlings der Salazar-Diktatur verlassen hat, und sein Freund, der Major sich nicht bereit fand, den Nebenbuhler kaltzustellen, hat der Herr Doktor nie verwunden. Und er holte sich über siebzigjährig ein Mädchen von der Straße, steckte sie in die abgetragenen Gewänder seiner Exgattin, überhäufte sie mit Schmuck und Alterszärtlichkeiten und gab sich der Lächerlichkeit preis. Aus dem Sohn, dessen Existenz der Herr Doktor erst auf dem Totenbett wahrnimmt, ist nach einer verunglückten Ehe mit einer höheren Tochter ein halt- und mittelloser Nichtstuer geworden.
Achtzehn Figuren, unter anderem die Haushälterin, die Magd, der Chauffeur, der Tierarzt, der das geschwängerte Dienstmädchen im Kuhstall entbinden soll und nicht zuletzt der hinfällige Herr Doktor selbst, geben in dem Roman Auskunft über die Vergangenheit. Das Erzählte fügt sich langsam zum Panorama eines Untergangs. Die Zeugen dieser Zeitenwende erinnern sich, rechnen ab, hoffen auf Erneuerung oder nur noch auf Erlösung, und halten zugleich mit ihrer Stimme diese Welt lebendig. Meisterhaft verknüpft Antunes die politische Geschichte Portugals, den Kolonialkrieg und die Diktatur Salazars, die Nelkenrevolution und den Sozialismus, mit den privaten Geschicken seiner Figuren.“
Meine Meinung: So weit, so interessant – dachte ich. Was die Familienverhältnisse angeht, so findet sich das auch tatsächlich alles wieder, aber damit erschöpft es sich für mein Empfinden auch. Die Verknüpfung mit der portugiesischen Geschichte fällt recht schwach aus. Ja sicher, Angola und Kolonialkrieg kommen irgendwie vor, desgleichen die Nelkenrevolution, mit beidem bin ich mehr oder weniger vertraut. Aber der Untergang und Verfall des mächtigen Herrn Doktors und seiner Familie resultiert eben einfach aus der Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und schlicht und einfach dem Alter. Mithin könnte das so oder doch sehr ähnlich überall dort stattfinden, wo Geld und Macht derart eng miteinander verflochten sind und keiner (demokratischen) Kontrolle unterliegen (also fast überall auf der Welt, und auch hierzulande wäre ich nicht sicher, daß es im Grundsatz völlig abwegig ist ...) und vermutlich passiert auch genau das nahezu täglich.
Trotzdem hätte auch das, selbst ohne Sympathie für irgendeine der auftauchenden Personen, noch interessant sein können, wenn es nicht durch einen weiteren Faktor schlicht zur Quälerei geworden wäre: den extrem zerfahrenen Stil. Antunes hat die einzelnen Berichte und Kommentare der Beteiligten so aufgeschrieben, wie man wahrscheinlich denkt und wie Leute, die in ihren mehr oder weniger verdrängten Erinnerungen kramen, es auch einem Gegenüber erzählen würden: mit Wiederholungen, Abschweifungen, unangekündigten Zeitsprüngen usw. usf. Auf Grund der Struktur des Romans mit seinen ständig wechselnden Perspektiven durch je einen anderen Berichterstatter (wobei manche auch mehrfach zu Wort kommen) kann ich zwar verstehen, warum diese Form gewählt wurde, aber begeistert hat sie mich trotzdem nicht, im Gegenteil. Die wechselnden Erzähler sind zum Glück in der Regel noch recht schnell im jeweiligen Abschnitt erkennbar, aber die im Satz sich ändernde erzählte Zeit wäre leichter zu verfolgen gewesen, wenn es Punkte nicht nur am „Kapitel“ende gegeben hätte, wie überhaupt Satzzeichen eher Mangelware sind – etwas, das ich nur in absoluten Ausnahmefällen gut vertrage, hier jedenfalls nicht.
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Schönen Gruß,
Aldawen
P. S.: Ich habe direkt kontrolliert, ob das in Die Rückkehr der Karavellen, das schon länger bei mir subt, auch der Fall ist, dann hätte ich es nämlich gleich von SuB geworfen, aber zumindest stehen dort vollständige Sätze, Antunes wird also noch eine zweite Chance bekommen.