Was ist interessant an "Klassikern"?

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  • Ich muss gestehen, dass ich das Buch bereits drei Mal begonnen habe und immer wieder nach knapp 200 Seiten weggelegt habe, weil ich einfach nicht mehr lesen konnte.
    Weil es für mich keine Handlung hat, es mag durchaus gut geschrieben sein, das bezweifle ich nicht, dennoch werde ich meine Zeit nicht damit verschwenden ein Buch zu lesen, durch das ich mich durchquälen muss, weil ich es einfach langweilig finde.


    Ja, mag sein, dass das keine qualifizierte Aussage ist und ja, ich kann sie nicht anders begründen. Das sind alles Dinge die stimmen. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen, denn Buddenbrooks hat mir im Gegenzug zehnmal besser gefallen.


    Katrin


    Eben. Du hast es drei Mal angefangen, findest es langweilig, willst es nicht mehr lesen, okay.
    Aber du sagst auf dieser Grundlage nicht, wie manche anderen Leute, dass es ein gutes oder schlechtes Buch ist bzw. sein soll, oder? Das meinte ich.

  • Ich habe den Eindruck, dass "langweilig" ein Kriterium ist, das für eine sehr große Zahl von Menschen ein Qualitätsmaßstab für Literatur ist. Wer bestimmt die Kriterien, die zur Qualitätsmessung verwendet werden? Es sind doch keine absoluten Größen, in denen wir die Qualität messen.


    Ja, das ist eine wichtige Beobachtung, zu der man sich noch mal näher Gedanken machen könnte.


    Warum findet jemand seitenlange Ausführungen in einem Sanatorium langweilig, während andere diese als interessanten Einblick in die menschliche Natur empfinden? Warum finden manche Leser die Zauberwelt eines HP langweilig, während andere diese als inspirierend und witzig empfinden?


    Wenn man diese Details aufzeigen kann, dann wäre für eine fruchtbare Diskussion schon viel gewonnen.


    Gruß, Thomas

  • Eben. Du hast es drei Mal angefangen, findest es langweilig, willst es nicht mehr lesen, okay.
    Aber du sagst auf dieser Grundlage nicht, wie manche anderen Leute, dass es ein gutes oder schlechtes Buch ist bzw. sein soll, oder? Das meinte ich.


    Aber wieviele Leser hochgelobter Klassiker tummeln sich hier, die - ohne entsprechende Bücher gelesen zu haben - sagen "Dieses Buch von Autorin xyz ist völliger Schund"?

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Hola! Das finde ich ja Mist, (auch ich kenne diese Ausdrücke in Sätzen...hehehe)!
    Wenn mir ein Klassiker nicht gefällt, dann habe ich ihn nicht verstanden?Dieses Argument ist letztklassig und abwertend. Ich mag das nicht.


    Falls mein Posting die Referenz sein sollte: Genau das habe ich eben nicht geschrieben!

  • Und das gilt dann nur für Klassiker und Weltliteratur? :confused:


    Die andere Literatur lässt sich schon mit weniger Auseinandersetzung beurteilen, weil sie weniger komplex ist.


    Die Qualität von drei Versionen eines Fahrraddynamos kann ich noch selbst beurteilen, während ich für einen Automotor einen Fachmann benötige. Dazu fehlt mir zu viel Wissen. Bei Literatur ist es ähnlich.


    Gruß, Thomas


  • Die Aussage "Zauberberg ist langweilig" ist etwa so hilfreich wie die Aussage eines Nicht-Lesers "Alle Bücher sind langweilig, das echte Leben ist viel spannender."


    Hilfreich in welcher Hinsicht? Die Aussage gibt doch zumindest Aufschluss über die persönlichen Ansprüche an Literatur und Kriterien der Bewertung?

  • Aber wieviele Leser hochgelobter Klassiker tummeln sich hier, die - ohne entsprechende Bücher gelesen zu haben - sagen "Dieses Buch von Autorin xyz ist völliger Schund"?


    Keine Ahnung, vermutlich einige. Diese Art der Bewertung finde ich ja nicht gut, auch wenn sie verbreitet ist.

  • Die andere Literatur lässt sich schon mit weniger Auseinandersetzung beurteilen, weil sie weniger komplex ist.


    Thomas, ich weiß, dass Du ein Mensch bist, der sich mit etwas auseinandersetzt, bevor er sich ein Urteil bildet. Deshalb nehme ich Deine Aussagen auch ernst (fand ich toll, dass Du einen Liebesroman versucht hast!). Aber Du schreibst es ja schon: "Weniger Auseinandersetzung" bedeutet nicht "gar keine Auseinandersetzung". Das ist der Punkt, um den es mir geht. Natürlich gibt es Literatur, die komplexer ist und welche, die sich nur durch unterhalten und vergessen auszeichnet. Für den einen bedeutet dies aber dann trotzdem ein gutes Buch. Und mal ehrlich: Es gibt jede Menge Professoren (intelligente Menschen?), die das Lesen jedweder Belletristik und Unterhaltungsliteratur (Klassiker eingeschlossen) als Escapismus bezeichnen und nur das Lesen von Fachliteratur respektieren.


    Aber wenn ich nun behaupte, dass ich z.B. "Otherland" von Williams oder "Das Lied von Eis und Feuer" von Martin für weitaus komplexer (und sprachlich ausgereifter) halte als Jane Austens Gesamtwerk, dann kann ich das, weil ich mich damit auseinandergesetzt habe. Trotzdem mag es vielleicht nicht zutreffen, das ist dann aber einfach meine persönliche Meinung (es gibt in der Hinsicht keine objektive Meinung - jeder Klassiker kann hochgelobt oder niedergemacht werden... je nachdem, welchen Experten man fragt. Bitte vier Handwerker um ihre Meinung, dann bekommst Du fünf unterschiedliche Antworten).

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ja, aber warum mögen wir manche Menschen und manche nicht. Manche in der ersten Sekunde nicht.
    Kann man das rational erklären?
    So ist es mit manchen Texten (wir haben das Beispiel Zauberberg gewählt). Manchmal trifft ein Wort: "Zeitraubend" nämlich genau das Empfinden.


    Wenn ich schreibe: Es ist ein persönliches Empfinden, dass es mich nicht interessiert, wie Menschen röchelnd im Sanatorium sitzen, dann finde ich, ist das Erklärung genug.
    Wir sind nicht alle Literaturstudenten, die jeden Text sezieren und ehrlich gesagt, will ich das gar nicht.
    Es gibt Leute, die hören jeden Ton in einer Oper genau und entscheiden dann, sie hören die Gestaltung genau heraus.- Ich gehe in die Oper und sage danach: Das hat mich berührt oder auch nicht. Ich kann das nicht wissenschaftlich erklären und finde das bei Musik und in der Literatur auch Fehl am Platze.
    Wir sind zwar keine Computer, die nur mit 0 und 1 entscheiden, jedoch finde ich es besser, wenn mir jemand sagt: Du, der Zauberberg ist gut oder er ist schlecht FÜR MICH gewesen, als wenn er mir jetzt eine Abhandlung dessen erzählt. Da beginne ich zu gähnen.
    Für mich muss Literatur einen Unterhaltungswert besitzen und das hat das Buch nun Mal nicht und viele andere Klassiker auch nicht. Und dann gibt es wieder welche, die ich sehr schätze und die mich berührt haben, und ja, ich drehe mich im Kreis, wenn ich dann sage: Ich weiß nicht warum. Es war so.

  • Aber wenn ich nun behaupte, dass ich z.B. "Otherland" von Williams oder "Das Lied von Eis und Feuer" von Martin für weitaus komplexer (und sprachlich ausgereifter) halte als Jane Austens Gesamtwerk, dann kann ich das, weil ich mich damit auseinandergesetzt habe. Trotzdem mag es vielleicht nicht zutreffen, das ist dann aber einfach meine persönliche Meinung (es gibt in der Hinsicht keine objektive Meinung - jeder Klassiker kann hochgelobt oder niedergemacht werden... je nachdem, welchen Experten man fragt. Bitte vier Handwerker um ihre Meinung, dann bekommst Du fünf unterschiedliche Antworten).


    Das ist doch vollkommen ok, und du kannst die Unterschiede evtl. sogar aufzeigen. Und darauf aufbauend kannst du dann auch begründen warum du Austen - rein hypothetisch - für einen schlechten Klassiker hälst. Klassiker haben sicher nicht in allen Belangen die Nase vorn. Meines Erachtens müssen es auch nicht nur Bücher sein, die uns noch heute etwas zu sagen haben oder die in jedem Einzelfall stilistisch herausragen. Idealerweise erfüllen sie beide Bedingungen, aber das Feld der Klassiker ist weit.


    Gruß, Thomas


  • Aber wenn ich nun behaupte, dass ich z.B. "Otherland" von Williams oder "Das Lied von Eis und Feuer" von Martin für weitaus komplexer (und sprachlich ausgereifter) halte als Jane Austens Gesamtwerk, dann kann ich das, weil ich mich damit auseinandergesetzt habe. Trotzdem mag es vielleicht nicht zutreffen, das ist dann aber einfach meine persönliche Meinung (es gibt in der Hinsicht keine objektive Meinung - jeder Klassiker kann hochgelobt oder niedergemacht werden... je nachdem, welchen Experten man fragt. Bitte vier Handwerker um ihre Meinung, dann bekommst Du fünf unterschiedliche Antworten).


    Ob man "sprachlich ausgereift" objektiv messen kann, weiß ich nicht.


    Ob ein Werk komplexer ist als ein anderes, ist messbar, wenngleich es mit einigem Aufwand verbunden sein dürfte. Ob jedoch der Grad der Komplexität ein Maßstab für die Qualität eines Buches ist? Für die Qualität seiner Struktur ja, keine Frage.

  • Ich glaube wir drehen uns im Kreis.


    Langweilig ist eine unqualifizierte Aussage, aber ehrlich gesagt fällt mir kein anderer Ausdruck ein, den ich beim Lesen des Textes empfunden habe. Ich bin vor dem Buch gesessen und habe mir geschworen wenn er noch eine Seite lang nur beschreibt wie die Menschen auf der Terasse sitzen und ihre Medikamente nehmen, dann schmeiße ich das Buch in die Ecke. Ich habe das dann auch getan, insofern ich das Buch weggelegt habe. Vielleicht habe ich es zu früh abgebrochen und es entwickelt sich noch ein wunderbarer Roman. Aber das werde ich wohl nie erfahren, da ich dem Buch wahrscheinlich nur mehr eine Chance geben werde, wenn es absolut nichts anderes mehr zu lesen gibt.


    Vielleicht muss man wirklich mehr lesen um kritisieren zu können, mag sein. Aber warum soll ich meine wertvolle Lesezeit mit Büchern verschwenden, die ich nicht lesen will, um Kritik an einem Buch üben zu dürfen?


    @Cori: Nur weil ich ein Buch nicht verstanden habe, muss es nicht langweilig sein. Ich habe gesagt, dass wenn man über einen Klassiker sagt, dass er langweilig war, man meist zu hören bekommt, dass man es anscheinend nicht verstanden hat, weil sonst würde man so was nicht sagen.


  • Wenn ich schreibe: Es ist ein persönliches Empfinden, dass es mich nicht interessiert, wie Menschen röchelnd im Sanatorium sitzen, dann finde ich, ist das Erklärung genug.


    Ja, das ist schon viel mehr als "langweilig". Aber wie müsste jemand schreiben, dass Dich röchelnde Menschen im Sanatorium interessieren? Der eine würde es lesen, wenn ein paar Nackedeis dabei wären, der andere wenn Intrigen ausgesponnen würden, und ich finde es halt interessant zu lesen, wie sich der Protagonist vor dem Spiegel rasiert - zumindest wenn man so schreibt wie Thomas Mann.


    Gruß, Thomas

  • Jaqui: Ich meinte, ich mag das nicht, wenn man sagt: Das war langweilig. Und dann kommt jemand und meint: Dann hast Du`s nicht verstanden. Ich bin wohl mündig genug zu wissen, wann ich etwas verstanden habe und wann nicht.


  • Vielleicht habe ich es zu früh abgebrochen und es entwickelt sich noch ein wunderbarer Roman.


    Nein, das geht so weiter. Reich-Ranicki sagt in solchen Fällen (ich suche das Zitat jetzt aber nicht aus dem Netz): Weglegen und in 10 Jahren nochmal danach greifen. Dann ggf. entsorgen.


    Gruß, Thomas


  • Ja, aber warum mögen wir manche Menschen und manche nicht. Manche in der ersten Sekunde nicht.
    Kann man das rational erklären?
    So ist es mit manchen Texten (wir haben das Beispiel Zauberberg gewählt). Manchmal trifft ein Wort: "Zeitraubend" nämlich genau das Empfinden.


    Davon, manche Menschen mit dem Urteil der ersten Sekunde zu mögen oder nicht, halte ich nichts. Das macht mich im Einzelfall jedoch nicht frei von diesem Gefühl. Die Frage ist, was danach geschieht.


    Können wir den Kriteriensatz ergründen, der zur Ablehnung führt? Falls ja, können wir individuell rationalisieren.


  • Jaqui: Ich meinte, ich mag das nicht, wenn man sagt: Das war langweilig. Und dann kommt jemand und meint: Dann hast Du`s nicht verstanden. Ich bin wohl mündig genug zu wissen, wann ich etwas verstanden habe und wann nicht.


    Ein solcher Jemand ist arrogant, hier teile ich deine Sicht.


    Aber hat das mit mündig zu tun, ob wir etwas verstehen? Die Neurolinguistik zeigt, dass Menschen einen Teil ihrer Zeit, egal auf welchem Niveau, an einander vorbei kommunizieren. Und munter glauben, sie würden einander verstehen. Soll das bei einem Buch einfacher sein?


  • Aber hat das mit mündig zu tun, ob wir etwas verstehen? Die Neurolinguistik zeigt, dass Menschen einen Teil ihrer Zeit, egal auf welchem Niveau, an einander vorbei kommunizieren. Und munter glauben, sie würden einander verstehen. Soll das bei einem Buch einfacher sein?


    Ich teile Deine Ansichten, mohan.


    Letzten Endes ist es doch auch schwierig, Intelligenz zu bemessen. Wie intelligent ist ein Autist? Was oft fehlt, ist die Toleranz auch das zu akzeptieren, was man nicht mag.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.